LdN 302 Lösungen für die Verwaltungsdigitalisierung

Hallo zusammen,
auch in der zweiuten Folge wurde viel Informationen gegeben und einige gute Vorschläge gemacht, erneut ein Dank an das Lage der Nation-Team!

Ich bin Geschäftsführer des Verbands der kommunalen IT-Dienstleister VITAKO, in dem sich 54 kommunale Unternehmen zusammengeschlossen haben, um Software zu betreiben, entwickeln und zu integrieren und die Verwaltungsdigitalisierung voranzutreiben. Alle VITAKO-Mitglieder sind zu 100% in öffentlicher Hand, haben also keine Privatanteile, arbeiten eigenwirtschaftlich und stehen mit privaten IT-Dienstleistern im Wettbewerb. Sie werden demokratisch von den Mitgliedskommunen kontrolliert. Unter den Mitlgiedern sind auch Großstädte wie Köln, Hamburg oder Nürnberg sowie Berlin.

Zwei Punkte möchte ich herausgreifen:
Zum einen wurde gesagt, als ob keine Erkenntnisse über die Wirkung der Verwaltungsdigitalisierung vorliegen. Das hat sich seit kurzem geändert, denn das Institut der Wirtschaft, genauer seine Consulting-Tochter IWC, wurde von VITAKO beauftragt, die wirtschaftlichen Effekte der heutigen Verwaltungsdigitalisierung zu messen. Die Ergebnisse (hier ) sind erstaunlich, denn schon jetzt trugen die Vitako-Mitglieder 2021 ca. 4 Mrd. zur Wertschöpfung bei, sparten BürgerInnen, Unternehmen und Verwaltung rund 5,1 Mrd. € ein und sichern ca. 50.000 Arbeitsplätze. Das sind ausschließlich die Effekte der sogenannten Binnendigitalisierung, denn die Effekte, die die direkte Interaktion von Antragstellern mit den Fachverfahren ergeben sollen, sind hier noch gar nicht wirksam.

Zum zweiten konnte man bisher bei der ersten Folge den Eindruck gewinnen, dass die Kommunen vollkommen alleingelassen sind, wenn es um IT geht. Das ist nicht ganz richtig, denn in den vergangenen 50 Jahren haben rund 70% der Kommunen entschieden, ihre Verwaltungs-IT durch einen kommunalen IT-Dienstleister betreiben zu lassen. Daher ist keine Bürgermeisterin oder Amtsleiter gezwungen, sich komplexen Vergabeverfahren zu stellen und dann auf Softwareproduzenten zu treffen, die keine Schnittstellen bereitstellen wollen, um verschiedene Fachverfahren zu verknüpfen. Ein kommunaler IT-Dienstleister kann hier effektiv Ausschreibungsverfahren für seine Eigentümer und Kunden durchführen und die Bedingungen so formulieren, das dieser Fall ausgeschlossen ist. Damit wäre eine eurer Anregungen schon heute umgesetzt.

In Deutschland ist es so, dass die 11.000 Kommunen sich selber organisieren dürfen - das schließt das Recht ein, die IT selber zu betreiben. Immer mehr Kommunen gehen aber dazu über, als Eigentümer und Kunde eines kommunalen IT-Dienstleisters diese Aufgabe an Spezialisten, die ihnen gehören und die sie demokratisch steuern können, auszulagern. Zuletzt wurde in Brandenburg die DiKOM als Zweckverband gegründet, damit eben nicht jedes Amt, jede Bürgermeisterin die inzwischen hochkomplexe Verwaltungs-IT selber organisieren muss. Auch leisten die Vitako-Mitglieder einen Beitrag zu mehr Standardisierung in den Fachverfahren, allerdings haben die Kommunen hier immer das letzte Wort - was die Vielfalt der öffentlichen IT zum Teil erklärt.

