LdN 277 - Warum unterläuft Bayern/die CSU die einrichtungsbezogene Impfpflicht?

Hier wird ziemlich auf den Bayern herumgehackt – das tut mir, als Sachse, natürlich gut. Mir fehlt in dieser ganzen Diskussion bloß noch ein Gesichtspunkt: Meinem Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, der sich auch gegen eine sofortige Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ausspricht, unterstelle ich, im Gegensatz zu Herrn Söder, keinen Populismus und ein rein wahlquotengesteuertes Handeln. Ich glaube ihm, dass er vielmehr die Versorgung im Gesundheitswesen gefährdet sieht. Dieser Aspekt findet derzeit keine Beachtung, weder hier im Forum noch in der Lage. Aber die Regierung eines (Bundes)landes hat doch vermutlich auch eine (gesetzlich geregelte?) Verpflichtung, eine medizinische Versorgung zu gewährleisten. Wenn diese gefährdet ist und die Risiken für die Bevölkerung dadurch größer eingeschätzt werden, als durch Pflegepersonal, das nur zu ca. 65 % geimpft ist, dann KANN Eine solche Pflicht doch gar nicht durchgesetzt werden. Oder sehe ich da etwas falsch?

Ich glaube ja, dass bei vielen Befürwortern einer sektoralen Impfpflicht ein Gedanke eine nicht unwesentliche Rolle spielt: Wissenschaftsgläubiges Personal bleibt in medizinischen Berufen, die anderen suchen sich für sie besser geeignete Beschäftigungen. Für mich gut nachvollziehbar, aber leider aufgrund der damit einhergehenden Engpässe trotzdem nicht umsetzbar.

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Bitte lies nochmal meinen Beitrag, mit dem ich das Thema eröffnet habe, und insbesondere das Fazit.

Die Frage ist eben, ob diese Gefährdungs-Einschätzung zutreffend ist. Das hängt, wie oben geschildert, sicherlich mit der jeweils geltenden Virus-Verbreitung zusammen.
In einer anscheinend vergleichsweise harmlosen, abflachenden Omikron-Welle kommt man da zu einem anderen Ergebnis, als auf dem Höhepunkt eine Delta-Welle.

Das sehe ich ganz genauso. Die Frage ist doch, will man lieber Tausende Menschen, die nicht mehr in Pflegeheimen versorgt werden können (weil diese z.B. keine neuen Bewohner aufnehmen können oder sogar schließen müssen), ihrem Schicksal überlassen? Oder geht man das Risiko ein, dass sie von Ungeimpften gepflegt werden, aber dafür überhaupt pflegerische Versorgung erhalten. Dieser Aspekt wird tatsächlich immer unter den Teppich gekehrt.

Ein anderer sehr wichtiger Aspekt ist dann ja die Frage, wie reagieren die Bürger, wenn ihre Angehörigen keine Versorgung mehr bekommen. Mein Tipp:
ENTWEDER vor allem Frauen werden dann die Angehörigenpflege neben Familie und Job noch mitmachen müssen (vielleicht Arbeitszeit reduzieren oder Job aufgeben müssen).
ODER es gibt eine Pflegeschwarzmarkt, wo dann die entlassenen Ungeimpften ihre Dienste informell anbieten. Dann würde man die Pflege noch mehr in einen unregulierten Bereich verschieben, den keiner kontrolliert und noch dazu müsste alles aus eigener Tasche bezahlt werden. Das heißt für ärmere Menschen käme ohnehin nur Variante eins in Frage.

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Mich stört ein bisschen diese Fixierung auf die Pflegekräfte. Auch Ärzte sind betroffen - und oft nicht geimpft- genauso wie Reinigungspersonal oder Therapeuten.

Mengenmäßig sind die Pflegekräfte die größte Berufsgruppe, aber wenn Ärzte oder die Reinigungskräfte ausfallen, ist auch schnell Schicht im Schacht.

Neben dem Aspekt „lieber von ungeimpften Menschen pflegen lassen als von keinem“ sehe ich 2 wichtige Punkte:

Ich sehe die Gefahr von ungeimpften Pflegekräften nicht wirklich so stark, wie es oft dargestellt wird. Ungeimpfte Pflegekräfte MÜSSEN alle 24 Stunden ein Schnelltest machen und IMMER eine FFP2 Maske tragen.
Geimpfte Pflegekräfte müssen viel seltener einen Test machen und dürfen die Maske meist abziehen, wenn sie 1,50 Meter Abstand halten können.
Wäre ich Pflegebedüftig wäre es mir da egal, wer von den beiden mich pflegt.

Des Weiteren finde ich es schwierig von Pflegekräften etwas zu erwarten, was man anderen Menschen nicht zumutet. Als Pflegekraft lasse ich mich täglich testen und trage immer FFP2 zum Schutz der anderen.
Was aber ist mit Besuchern? Die dürfen ungeimpft ins Krankenhaus, dürfen im 4 Bett Zimmer sitzen und plaudern… und was ist mit den Patienten an sich? Wenn ich im Krankenhaus im 4 Bett Zimmer liege, könne die drei anderen Frauen einfach ungeimpft den ganzen Tag ohne Maske in meiner Nähe rumliegen?

