LdN 296 - Strompreise und Wahlfreiheit

Hallo,

vermutlich bin ich eher ein Sonderfall - aber trotzdem möchte ich den Kommentar von euch zu „warum wechselt man den Stromanbieter nicht“ → „Die Verbraucher sind träge“ nicht so stehen lassen.

Ich persönlich wohne zur Miete in einer Wohnung mit einem Nachtspeicherofen. Das ist einer der Nachteile dieser Wohnung, aber die Vorteile überwogen.

Diese Heizungstechnik wird über sogenannten „Nachtstrom“ geladen - dazu hat jede Wohnung in diesem Wohnhaus zwei Zähler. Einen für Tagstrom und einen für Nachtstrom.

Nun gibt es in dieser Stadt aber genau nur einen Anbieter der Nachtstrom liefer und der einem offen steht - das sind die Stadtwerke. Ein Wechsel ist für die Mieter hier nicht möglich.

Es hat also hier nichts mit träge sein zu tun.

Gruß,
Torge

ehrlich gesagt fand ich die „Trägheit der Verbraucher“ als einzigen angeführten Grund auch argumentativ sehr dünn. Leider ist es aktuell die Realität, dass verdammt viele Versorger gar keine Neukunden annehmen. Somit wurden viele Verbraucher nach den „Scheinpleiten“ einiger Anbieter schuldlos in die Grundversorgertraife getrieben.
Ich würde die Empfehlung ganz anders formulieren - wer aktuell einen halbswegs seriösen Versorger hat, der sollte den Teufel tun uns wechseln.

Ich kann dein Statement nur untermauern. De facto gab und gibt es sicherlich eine nennenswerte Anzahl an ,wechselmüden" Kunden in den Karteien der Stromanbieter, dennoch ist die getätigte Aussage heutzutage nicht wirklich belastbar. So wurden meine Frau und ich -wie viele weitere Betroffene- unfreiwillig zu ,Grundversorgungskunden", da unser Stromanbieter (,Scheinpleite") eine Kündigung ausgesprochen hat. De facto ist unser Grundversorger (E.ON), vertraut man den gängigen Vergleichsportalen, derzeit mit Abstand günstiger als jeder Vertrag, den ich heute abschließen kann. Aber auch wir sind entsprechend von einer (ab 01.08.) Erhöhung der Grund- UND Arbeitspreise betroffen. Es scheint als müssen wir Verbraucher diese Pille schlichtweg schlucken, da der ,Werkzeugkasten" an unserem Ende der Möglichkeiten lediglich mit Watte und Gelee bestückt ist, entsprechend schwierig eine Betonwand zu bearbeiten.

Auch ich habe eine faktische „eon Tarif Pflicht“

Mit meiner Frau und drei Kindern plus Oma wohne ich in einem 1985 gebauten Haus. Für die Zeit damals sehr gut gedämmt und hochwertigste Materialien. (Im Sommer werden auch unsere oberen Stockwerke nicht zur Sauna)

Es wurde bei der Erstellung des Hauses eine Fußboden mit Wärmespiralen im Estrich verbaut. Das klappt super im Ergebnis, folgt nur zu deutlich 5stelligen KWH Verbauchszahlen im Jahr. Hier werden alle paar Stunden „nachgeheizt“. Einen passenden Tarif mit minimal günstigeren KWH Preisen bietet eben nur eon.

Ein Nachrüsten von Gasheizung kommt aktuell eh nicht in Frage, aber auch eine Wärmepumpe würde bedeuten neue Leitungen zu legen etc.

Wir nutzen hier Ökostrom und sind praktisch seit Jahren bereits CO2 neutral und werden mit sehr hohen Kosten belohnt. Das ist sehr schade und hat leider eine schlechte Steuerungswirkung auf uns.

Was auch so ein wenig „blind“ ist: Wenn man damals zu günstigen Preisen eingekauft hat, dann heisst es doch nur das der nächste Sprung, der so sich die Situation an den Märkten nicht bald verändert, entsprechend hoch sein wird. Ggfs geht dann vorher sogar dein günstiger Lieferant pleite weil er eben keinen günstigen Strom mehr erzeugen kann, aber welchen zu niedrige Preis verkaufen muss.

Ihr verscheibt also nur den Preisanstieg kurzfristig in die Zukunft.

Und das mit dem Anbieterwechsel ist soweit ich das sehen kann selbst in einer Großstadt wie Köln nicht wirklich günstiger. Da ich nicht euer beworbenes mir etwas ungeheures Vergleichsportal nutzen wollte, habe ich mal bei Verivox geschaut. Selbst wenn ich alle Einschränkungen auf Herstellung des Strom s rausnehme wären meine monatliche Kosten nicht günstiger.

Es gibt sehr wenige Stromanbieter ohne Nutzung von fossilen oder atomaren Energien.

Es sollte sehr genau geschaut und überlegt werden mit welchem Energieversorger man sich jetzt und zukünfitg einlässt. ( Mindestens ein Beitrag hier erscheint mir als verdeckte Werbung.)