Abschließende Bemerkung: diese Form des Zusammenschlusses wird auch genutzt, um weitere Vorteile für die Kommunen zu realisieren. So haben sich 3/4 aller Vitako-Mitglieder zur Einkaufsgenossenschaft ProVitako zusammengeschlossen und schreiben europaweit Hard- und Software-Verträge aus. So sichert ProVitako als öffentliche Vergabestelle auch in schwierigen Zeiten - Stichwort Chipmangel - die Versorgung der öffentlichen Verwaltung und der Schulen mit IT zu wirtschaftlich vorteilhaften Bedingungen.

Ich bin gespannt auf die kommenden Folge und hoffe, ein wenig zur sachlichen Diskussion beigetragen zu haben. Näheres zu VITAKO und den Mitgliedern hier. Dort erscheint auch in den nächsten Tagen unsere Position zur Reform des OZG, mit einigen spannenden Aspekten. Einfach mal reinschauen.
Gruß
Ralf

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Hallo alle zusammen,

vielen Dank an euch für die beiden Sonderfolgen! Auch wenn ich im 1. Teil mitunter ziemlich schlucken musste, da ich selbst in der Verwaltung tätig bin und manche Aussagen sehr polemisch fand (ich höre euch seit vielen Jahren, daher wusste ich das zu nehmen). Danke auch an Ralf für die Infos mit den kommunalen Rechenzentren, die für uns sehr wichtig sind.

Einen Aspekt möchte ich noch hinzufügen, der mir in beiden Folgen gefehlt hat. Amts- und Abteilungsleitungen melden ihre Budgets für das kommende Jahr an, mehrjährige Projekte müssen entsprechend hochgerechnet werden. Schon in internen Besprechungen müssen, wenn es um IT-Projekte geht, alle Abkürzungen aufgelöst und begrifflich verständlich erläutert werden. „eID“ einfach mal so hinzuschreiben, wäre wohl unmöglich. Schlussendlich geht es dann in die Haushaltssitzungen in den Gemeinderat. Bitte nicht falsch verstehen, ich schätze die ehrenamtliche Tätigkeit der Gemeinderäte sehr, aber setzen Sie sich doch einfach mal in eine Sitzung, schauen Sie sich das Durchschnittsalter, die Berufe etc. an. Was ich sagen will, IT Projekte werden auch in diesem Gremium entschieden, wenn es über die kommunalen Pflichtaufgaben hinausgeht. Da muss von der beantragenden Abteilung / dem beantragenden Amt der eingestellte Betrag verteidigt werden. Kann es gut begründet werden? Kann der Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger erklärt werden? Geschieht das nicht, dann ist es gut möglich, dass solche Gelder nicht genehmigt werden. Wenn die Gelder genehmigt werden, dann ist oft die Abteilung diejenige, die auf die IT / IuK-Stelle zukommt und hofft, dass das Projekt noch im Haushaltsjahr umgesetzt werden kann.

Im öffentlichen Dienst haben wir zudem einen Tarifvertrag mit den entsprechenden Eingruppierungen. Schauen Sie mal nach, was man ab EG 12 verdient (das ist mehr als manche Abteilungsleitung mit Personalverantwortung bekommt) und vergleichen Sie das mit den Gehältern von großen IT-Häusern.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass es nicht nur Visionen braucht, sondern einen langen Atem, die Projekte durchzuführen, zu begründen und erfolgreich zu etablieren. Der öffentliche Dienst spielt da auf der Ressourcen-Ebene (Zeit, Geld, Personal) in einer ganz anderen Liga als die großen Unternehmen, die in den beiden Folgen ständig erwähnt wurden.

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Hallo,

ich freue mich sehr über den aktuellen Schwerpunkt zum Thema Digitalisierung, insbesondere in der Verwaltung.

Vor kurzem hatte ich das Glück bei einem Buchprojekt von Prof. Dr. Simon Nestler mitzuwirken, das sicherlich gut hierzu passt („Menschzentrierte Digitalisierung - Praxisleitfaden für eine gelungene Usability und User Experience in der öffentlichen Verwaltung“).

Ich wollte es der Vollständigkeit halber hier gerne erwähnen, an der Publikation selbst hab ich als Interviewpartner mitgewirkt und Nutzen.

Mit besten Grüßen aus Leipzig,

Lorenz Rafelt