Wie man es dreht und wendet, für mich bleibt nur die Impfpflicht für ALLE ab 18. Alles andere ist für mich nicht rund und erst recht nicht fair.

Hast du in letzter Zeit mal jemanden im Krankenhaus besucht?

Besucher brauchen 2G+, das ist fast eine Impfpflicht. Ein gültiger Genesenennachweis ist sehr selten, da kurzlebig. Zudem gibt es nach einer Infektion Wartezeiten, bevor man sich überhaupt impfen lassen kann/sollte. Die Behauptung vom ungeimpften Besucher ist hier doch etwas irreführend.

Ein Booster reicht in diesem Fall nicht zur Erfüllung des „+“ und der Test ist ebenfalls nur 24h gültig… Im gesamten Gebäude gilt Maskenpflicht, auch im Patientenzimmer während des Besuchs.
Die Besuchszeit ist pro Person stark begrenzt (auch wenn das im Zweifelsfall immer noch zu lang sein dürfte).
(Es mag lokale Abweichungen geben, aber deutlich lockerer ist’s wohl nirgendwo.)

Sofern die Bedingungen es zulassen, haben Krankenhäuser mWn auf Einzelzimmer für alle umgestellt.

Bei diesen Voraussetzungen empfinde ich es umgekehrt als geimpfter Besucher als Hohn, dass das Personal, das dort den ganzen Tag rumläuft und Kontakt zu vielen Patienten hat (und so das Virus durch die Station trägt), nicht geimpft sein muss.

Da bin ich sogar bei dir, aber aus anderen Gründen.

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Ja, ich bin beruflich mehrmals die Woche in Krankenhäusern… in der Uniklinik Köln besteht nur Testpflicht, geimpft sein muss kein Besucher. Ebenso gilt in der Uniklinik Bonn 3G und andere Krankenhäuser in NRW handhaben das auch meist so, 2G (plus) habe ich noch nie erlebt. Kannst du ja gerne mal kurz online prüfen.

Ebenso habe ich noch kein Einzelzimmer gesehen, weniger als 3 Personen erlebe ich ebenfalls selten, kürzlich in der Notaufnahme der Psychiatrie waren sogar 6 Betten im Überwachungszimmer belegt.

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In welcher Klinik gilt denn 2G (plus)? Das würde mich wirklich interessieren, da ich es in NRW, aber auch anderen Bundesländern, bisher nur so erlebt habe, dass die Kliniken mit Omikron (also im Dezember/Januar) darauf umgestellt haben, dass Impfungen für Besucher nicht mehr relevant sind, sondern einzig und alleine ein aktueller negativer Test (Antigen 24 Std, PCR 48 Stunden) zählt.
Eben weil bei Omikron eine Impfung in erster Linie Selbstschutz ist und ein (gut gemachter) negativer Test der beste Schutz für andere ist.

In Niedersachsen ist das teils deutlich schärfer. In den Krankenhäusern Buchholz und Winsen beispielsweise gilt 2G+, im Klinikum Lüneburg ein Besuchsverbot (vorher 2G+). In den Elbe Kliniken Stade und Buxtehude gilt ebenfalls ein Besuchsverbot, auch in Hannover haben viele Häuser ein Besuchsverbot.

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Okay, danke für deinen Post. Ich hatte ja schon erwähnt, dass es hier lokale Unterschiede geben kann, aber dieser Wildwuchs ist ja mal wieder eine Katastrophe.

@Felix_Heinrich hat ja schon die Situation in Niedersachsen dargestellt. Aber selbst innerhalb von NRW weichen die Regeln ab.
Ich habe mir daher mal die anderen Unikliniken in NRW angeschaut:

Gab es nicht irgendwann mal eine Regelung, die die Bedingungen zumindest innerhalb der Bundesländer einheitlich für Krankenhäuser geregelt hat?

Auf mich wirkt Söders Handeln wie eine Imitation US-amerikanischer Republikaner-Strategien.
Obama erklärt sich die vollständige Ablehnung jeder politischen Kooperation der Republiknaer mit seiner Regierung in seinem Buch „A Promised Land“ so:
„You might think that for a political party that had just suffered two cycles of resounding defeat, the GOP strategy of pugnacious, all-out obstruction would carry big risks. And during a time of genuine crisis, it sure wasn’t responsible.
But if […] your primary concern was clawing your way back to power, recent history suggested that such a strategy made sense. For all their talk about wanting politicians to get along, American voters rarely rewarded the opposition for cooperating with the governing party.“
(Obama, A Promised Land, 2020, S. 258)

Mir scheint es die perfekte Umschreibung für alles, was die CDU/CSU gerade tut. Denn auch in Deutschland werden Oppositionsparteien, die mit der Regierung kooperieren, immer mehr abgestraft.

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