Es gibt noch ein ganz anderes Problem beim Wechseln. Viele Kunden KÖNNEN ihren Versorger gar nicht wechseln, weil sie keine Kreditwürdigkeit besitzen. Die meisten Versorger fragen nach einer SCHUFA-Auskunft und wenn diese negativ ausfällt wird ein Wechsel schlichtweg abgelehnt. Die meisten dieser Kunden sind daher in der Grundversorgung gefangen. Was angesichts der steigenden Preise dieses Jahr gar keine so schlechte Option war, denn andere Anbieter haben schnell Preise hoch geschraubt, während Grundversorger noch lange zurückhaltend waren und sind, da sie ihre Energie langfristig und billig eingekauft haben. Wenn sich das jetzt aber ändert im Sinne der Margenmaximierung, sind es wiedermal die Schwächsten, die das ausbaden müssen.

Quelle: Ich berate beruflich in einem Energieschuldenprojekt. Ich sehe es jeden Tag.

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Ich interpretiere das als Panikmache, die Energiekosten sind im Vergleich zum Einkommen immer noch von den meisten stemmbar, und die Regierung möchte für die Ärmsten noch das Energiegeld zahlen.

Wir haben, um noch Emissionsärmer, zu werden in Photovoltaik investiert, sind zur Bürgerenergie EWS Schönau gewechselt, überall wo es geht habe ich Balkonkraftwerke aufgestellt um unter Tags, den Tagesbedarf direkt vor Ort zu erzeugen, E Auto noch dazu, alles cool.

Es gibt auch noch andere Gründe, den Stromanbieter nicht zu wechseln.

Ich werf nur mal „TelDaFax“ in den Raum, falls sich noch wer erinnert. Ich hatte früher auch bei denen Strom (mit 1-Jahres-Vorauszahlung) und war froh, dass ich den Vertrag gekündigt hatte, bevor es zum Zusammenbruch kam. Flexstrom ereilte wenig später das gleiche Schicksal.

Gerade die wirklich günstigen Tarife (Teldafax z.B. war deutlich günstiger als die Stadtwerke) haben halt dann doch hin und wieder mal einen Haken. Ein nicht ganz so schlimmes Schicksal trifft jetzt ja auch die Leute, die in den Grundtarif ihrer Stadtwerke gekommen sind, nachdem ihr Billig-Stromanbieter ihnen gekündigt hat. Mit diesem Stress will sich auch nicht jeder herumschlagen, vor allem, wenn der Grundtarif dann plötzlich so viel teurer ist als der Tarif der Bestandskunden (die höchstrichterliche Klärung, ob das zulässig ist, wird sich noch hinziehen…). Dieses Risiko hatten Bestandskunden der Stadtwerke nicht.

In der Regel hat es halt einen Grund, warum ein Anbieter deutlich günstiger ist als andere - und ein Insolvenzrisiko, dass bei allen Stromanbietern, die keine Mega-Konzerne sind stets gegeben ist, ist definitiv auch ein Grund, weshalb mancher lieber bei den „sicheren“ Stadtwerken bleibt.

Warum ich den Strompreisanbieter nicht wechsel:

Zum 1. Januar hat mir mein Stromversorger (Stadtwerke aus Norddeutschland) den Preis von 26,61 c/kWh auf 28,81 c/kWh erhöht. Das ist zwar nicht viel, trotzdem habe ich geschaut, ob es günstigere Anbieter gibt. Momentan ist für meine Gegend in Bayern der günstigste Anbieter laut einem der großen Vergleichsportale 33,83 c/kWh. Für Neukunden kostet der gleiche Tarif bei meinem Stromversorger sogar 50,83 c/kWh.

Ähnliches ist auch bei meinem Gasversorger, dass er trotz extremer Preiserhöhung weiterhin der günstigste Anbieter ist.

Zu mindestens für meine Versorger scheint es nicht zu gelten, dass die Verbraucher abgezockt werden. Den Anbieter zu wechseln macht daher keinen Sinn und ich muss mit der Preiserhöhung leben.

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Das war hier bei den Stadtwerken ähnlich (im östlichen Ruhrgebiet).

Ich habe die letzten Jahre immer mal wieder einen Vergleich gemacht, aber die Differenzen haben den Aufwand nicht gelohnt. Und jetzt, wo die ganzen Billigstromanbieter keine Neukunden mehr zu „guten Konditionen“ aufnehmen (und sogar Massenkündigungen ausgesprochen haben, um Insolvenzen zu vermeiden) hat sich das Problem noch verschärft.

Viele Stromanbieter haben aktuell absurd teure Konditionen für Neukunden und deutlich günstigere Konditionen für Bestandskunden. Aktuell lohnt sich ein Wechsel vermutlich fast nur für diejenigen, die tatsächlich durch Kündigung des vorherigen Billiganbieters in einem überteuerten Neukunden-Grundtarif gefallen sind.

