LdN 357 - Fernwärme - Monopolstellung ist ein riesiges Problem für Kunden

Hallo Ulf @vieuxrenard, hallo Philipp,

Zu eurem Thema „Fernwärme“ und Stichwort „Monopol“ möchten wir euch Informationen aus Erkrath, einem Ort im Kreis Mettmann in NRW, zukommen lassen.

Wir wohnen im Ortsteil Erkrath-Hochdahl. Hier hat eon bis Ende 2022 das Fernwärmenetz betrieben, Anfang 2023 haben die Stadtwerke Erkrath den Betrieb des Netzes übernommen.

Dass die Preisgestaltung bei Fernwärme alles andere als übersichtlich ist, wisst ihr vermutlich. Der Arbeitspreis wird bspw. erst rückwirkend im Folgejahr festgelegt, d.h. Wir wissen aktuell gar nicht zu welchem Preis wir die Wärme beziehen. Die Betreiber haben absolute Handlungsfreiheit, da die Kunden nicht zu einem anderen Anbieter wechseln können (Stichwort natürliches Monopol).

Es gab beim Wechsel von eon auf die Stadtwerke (geringe) Hoffnungen, dass ein kommunaler Betreiber keine gewinnmaximierte Preisgestaltung im Sinne eines Aktienunternehmens wählen würde. Dies ist nun überhaupt nicht der Fall. Vielmehr scheint es so, als solle über die Fernwärmekunden die Finanzen der Kommune aufgepolstert werden. Genau genommen wurde die Preisgestaltung von eon einfach übernommen und es scheint derzeit keine Absicht zu geben daran etwas zu ändern.

Um Kräfte zu bündeln und Informationen zu verteilen hat sich bereits ein Verein (https://www.fernwaerme-hochdahl.de) gegründet, die die Mitglieder regelmäßig über Entwicklungen in anderen Fernwärmegebieten informiert und zusätzlich auf der einen Seite die Stadtwerke etwas unter Erklärungsdruck setzen und auf der anderen Seite auch an der zukünftigen Gestaltung (Dekarbonisierung) mitwirken möchte.
Zuletzt sollte eine Unterschriftenaktion (Bürgereingabe) die Stadtwerke dazu zwingen, die Finanzen (der Fernwärmesparte) offenzulegen, um nachvollziehen zu können, ob das Fernwärmegeschäft noch weitere Sparten der Stadtwerke querfinanziert oder wo die hohen Kosten sonst entstehen.

Auf der einen Seite teilen wir eure positive Darstellung in Folge 357, dass Fernwärme eine vielversprechende Möglichkeit sein kann viele Haushalte gleichzeitig auf einen erneuerbaren Energieträger umzustellen, auf der anderen Seite halten wir das Problem des Monopols für viel tiefergreifender als ihr am Ende des Betragsblocks angerissen habt. Wie kann es sein, dass Verbraucher eine solche Monopolstellung hinnehmen müssen?

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Nicht zu vergessen, dass durch die Monopolstellung weitere Probleme entstehen.

Die Meldung muss ja ca mit der Aufnahme der letzten Folge zusammengefallen sein.

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spannend … wussten wir bei der Aufnahme tatsächlich noch nicht. Angesichts der oft katastrophalen Finanzlage der Kommunen scheint mir die Belastung von Gas- und Wärmekundinnen zugunsten des Gemeindesäckels leider nur allzu naheliegen - besonders, wenn sie sich dank eines Anschluss- und Benutzungszwangs nicht wehren können.

genauso ist es, es kann jedoch nicht sein das der teil der Gemeinde welcher an der Fernwärme angeschlossen ist überproportional durch übertriebene Grund- und Arbeitspreise die Kasse der Stadt füllt. Wenn Fernwärme als wichtiger Baustein der Wärmewende in DE eingesetzt werden soll (was technisch vermutlich sehr sinnvoll ist) so muss das Geschäftsmodell so angepasst werden das es nicht zum Wirtschaftlichen Nachteil für die Kundinnen wird.

Mal ganz am Rande. Die Stadtwerke in Erkrath erneuern jetzt auch noch das Blockheizkraftwerk… mit Gas als primärem Energieträger. Was im kleinen in den Haushalten passiert (Anschaffung neuer Gasthermen) passiert hier auch mit der Fernwärme…

@Kugelfang, bist du denn sicher, dass mit den Einnahmen die Kommune finanziert werden soll? Möglicherweise wird von den Einnahmen auch der Ausbau des Netzes finanziert oder es werden Maßnahmen zur Energieeffizienz und Transformation davon bezahlt?

