LdN 261/274 - Energiewende/ "Atomkraft ist kokolores"

Hallo Kenny

Namen aus der Covidzeit zu verwenden, war wahrscheinlich unklug, obwohl es auch dort genug Kontroversen gab/gibt. Mir ging es um alle möglichen Fragestellungen, in denen keine Einigkeit herrscht. Es gab und gibt natürlich Fälle, in denen es zum Streit kommt. Die größten davon erzeugen ein komplettes Umdenken („paradigm shift“) und werden auch außerhalb der jeweiligen Disziplinen wahrgenommen, aber es gibt sie auch im ganz Kleinen. Es ist nicht immer klar, welches das bessere Argument ist oder die höchste Vorhersagekraft hat. Widerstreitende Theorien konzentrieren sich bisweilen auf andere Aspekte und es stellt sich die Frage, ob man es wichtiger findet, ob eine Theorie das empirische Datenset A oder B erklärt. Hierzu empfehle ich Thomas Kuhns „The Structure of Scientific Revolutions“.
Man sieht ja in diesem Thema, dass es anscheinend nicht so einfach oder klar ist, welchen Argumenten man folgt oder wie Daten zu interpretieren sind. Von beiden Seiten wurden Experten zitiert, die der jeweiligen Seite Argumente liefern.

Ja, die wissenschaftliche Methode ist an sich selbstkorrigierend (Man könnte vielleicht fragen, wohin sie denn geht.), aber sie wird immer noch von Menschen angewendet, die bekanntlich fehlbar sind, auch oder vielleicht gerade in der Masse. Wie im anderen Beitrag schon erwähnt, bin ich ein absoluter Verfechter der Wissenschaft, also bitte nicht als Argument für Wissenschaftsfeindlichkeit verstehen. Aber wir müssen uns mMn Gedanken machen, wie wir mit den Erkenntnissen umgehen und wie man Erwartungsmanagement betreibt. „Follow the science“ kann, wie Sie ganz richtig sagen, auch bedeuten, dass man nach riesigen Investitionen feststellt, dass es der falsche Weg war. Das muss man aber vorher so klar wie möglich kommunizieren.

Ich habe aber im Großen und Ganzen das Gefühl, dass wir eigentlich für das Gleiche argumentieren. :slight_smile: Korrigieren Sie mich bitte. Ihrem letzten Absatz habe ich nichts hinzuzufügen.

PS: Ich würde das Du bevorzugen, u.a. da das in meiner Disziplin die Regel ist, wir können aber gerne beim Sie bleiben. :slight_smile:

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Das ist ja aber eben auch ein. Trugschluss. In meiner Nachbarschaft, nahe genug an der deutschen Grenze steht Beznau, der älteste wirtschaftlich genutzte Atomreaktor der Welt. Auch hier häufen sich Sicherheitsbedenken. Das KKW wird jetzt aber noch einige Jahre (aktuell unbefristet (!!!)) am Netz bleiben, trotz Gefahr der Überschwemmung, Überhitzung und massiver Materialermüdung.

Wenn es da bumm macht ist halt eben nicht nur der Auftraggeber Staat betroffen. Das hat ja viele deutsche Wähler gestört, als die Franzosen neue AKWs an der Grenze bewilligt haben. Zu recht wie ich finde.

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Uff. Durchdenk dein Beispiel doch bitte noch einmal und schau dir 9/11 auch einmal im ganz großen Panorama an. Kein Ereignis hat im 21. Jahrhundert größere Auswirkungen gehabt als diese Anschläge. In Reaktion darauf sind nicht nur ein paar Menschen zeitweise von Flugzeug aufs Auto umgestiegen. Es wurden Kriege geführt, Billionen Dollars ausgegeben und vieles mehr.

Perception is reality. „Aber das ist doch irrational“ ist kein Gegenargument.

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So wie es im Moment aussieht, wird es sehr wahrscheinlich einen Wiedereinstieg in die Atomkraft geben. Aller Vernunft zum trotz. Großbritanien hat ja dieser Tage schon angefangen.

Auch in Deutschland ist die Zeit reif, es wurde ja dieses Jahr endgültig der juristische Streit zwischen Deutschland und den großen Stromkonzernen RWE, E.on usw. beigelegt und wir alle müssen nur so 2,4 Mrd. an die Konzerne bezahlen wegen dem Ausstieg von 2011. Da ist es nur fair, wenn die Konzerne jetzt am besten einige der Altmeiler, für die sie gerade noch ordentlich Entschädigung bekommen haben morgen wieder fröhlich ans Netz nehmen können.

Sry wegen dem Sarkasmus, aber mehr bleibt einem bei dem Thema manchmal echt nicht übrig.