Die interessante Frage ist wirklich, ob die unterschiedlichen Preise für Neu- und Bestandskunden letztlich juristisch verworfen werden. Ich persönlich hoffe, dass es nicht so kommt. Aktuell ist es halt so, dass diejenigen, die von unrealistisch-günstig kalkulierenden Stromanbietern in guten Zeiten profitiert haben, jetzt den Schaden haben, da sie nach der Kündigung in teuren Grundtarifen landen. Das ist halt das Risiko, wenn man auf die billigsten Anbieter setzt. Gleichzeitig wollen die Anbieter der Grundtarife, also vor allem die Stadtwerke, ihren Bestandskunden halt einen realistisch-teuren Strom anbieten.

Das Problem ist: Die nun von den Billiganbietern gekündigten Kunden, die von den Stadtwerken versorgt werden müssen, sorgen dafür, dass die oft langjährigen Beschaffungskalkulationen der Stadtwerke ruiniert werden. Wer soll also den zusätzlichen Strom, der nun für die „Neukunden“ auf dem Spot-Markt extrem teuer gekauft werden muss, zahlen? Die Bestandskunden, die nix dafür können und ihren Strom aufgrund einer realistischen Langzeit-Kalkulationen beziehen, oder die Neukunden, die von unvernünftig-günstig kalkulierenden Stromanbietern profitieren wollten?

Das ist halt wieder eine Frage der „Sozialisierung von Spekulationsverlusten“, wenn auch im kleinen Maßstab. Wäre alles gut gegangen, hätten die Leute ihre Profite aus ihren Billigstromverträgen sicherlich nicht geteilt - aber nun, wo sich das Risiko in Form einer Kündigung verwirklicht hat, wird natürlich nach Solidarität verlangt. Und das sehe ich nicht ein.

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Auf der anderen Seite wurde in den Medien ( wenn ich mich Recht erinnere auch in der LdN) immer aufgerufen die Preise zu vergleichen und den günstigsten Tarif zu wählen. Nicht umsonst sind Vergleichsportale entstanden. Also würde ich den Menschen keinen Vorwurf machen wenn sie den billigsten genommen haben.

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Hier liegt ein Missverständnis vor, was mit „Grundversorgung“ gemeint ist. Nicht gemeint ist, der lokale Stromanbieter, der dazu verpflichtet ist, die Grundversorgung anzubieten. Was stattdessen gemeint ist, das ist der Grundversorgungs-Tarif dieses Stromanbieters. In der Regel ist dies auch der teuerste Tarif des jeweiligen Versorgers.

Warum ist dies der teuerste Tarif? Weil z. B. die Kündigungsfrist auf zwei Wochen beschränkt ist. Der Kunde kann also jederzeit wechseln, so dass der Versorger mit diesen Kunden auch nicht langfristig planen kann.

Für Kunden, die ohnehin nicht den Stromversorger wechseln wollen, gibt es keinen vernünftigen Grund, in dem Grundversorgungstarif zu bleiben. Jeder andere Tarif des gleichen Versorger ist sehr wahrscheinlich günstiger.

Zustimmung.
Ich habe z.b. auf meinem Gartengrundstück den Grundversorger Tarif gehabt, weil ich da nur 500 KWH - 900 KWH gebraucht habe, billiger ging nicht. Das Problem war da eher die Grundgebühr für Messstelle und Verteilnetzgebühren…
Ich bin dort jetzt zur EWS Schönau = Bürgerenergie gewechselt und gleich noch Genosse geworden, habe dort auch PV installiert, um das E Auto laden zu können. Somit ist mir z.b. der Arbeitspreis von 50 ct/KWH ziemlich schnurz.
Es gibt kein „über einen Kamm scheren“, jede und jeder sollte genau gucken, je nach Bedarf. So tragen wir wieder selbst die Konsequenzen für unser Tun und Handeln, das stärkt das selbstständige Denken :wink:

Mir begegnet das Phänomen ganz anders. Ich bin im April umgezogen, konnte meinen alten Tarif nicht mitnehmen und bin jetzt dementsprechend in der Grundversorgung bei Vattenfall. Grundpreis aktuell 8,20€, 28,82ct Arbeitspreis.
Im April war die Panik anscheinend auch bei den Unternehmen so groß, dass es überhaupt kaum alternative Angebote gab. Mittlerweile sind wieder ein paar mehr Tarife bei den Vergleichern aufgetaucht, dort kann man sich bei der günstigsten Alternative (übrigens ebenfalls Vattenfall) aber zu 12 Monaten 10,40€ + 32ct verpflichten.

Mir ist schon klar, dass die Preise für die Grundversorgung bald steigen könnten und werden, ich verstehe aber zumindest aktuell die ach so böse „Wechselfaulheit“ ganz gut, weil es offenbar keine relevanten Angebote gibt.
Die Darstellung, dass die Leute einfach zu faul seien und viel günstigere Angebote verpassen, stimmt in meiner Wahrnehmung einfach nicht… leider!

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Der Fokus müsste aber doch über den Geldbeutel hinaus erweitert und auf Anbieter ohne fossil/atomare Energieträger geschaut werden. Danach kann jede/r entscheiden, was individuell bezahlbar ist.