Mich ärgert dieses negative Framing oft. Tatsache ist, dass die Energiewende erstmal sehr teuer ist und erst in sehr weiter Ferne vielleicht günstiger wird.

Es ist für mich überhaupt nicht verwunderlich, dass Fernwärme aktuell teuer ist. Und ich halte es für eine falsche Anspruchshaltung vieler Mitbürger, dass Energie günstig sein soll.

Nicht ohne Grund versucht ein großer Energieversorger sein Wärme- und Gasnetz aktuell an das Land Berlin abzustoßen.

@Barnabas Aus meiner Sicht ist muss man unterscheiden:
Ein Wirtschaftsunternehmen als Betreiber ist den Aktionären verpflichtet und muss Gewinnmaximiert handeln Dies hat eon demzufolge auch nachvollziehbar getan.

Die Gemeinde als Betreiber muss ebenfalls Gewinne erwirtschaften um zukünftige Investitionen zu tätigen. Genau hier liegt jedoch das Problem: es gibt eine unzureichende Transparenz und Kommunikation hierzu. Wenn klar ersichtlich wäre das die „Gewinne“ sinnvoll re-investiert werden hätte ich ja noch nicht mal etwas gegen die Hohen Kosten sondern könnte sie als „Investition in die Zukunft“ verstehen…

Das heißt, du weißt gar nicht warum die Preise hoch sind und unterstellst einfach eine Quersubventionierung des kommunalen Haushalts?

Anscheinend gab es einen Bürgertermin auf dem die Stadtwerke Erkrath über die Fernwärme und verwandte Themen informierten. Konnte da auch über die Kosten der Transformation gesprochen werden?

Die Geothermie in München-Unterhaching hat auch um 30% erhöht.
Der Betreiber erklärt, dass es eine gesetzliche Vorschrift gibt, wonach ein Index errechnet wird, an dem sich alle Betreiber orientieren müssen.
Da 70% der Fernwärme fossil ist, sind die Preise so stark angezogen.

Nachtrag: was mir damit gerade bewusst wird: für Kunden ist das ein großes Risiko sich einem klimaneutralen Netz anzuschließen. Das würde langfristig zwar vermutlich günstig Wärme produzieren, sollten andere Gemeinden aber auf Wasserstoff setzen, würde davon nur der Betreiber profitieren. Der Endverbraucher würde einen überhöhten Preis bekommen.
Soll Fernwärme flächendeckend ausgerollt werden, muss der Gesetzgeber neue Regeln finden.

Ja diese Veranstaltung hat stattgefunden. Leider konnte ich nicht persönlich teilnehmen, Der detaillierten Zusammenfassung aus den Reihen der Interessengemeinschaft zufolge habe ich nichts verpasst. Hier ein Auszug:

„Leider war der Stadtwerke-Geschäftsführer XXX erkrankt und daher nicht anwesend. Es stellte sich heraus, dass es offensichtlich keine funktionierende Vertretungsregelung bei den Stadtwerken gibt, denn sein Part in der Veranstaltung fand einfach nicht statt. Zwar begrüßte der Aufsichtsratsvorsitzende YYY die Besucher, aber zu inhaltlichen Punkten, die die Stadtwerke betrafen, gab es von den Referenten praktisch keine Aussagen.“

Und weiter

„ ZurPreisentwicklung der Fernwärmetauchten wieder unsere altbekannten Preisformeln auf. (…) Aber wie schon anfangs gesagt: Da kein Sprecher für die Stadtwerke anwesend war, gab es auch keine konkreten Aussagen für die Hochdahler Fernwärmekunden.“

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Ich halte die Monopol-Stellung bei der Fernwärme auch für ein großes Problem. Zwar ist die Preisentwicklung in der Regel an Indizes gebunden und es gibt auch eine Aufsichtsbehörde, die die Erhöhungen überprüft. Aber der Ausgangspreis ist halt sehr unterschiedlich, was dazu führt, dass Preis für Wärme in Deutschland zwischen 90 und 200€/MwH (Stand 2022) liegt. Dazu kommt dann auch noch eine Grundgebühr, die nach Leistung des Anschlusses berechnet wird.