Mfg
Matder

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Natürlich ist Kernenergie Kokolores. Zum einen ist sie sehr teuer. Zum Anderen schlecht regelbar, lässt sich also schlecht mit den EE, die bekanntlich eher volatil sind, in ein Zusammenspiel bringen. Da selbst erzeugter Solarstrom billiger ist/wird als die Netzkosten, kann in Zeiten wo die Sonne scheint oder der Wind weht nichts mit diesen Energieformen konkurrieren. Selbst Strom, der woanders kostenfrei erzeugt wird, kommt über die Netzkosten teurer. Der Kraftwerksbetreiber bleibt auf seinem Strom sitzen. Eine Stromversorgung, die stark auf Erneuerbare setzt ist auch eher dezentral organisiert (um Netzkosten zu sparen) Da passt die Kernenergie aus meiner Sicht nicht ins Bild.

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Es geht nicht um meine englischen Sprachkenntnisse (dafür gibt es zur Not DeepL o.ä.), sondern um die Klarheit der Aussage. Das, was Sie schreiben deckt sich mit dem, was in der Zusammenfassung steht, m.E. nicht.

Es ist das Wissen, dass ich nach immer wieder aktualisierter Lektüre von Beiträgen von Wissenschaftsjournalisten in renommierten Medien (Süddeutsche, Spiegel, Zeit, FAZ, …) über diese Thema weiß. Es ist wirklich niemandem, der nicht vom Fach ist, zuzumuten (und auch meist nicht sinnvoll), selbst in die Originalstudien oder Fachzeitschriften einzusteigen, um mitdiskutieren zu dürfen. Dabei geht es (hier) ja gar nicht um einen wissenschaftlichen Diskurs. Sondern um das Infragestellen von Aussagen, die dem „conventional wisdom“ (herkömmliche Anschauung) entgegen sprechen.

Sie erwecken den Eindruck, die die Wissenschaftsjournalisten ignorierten den aktuellen Konsens-Stand der Wissenschaft zu diesem Thema. Das mag ja sein. Wenn dem so ist, dann müssen Sie sich schon die Mühe machen, das zu so zu beugen, dass der geneigte Leser nicht in Originalquellen einsteigen muss, deren Zuverlässigkeit er ohnehin nicht validieren kann.

Ein „macht Dich doch mal selbst schlau“ mit Verweis auf nicht nachvollziehbare Quelle führt hier nicht weiter.

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Die Verhältnismäßgkeit ist so:
ein Kernkraftwerk produziert etwa 10.000 Megawattstunden pro Jahr.
Ein modernes Windrad produziert etwa 10 Megawattstunden pro Jahr.

Fairer wäre also ein AKW oder 1000 Windräder zu bestellen um die selbe Menge Strom bereitzustellen.

Aber ich sehe auch ein dass Großbaustellen in Deutschland nicht zu machen sind und investiere daher lieber woanders in Energieproduzenten die dann diese Energie teuer nach Deutschland verkaufen können.

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Und die Bayern aus politischen Gründen als für ein Endlager ungeeignet halten: Bayern: Söder lehnt Endlager-Liste ab - Bayern - SZ.de

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das haben sich die Amis auch gedacht als sie nach 9/11 nicht in den Flieger sondern ins Auto gestiegen sind aus dem sie dann später tot geborgen wurden. Wenn es um Sicherheit geht darf man eben nicht nur mit Aktionismus reagieren.

Na das ist doch schön für dich. Der überwiegende Teil der Bevölkerung ist froh, dass die Atomenergie aus Deutschland verschwunden ist. Wackersdorf, Gorleben und Co. haben gezeigt, was für ein Mobilisierungpotenial dieses Thema hat.
Ich finde es im übrigen bezeichnend, dass neben einigen Wirtschaftslobbyisten und Tech-Gläubigen nur die afd noch eine ausdrückliche Pro-Atom-Haltung vertritt. Frau Weidel hatte, wenn ich mich richtig erinnere, sogar versucht, das Thema in einer großen Runde der Spitzenkandidaten kurz vor der Bundestagswahl anzubringen.

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Diese Argumentation hat den Irakern nichts genützt, als sie vom Militär der USA überrannt wurden.

Und es würde auch dir nichts nützen, wenn aufgrund des leckgeschlagenen benachbarten Kernkraftwerks der Wert deines Grundstücks auf null sinkt, obwohl doch gar niemand gestorben ist.

Und welche Schlüsse ziehen Sie jetzt daraus?

Definiere weite Teile … ich finde die Flächenangaben, die du zitierst, hinreichend furchtbar. Da bedarf es schon eines erheblichen Grades an Zynismus, um das noch als hinzunehmen wegzudefinieren.

