Ich höre die Lage wirklich gerne, möchte mich aber zu eurer Auseinandersetzung mit dem Thema Abtreibungsverbot in Deutschland kritisch zu Wort melden. Schon zur Debatte um 219a in der letzten Legislaturperiode habe ich bei euch leichtes „Unverständnis um die Aufregung“ wahrgenommen, und in der letzten Podcastfolge schließt ihr auch wieder mit „warum tobt diese feministische Debatte denn überhaupt noch“ denn „im Ergebnis kann ja jede schwangere Person in Deutschland abtreiben“. Darüberhinaus sprecht ihr von der „Emotionalität“ der ihr nachsteigen möchtet.
Ich finde dass die von euch genannten Argumente auch ohne jegliche Emotionalität sehr gut aufzeigen sollten warum 218 problematisch ist. De facto ist Abtreibung in den meisten Fällen immer noch nur „straffrei“ nicht „legal“. Allein diese Tatsache trägt zu einem wahnsinnigen gesellschaftlichen Stigma bei. Diese sehr gute Recherche von correctiv.org unterstreicht darüber hinaus den schwierigen Zugang zu Abtreibungen in Deutschland einmal mehr.
Abtreibungen in Deutschland – Erfahrungsberichte und Datenbank
Außerdem erwähnt ihr die Kosten (keine Kostenübernahme durch die Krankenkasse) nur am Rande: Correctiv.org nennt hier einen Rahmen von 200-600€ die man sich erst einmal leisten können muss, und die den Schwangerschaftsabbruch in Deutschland schlicht und ergreifend auch zu einer Klassenfrage machen. Kennt man Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, hat man die Möglichkeiten sich vernünftig zu informieren (ja, dies sollte nun hoffentlich besser werden durch die Streichung von 219a) und zu guter letzt - kann man es sich schlicht und ergreifend leisten. (Na klar, man kann dann argumentieren ein Kind auszutragen wird mittelfristig noch viel teurer, aber das kann hier nicht der Punkt sein).
Zum Ersatz von 218:
Für mich klingt die Antwort auf die Frage was Paragraph 218 ersetzen sollte relativ offensichtlich.Wie ihr schon sagt gibt es glaube ich keine große Debatte um den Zeitpunkt der Abtreibung (diese Debatte kann man dann ja führen). Was mit einem neuen Gesetz jedoch sichergestellt werden muss ist a) die explizite Ausbildung von ÄrztInnen (bspw explizite aufnähme ins Medizinstudium) und damit einhergehend auch die Versorgungsdichte in Deutschland zu erhöhen; b) Abtreibungen als Kassenleistung; c) Beratung FREWILLIG zu gestalten… also genau die Argumente die ja schon die ganze Zeit diskutiert werden? ich finde es nicht fair hier zu sagen „es ist immer leichter gegen etwas zu sein als für etwas“, diese Maßnahmen ergeben sich doch sehr glasklar aus der Kritik.
Zu guter letzt finde ich die von euch formulierte Angst, mit der Diskussion um Abtreibung einen konservativen Backlash auszulösen äußerst alarmierend. Für mich klingt das nach „klein bei geben damit wir rechte Kräfte nicht erzürnen“ - eine ähnliche Argumentation würde niemandem beim Kampf gegen Rassismus oder anderen Debatten zur Unterdrückung einzelner gesellschaftlicher Gruppen in den Sinn kommen.