Als Kunde habe ich aber im Satzungsgebiet keine Wahl, ob ich die überhaupt Fernwärme haben möchte und kann mir dann nicht mal einen Anbieter auswählen. Es gibt also überhaupt keinen Wettbewerb oder Anreize für den Versorger, günstige Wärme anzubieten. Die Stadtwerke Hannover etwa haben im Jahr 2022 218 Mio. € Gewinn erwirtschaftet, das entspricht 436€ pro Einwohner.

Und hier sogar Berichterstattung welch sich direkt auf Erkrath-Hochdahl bezieht!

Endlich tut sich was: die Verbraucherzentrale verklagt eon wegen Preiserhöhungen in der Fernwärme:

Zahlreiche Kunden*Innen aus unserem Gebiet hatten Beschwerde eingelegt schön zu sehen das es ernst genommen wird.

Der Anschlusszwang ist an sich nicht unbedingt das Problem. Ich finde, dass dieser es im Zweifel nur einfacher macht die Fernwärme populistisch zu diskreditieren. Frei nach dem Motto Zwang ist immer schlechter als Freiheit. Das lässt aber z.B. außer Acht, dass manche Projekte nur dann wirtschaftlich sind (und eben günstigere Preise für alle Kundinnen ergeben). Zudem ist bei einem Anschlusszwang auch klar, dass es sich um eine Monopolsituation handelt und eigentlich entsprechend regulierend eingegriffen werden müsste. Das ist aus meiner Sicht das eigentliche Problem.

Bislang ist Fernwärme eine sehr lax regulierte Wirtschaftsaktivität. Das gilt gerade im Vergleich zu Strom und Gas. Das geht soweit, dass Unternehmen in der Vergangenheit schon versucht haben Anpassungen der Verträge per Anzeige in Zeitungen umzusetzen (teilweise in diesem Fall geschehen: Fernwärme: Kunden sind Versorgern ausgeliefert - DER SPIEGEL). Hier müsste eigentlich viel stärker eingegriffen werden.

Das wäre z.B. ein Punkt. Der Netzbetrieb als natürliches Monopol könnte vom Rest der Wertschöpfung getrennt werden. Hier ist es ggf. aber fraglich, ob das nicht mehr Aufwand mit sich bringt als es hilft. Einfach, weil die Netze oft vergleichsweise klein sind. Da hilft dann ggf. ein Netzzugang für unabhängige Anbietende auch nicht weiter. Was aber eine Option sein kann ist die Preise viel stärker zu regulieren. Da wäre es eine Option die Fernwärme als Gemeinwohl zu sehen, aus der kein Gewinn geschöpft werden darf. Die Unternehmen der Fernwärmeversorgung dürften dann keinen Gewinn mehr machen. Wenn über einen Zeittraum von X Jahren ein positives Ergebnis steht, dann müssten die Preise gesenkt werden (so ähnlich lauft es glaube ich in Dänemark zum Teil).

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Fairerweise ist zu sagen, dass Die Stadtwerke mit Wärme insgesamt Umsatzerlöse i.H.v. 99 Mio. € in 2022 hatten. Das ist ein Bruchteil im Vergleich zu Strom 4,6 Mrd. oder Gas 3 Mrd. €. Der Wärmeteil besteht noch aus Fernwärme und Wärme-Contracting. Vermutlich hast du es nicht so gemeint, aber allein aus dem Gewinn insgesamt hier ein Problem der Fernwärme im konkreten Beispiel zu machen ist anhand derer Daten viel zu oberflächlich. https://www.enercity.de/assets/cms/enercity-de/Unternehmen/Wertpapiere-und-Finanzen/Veroeffentlichungspflichten/2022/Jahresabschluss-2022.pdf

danke für die Einordnung.

Hallo,
ich beschäftige mich seit einer Weile beruflich mit der Wärmewende und habe mich über das Lage-Kapitel gefreut, muss aber Aufklärung zum Thema Anschluss- und Benutzungszwang (ABZ) betreiben.

  1. Kommunen dürfen entscheiden per Fernwärmesatzung einen ABZ zu regeln, das ist Ausdruck des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 GG) und kann nicht ohne weiteres vom Bundesgesetzgeber geregelt - also weder eingeführt noch abgeschafft werden.