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Das ist natürlich eine sprachliche Sache und nicht klar zu definieren.
Wenn von “weiten Teilen” eines Gebietes gesprochen wird stelle ich mir vor, dass es um um die 2/3 der Fläche geht und nicht knapp 3%.

Ich möchte damit nichts als hinnehmbar wedefinieren sondern versuchen die Katastrophe von Tschernobyl in ihrer langfristigen Konsequenz möglichst präzise darzustellen.

Die Unterstellung des Zynismus möchte ich zurückweisen.

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Das stimmt ja einfach nicht.
Der Atomstrom wird demnächst nicht mehr in Deutschland hergestellt, aber französischer Atomstrom mehr und mehr importiert.
Die Agora Energiewende hat dafür eine schöne Grafik - hier mal eine beliebige Woche aus dem Sommer:

Man sieht schön, dass Deutschland tagsüber sich selber versorgt und sogar nach Österreich Energie verkauft - aber nachts wird französischer Atomstrom eingekauft. Denn nachts ists in Frankreich genauso dunkel wie in Deutschland und die Windenergie bringt auch nichts, da es in Deutschland meist ähnliche Windgeschwindigkeiten wie in den umliegenden Ländern gibt.
Auch zu beachten ist der Saldo - Deutschland ist quasi durchgehend am Importieren. Das wird bei Wegfall von Atomstrom noch negativer.

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Deswegen fordern ja praktisch alle politischen Parteien, den Ausbau erneuerbarer Energien (und Speichertechniken) drastisch zu beschleunigen, um die Abhängigkeit von Stromimporten zu reduzieren. Dann löst sich das Problem nämlich von alleine, ganz ohne Atomstrom.

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Nahezu alle deine Argumente sind in dem ersten Post dieses threads wiederlegt. Könntest du bitte eine direkte Stellungsnahme dazu machen, sagen wie du zu einem komplett anderen Ergebniss kommst und deine wiedersprechende Behauptung mit einer oder gleich mehreren Quellen angeben?

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Was du schreibst, ist alles richtig.

Aber auch wenn man Frankreich um ihre Flotte an Kernkraftwerken beneiden mag, stellt sich doch die Frage, wie es in Zukunft weitergeht. Es ist ja nicht so, dass dort weiterhin eifrig neue Kraftwerke gebaut und diese Technogie vorangetrieben wird.

Stattdessen sitzt Frankreich auf einem Bestand von Kraftwerken, die im Wesentlichen zwischen Ende der 70er und 1990 in Betrieb genommen wurden. Es gibt ein einziges Neubauprojekt, das mit zahlreichen Problemen zu kämpfen hat.

Um die Dekarbonisierung durchzuziehen, müsste Frankreich seine bestehende Kraftwerksflotte ungefähr verdreifachen. Und gleichzeitig die alternden bestehenden Kraftwerke in den nächsten Jahrzehnten ersetzen.

Es passiert aber nichts in dieser Richtung. Und bei Kraftwerken, die in 10 Jahren betriebsbereit sein sollen, müsste man jetzt langsam mal die Baustelle einrichten. Nimmt man den EPR zu Maßstab, der ja mal das Aushängeschild der europäischen Kernkraftindustrie werden sollte, dann sind es 15 Jahre zwischen ersten Spatenstich und Inbetriebnahme. Da ist vor dem Jahr 2040 also gar nix zu zählbares zu erwarten. Bis dahin ist der durchschnittliche heute in Betrieb befindliche Reaktor schon bald 60 Jahre alt.

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Deshalb investiere ich lieber in Energieunternehmen als in Immobilien - da mache ich mich unabhängig von Grundstückspreisen. Ich gehe da eher kapitalistischer und weniger patriotisch vor.
Dennoch ist die Frage wie Deutschland langfristig seine Energiekosten managen will - und wer denn (subventionsfrei) in Deutschland investieren will, wenn Energie teuer, Arbeitskräfte rar, Abgaben hoch und Bürokratie sowie Infrastruktur lachhaft ist.

Ja. Gestehungskosten nach Fraunhofer:

Netzentgelte:

Dann die Annahme, dass bei einem großflächigen Ausbau von Solar im privaten wie auch gewerblichen Bereich zu Spitzenzeiten einfach so viel fast kostenloser Strom (der ohne Grenzkosten zu erzeugen zwangsläufig einfach da ist) im Netz ist, das sog. grundlastfähige Kraftwerke einfach keinen Markt für ihren Strom vorfinden werden.

Dazu interessant der Vortrag von RethinkX zu 100% Solar Wind and Batterien is just the beginning:

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