Liebes Lage-Team, liebe Mithöhrer*innen,
für das kommende Special zum Thema Windkraft wäre es wichtig, wenn über das Thema „Planungsbeschleunigung“ geredet wird. Das Wort taucht nicht nur im Koalitionsvertrag auf, sondern andauern in jeglicher öffentlichen Debatte, wenn es Um den Ausbau der Erneuerbaren Energien geht. Leider wird das Thema benutzt, um gegen Umweltverbände mobil zu machen und diese gegeneinander auszuspielen.
Grundsätzliche Fakten zu diesem Thema:
- Umwelt- und Naturschutzverbände klagen, auch in Deutschland gegen Infrastrukturprojekte und auch gegen Windkraftanlagen
- Die Bundesregierung wurde wiederholt vom Europäischen Gerichtshof ermahnt, die Verbandsklage in Deutschland zu erweitern, weil wir gegen die Aarhus-Verordnung verstoßen = Übersetzt bedeutet das: Das Klagerecht von Verbänden ist in Deutschland nicht großzügig genug gewesen, weswegen wir den Verbänden mehr und mehr Klagerechte einräumen mussten
- Es gibt auch unter Umweltverbänden verschiedene Ansichten zum Thema Windkraft = Artenschutz vs. Umweltschutz
In eurer Recherche zum Thema Windkraft werdet ihr unweigerlich auf die Stichwörter „Verbandsklage“ & „Planungsbeschleunigung“ gestoßen sein.
Grober Konsens in der Bevölkerung ist: Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist viel zu langsam und muss dringend beschleunigt werden. Es kann ja nicht sein, dass von der Planung bis zum Bau einer Windkraftanlage bis zu 7 Jahre vergehen. An diesem Punkt möchte ich gerne einhacken, denn hier wird es meistens emotional. Es läuft nämlich viel zu oft auf die Argumentation hinaus, dass entweder am Rechtsschutz oder am Verbandsklagerecht geschliffen werden muss, wenn wir in Zukunft schneller Windkraft bauen wollen. In dieser Argumentation wird ein Bild gezeichnet, welches suggeriert, dass es vor Allem die Klagemöglichkeiten sind, die Planungsverfahren unnötig in die Länge ziehen.
Wir alle kennen dieses Bild: Ein kleiner Naturschutzverein aus Bayern beklagt das Tesla-Werk in Berlin. Ein kleiner Artenschutzverein findet irgendeinen seltenen Molch und klagt, dass in dem Gebiet kein Windkraftwerk entstehen darf. Das Problem an diesem Bild: Auch wenn es zutrifft, repräsentiert es eine Minderheit. Beispielsweise sind Klagen von Privatpersonen gegen Windkraftanlagen um ein vielfaches höher! Dadurch wird von den wahren Problemen, der Planung abgelenkt: Nämlich Personal- und Ressourcenmangel in Planungsbehörden.
Klar ist: Der Kampf von Naturschutz gegen Klimaschutz tobt schon lange in der Umweltbewegung. Klar ist auch, dass Umweltverbände gegen Infrastrukturprojekte klagen und vor Allem gegen Windkraftanlagen. Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings auch, dass nur 23% der Klagen gegen Windkraftanlagen von Verbänden kommen, bei Autobahnen sind es sogar nur 8%.
Es gibt dazu eine Studie (Zur Transparenz, ich arbeite für das Institut) die das Umweltbundesamt beim Unabhängigen Institut für Umweltfragen in Auftrag gegeben hat. Hintergrund ist, dass das Verbandsklagerecht wieder einmal in Deutschland erneuert werden musste und wieder einmal in der Politik von großen Klagewellen gesprochen wurde, die auf uns alle einprasseln würden. Wer Interesse an der Studie hat (215 Seiten): https://www.ufu.de/wp-content/uploads/2021/11/texte_149-2021_wissenschaftliche_unterstuetzung_des_rechtsschutzes_in_umweltangelegenheiten_in_der_19._legislaturperiode.pdf
Die Studie deckte unter anderem auf, dass in 51% der Fälle den Klagen von Umweltverbänden stattgegeben wird. Das bedeutet, dass es in diesen Fällen eindeutige Vollzugsdefizite gegeben hat. Das kann kein Argument sein, Klagerechte einzuschränken sondern nur ein Argument dafür, die Planungsqualität zu steigern.
Umweltverbände (besonders die Kleinen) klagen mit Bedacht und haben nicht die finanziellen Ressourcen, deutschlandweite Windenergiebetreiber mit Klagen zu überziehen.
Unser Institut beschäftigt sich schon seit Langem mit der Thematik und kommt immer wieder zu dem Ergebnis, dass die lange Planung vor Allem an den Behörden liegt. Planungsbehörden sind finanziell und personell so schlecht ausgestattet, dass die Planung erheblich verzögert wird.
Wenn wir in Zukunft mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland vorankommen wollen, dann lohnt es sich nicht, den klagenden Verbänden den schwarzen Peter zuzuschieben. Sicher, hier muss gearbeitet werden. Die neue Koalition hat ja beispielsweise den Artenschutz in Verbindung mit der Population in den Koalitionsvertrag aufgenommen, was die Zulassung einer Anlage mit Sicherheit erleichtern wird. Unser Hauptproblem liegt allerdings, wie so oft, an einem Mangel an Fachkräften in den Behörden. Wir brauchen dringend Planungsspezialisten und Fristen für Behörden, wenn wir die Planung in Deutschland beschleunigen wollen.
Bin gespannt, was die Community dazu denkt!