  2. Wenn Kommunen eine Fernwärmesatzung einführen, handelt es sich um einen grundrechtlichen Eingriff (Art. 12 und Art. 14 GG), die Fernwärmesatzung muss also Verhältnismäßig sein. Das hat diverse Folgen:

  • Es braucht einen legitimen Zweck, meistens die Luftreinhaltung oder des Klima- und Ressourcenschutzes (§ 109 GEG), das bedeutet aber auch, dass die Fernwärme einen gewissen „Standard“ erreichen muss, um zur Zweckerreichung geeignet zu sein. Ein Fernwärmenetz, das zu 100 % mit Wärme aus Kohlekesseln gespeist wird, würde wohl nicht darunter fallen.
  • Wenn jemand sich anderweitig mit erneuerbaren Energien versorgt, ist der ABZ nicht zur Zweckerreichung erforderlich. Das bedeutet, wenn jemand eine Wärmepumpe hat, besteht kein Zwang. Fernwärmesatzung sehen deswegen (zwingend) Ausnahme- oder Befreiungstatbestände vor. Meist darf man sich sogar aus dem Grund eine Wärmepumpe erst neu einbauen. Mit dem Argument der Luftreinhaltung kann man allenfalls den Einbau neuer brennstoffbasierter dezentrale Heizungen verhindern, je nachdem Schadstoffausstoß.
  • Der ABZ muss angemessen sein. Das heißt, er greift in der Regel erst wenn eine Heizung (ohnehin) ausgetauscht wird oder die Heizung ihre wirtschaftliche Lebensdauer erreicht hat.
  1. Es muss sich bei dem Fernwärmeversorger, zu dessen Gunsten (oder Lasten) der ABZ gilt, um eine öffentlche Einrichtung handeln. Dadurch besteht zumindest das theoretische Argument, dass die Kommunalverwaltung bzw. Kommunalpolitik auch in der Verantwortung steht, für verbraucherfreundlichen Umgang und Preise zu sorgen.

  2. Der Ausbau der Fernwärme und der Umbau zur klimaneutralen Fernwärmeversorgung wird ebenfalls (so wie Wärmepumpen) mit Mitteln aus dem KTF subventioniert. Die Fördergelder sind aus bekannten Gründen knapp. Wenn Fernwärme sich besser „rechnet“, je mehr Gebäude angeschlossen sind, kann man schon die Frage stellen, ob es ein effizienter Einsatz dieser Mittel ist, in einem Gebiet, in dem der Anschluss an ein (subventioniertes!) Wärmenetz möglich ist, zusätzlich Fördermittel für Wärmepumpen und Pelletheizungen auszugeben und damit zugleich die Subventionsbedürftigkeit der Wärmenetze mittelbar zu erhöhen. Die Fernwärmesatzung wäre hier der einzige vorhandene objektive Anknüpfungspunkt für eine differenzierte Förderung, insbesondere da ein Wärmeplan weder einen Anspruch noch eine Pflicht zum Wärmenetzanschluss begründet.

Kurz: ich finde der ABZ ist weder der große Hebel aus Sicht der Versorger, noch der große Fluch aus Sicht jener, die lieber eine Wärmepumpe wollen.

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Sind ABZ mit dem überarbeiteten GEG dann nicht hinfällig, da neue Heizungen in Zukunft sowieso schon umweltfreundlich sind?

Ja, im Prinzip schon, insbesondere in Gebieten, wo sich die meisten für Wärmepumpen entscheiden. Kurz- und mittelfristig kann man mit ABZ jedenfalls den Einbau neuer Gasheizungen verbieten. Ob/inwieweit Hybridheizungen und erneuerbare „Verbrenner“ (insb. Biomasse) unter die Ausnahmetatbestände fallen, ist diskutabel und wird sich zeigen.

Ein Vorteil des ABZ ist noch, dass Wärmenutzer im Satzungsgebiet einen Anschlussanspruch haben.

Spannende neue Studie zu extremen Unterschieden in den Preisen der Fernwärme:

Das Hamburger Abendblatt berichtet über Fälle völlig überteuerter Jahresabrechnungen für Fernwärme.

Wenn das keine Kampagne ist, brauchen wir hier offenbar mehr Aufsicht und ggf. eine bessere Regulierung.

Empfehlung aus dem Abendblatt: 4500 Euro Nachzahlung! Klage gegen großen Fernwärme-Anbieter

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