LDN 288: Bei der Vermögenssteuer gibt's nichts Neues

Irgendwie geht’s bei diesem Thema nicht weiter. Die Einen sagen, es ist doch ungerecht, dass viele gar kein Vermögen bilden können und die Anderen sagen, bloß keine Substanzbesteuerung, denn diese sei zu teuer in der Erhebung, führe viele Unternehmen in den Ruin, ginge auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit und so weiter und so fort. Wirklich bewegt hat sich in dieser Diskussion in den letzten Jahrzehnten zu wenig. Ich versuche, mal anders auf die Sache einzugehen als der Mainstream:

Wenn man die „Substanz“ nicht abbauen will, kann eine Vermögenssteuer eigentlich nur über eingenommene Gelder bezahlt werden. Sprich, letztendlich ist die Vermögenssteuer nur eine versteckte Erhöhung der Steuern z.B. auf das Einkommen. (Mir ist klar, dass das im Detail komplexer ist oder kompliziert gemacht wurde …)
Also warum nicht gleich die Einkommenssteuer anpassen?
Dies würde Härtefälle beim Unternehmens- oder Immobilien-Übergang vermeiden, keine zusätzlichen Erhebungskosten verursachen und bei erstaunlich vielen „Reichen“ guttiert werden. (Man google mal zum Thema „Millionäre wollen mehr Steuern zahlen“.)

Allein, es wird auch bei einer höheren Einkommenssteuer nicht die Rechnung mit dem „Wal in der Badewanne“ gemacht, die Ihr ja dankenswerter Weise in der LdN 288 gezeigt habt (sehr wichtig).
Wie man in dieser Grafik entnehmen kann, entsteht die Hauptbelastung bei den geringen Einkommen, durch die Mehrwertsteuer und die Sozialabgaben und nicht durch die Einkommenssteuer!
Damit sind auch wichtige Schuldige für die wachsende Armut (hier Mangel an Vermögensbildung) ausgemacht: die immer weiter erhöhte Mehrwertsteuer und die immer weiter gestiegenen Sozialabgaben. Die „Reichen“ sind also nicht nur das Problem!

Will man den unteren Einkommensgruppen die Möglichkeit zur Vermögensbildung schaffen, so muss man an diese Abgaben ran. Eine Erhöhung der Einkommenssteuer – auch als „Ersatz“ für eine Vermögenssteuer – bringt praktisch nichts.
Die Mehrwertsteuer von 220 Mrd. bildet den größten Posten bei den Steuereinnahmen von insgesamt 740 Mrd… Zum Vergleich, die Einnahmen aus der Lohnsteuer betragen 2020 ca. 209 Mrd. und aus der Einkommens- und Körperschaftssteuer zusammen 113 Mrd.

Würde man die Mehrwertsteuer halbieren, was sicherlich für eine Vermögensbildung nennenswert wäre, so müsste man die Einkommens- und Körperschaftssteuer verdoppeln, um hier einen Ausgleich zu schaffen. Das dürfte politisch absolut nicht durchsetzbar sein!

Was also tun? Anders formuliert, wie senken wir Mehrwertsteuer und Sozialabgaben? Das ist die eigentlich zu stellende Frage, um Armut zu bekämpfen.

Ich bin nicht wirklich in dem Thema drin, daher nur eine Anmerkung dazu:
Natürlich ist eine solche Umstellung auf einmal politisch nicht durchsetzbar, aber man kann sie als Ziel ausgeben frei nach dem Motto: wir senken die MwSt um 1% und erhöhen Einkommens und Körperschaftssteuer um 2% und in 1-2 Jahren machen wir den Schritt wieder und 1-2 Jahre danach den nächsten u.s.w.

Ja dauert ist aber politisch deutlich einfacher umsetzbar als eine sofort Umstellung.

Warum nicht in die andere Richtung gehen?

[Rückblick an]Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19%:

„Eine intelligente Maßnahme“, sagt Winfried Fuest, Steuerexperte beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Das Argument, eine Mehrwertsteuererhöhung sei unsozial, weil sie die unteren Einkommen überproportional belaste, nennt er ein „Vorurteil“ und „schlichtweg falsch“. Nach einer laufenden Studie des Instituts sei es „ganz klar, daß die Hauptlast von den mittleren und höheren Einkommen getragen wird“. Denn bei den Niedrigverdienern sei der Anteil der Ausgaben für Miete und Konsum zwar höher, aber für Lebensmittel gilt nur ein ermäßigter Umsatzsteuersatz von sieben Prozent, Miete ist gleich ganz steuerfrei.

Von einer teuren Senkung der Sozialabgaben riet der DIHK-Steuerchef Alfons Kühn ab.

Deren Kosten ließen sich auch anders senken, etwa durch mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem, Sparen bei Arbeitsmarktausgaben oder eine Anhebung des Rentenalters.

[Rückblick aus]

Der ehemalige DM-Chef Götz Werner plädierte sogar für eine Mehrwertsteuer von 50%, da dann der ressourcenschädigende Konsum bestraft wird. Gleichzeitig sollte die Einkommensteuer abgeschafft werden, die Leistung bestraft und ein Grundeinkommen von 1.000 € pro Person eingeführt werden.
Das Charmante an dem Gedanken ist, dass auch der Vermögende konsumiert und der Hintergedanke ist, dass jemand, je reicher er ist, desto mehr konsumiert.
Uncharmant ist, dass bei so einer Mehrwertsteuer der Schwarzmarkt sehr attraktiv wäre. Vermutlich müsste Bargeld abgeschafft werden. Und wie verhindert man Kartoffeln gegen Brötchen oder dass der Unternehmer vorsteuerberechtigte Produkte an der Steuer vorbei selbst konsumiert?