LdN 257: Portait Olaf Scholz & Cum-Ex

Liebes Forum & liebe Lage,

ich fand das Portrait über Olaf Scholz sehr gelungen. Es deckt sich mit dem, was ich bislang wusste und hatte einige pointierte Punkte, wie die Entlassung des engagierten Finanzbeamten im Bundesfinanzministerium, die mir noch nicht bekannt waren.

Eine Sache hinterlässt mich nach wie vor ratlos, vielleicht hat hier jemand ja eine Antwort darauf: Mir ist vollkommen unklar, was die Motivation von Olaf Scholz sein könnte, im Cum-Ex Skandal so gehandelt zu haben, wie er es getan hat. Wollte er irgendwelche Arbeitsplätze oder den Standort Hamburg schützen? Hat er Cum-Ex einfach nicht verstanden? Ist er womöglich korrupt?

Beim G20 Skandal kann ich seine Handlungsweise nachvollziehen, wenngleich auch nicht gut heißen. Es war halt eine unübersichtliche Situation und Scholz stellt sich vor die Polizei. Bei Cum-Ex finde ich, dass das „Richtige“, nämlich Geld von Steuerbetrügern zurückzuholen, so vollkommen offenkundig und klar ist, dass mir nicht einleuchtet, wie man irgendwie anders handeln kann.

Würde Scholz sagen, er hätte Fehler gemacht, Abläufe hätten nicht funktioniert oder was auch immer, dann hätte man zumindest eine Bewertungsgrundlage. Aber er sagt ja im Gegenteil, dass eigentlich alles richtig und nach Recht & Ordnung gelaufen ist.

Hat hier jemand eine Idee, was Scholz Motive in all dem sind? Aktuell tendiere ich insbesondere durch die Informationsstrategie dazu, das schlechtmöglichste anzunehmen.

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Von einem der ehemaligen Chefs der Hamburger Bank wurde das private Tagebuch beschlagnahmt und ausgewertet. Darin sind auch die Gespräche mit Herrn Scholz aufgeführt. Für offene Korruption haben sich (bisher) keine Indizien ergeben.

Dass Scholz die Sorge hatte, im Fall der Insolvenz des Bankhauses dumm dazustehen, erscheint mir am wahrscheinlichsten: Arbeitsplätze, traditionsreiches und in der Stadt gut vernetztes Bankhaus, Einfluß der Politik auf die lokale Wirtschaft, etc. - das alles Stand auf dem Spiel.

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Ich denke „nicht verstanden“ kann man ausschließen, von „echter Korruption“, also Geldzahlungen oder andere Leistungen, habe ich noch nie Gerüchte gehört.

Ich habe keinerlei insiderinformationen, hätte aber eine Vermutung:
Die Warburg Bank ist in Hamburg ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor, in der Upper class sind viele Menschen dort Kunde, die Vorstände sind regional verwurzelt, bekannt und vernetzt in Politik und Wirtschaft und auch die Bank mit ihrem Geschäft ist eng verknüpft mit der hamburgischen Wirtschaft.

Jetzt kommuniziert die Bank relativ offen und direkt „wenn wir diese cumex Gewinne vollständig zurückzahlen müssen sind wir pleite. Weil der persönliche Kontakt so gut ist wird dieser Aussage geglaubt (vielleicht stimmt sie auch), weil die verquickung zur hamburgischen Wirtschaft so eng ist.
Eine Insolvenz der Bank würde zu schweren Verwerfungen der hamburgischen Wirtschaft führen, darum lässt man mal 5e grade sein und macht ein bisschen weniger Druck damit nur teilweise zurückgezahlt werden muss.

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Ich denke du hast Recht und scheint mir am plausibelsten. Und wen wundert es wenn man bedenkt was 2008 für wirklich kriminelle Banken wie selbstverständlich gerettet wurden. Da ist die Hemmschwelle einfach weg auch eine Warburg Bank aus dem selbst gegrabenen Grab zu ziehen.

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Hm,
ich glaube ich würde Deiner Formulierung nicht so ganz zustimmen

Ich bin auch nicht so sicher ob da in allen Fällen richtig war die Menge an staatlichem Geld zu den Zeiten reinzupumpen wo das getan worden ist.
Aber mir ist nicht sehr klar was Du mit „wirklich kriminellen Banken“, insb. im Vergleich zu CumEx, meinst?

Die Verwerfungen die zur Bankenkrise 2007-2009 geführt haben waren in meinen Augen eine Mischung aus schlechtem Risikomangement, überhöhter Gewinnerwartung und fehlender Regulierung.
Sehr ungünstig und verherend, aber erstmal nicht kriminell.

Es geht ja um Hypo Real estate, die Coba, und verschiedene Landesbanken, vor allen Dingen WestLB. Welcher dieser Banken wirfst Du welches kriminelles Verhalten vor?

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Es spricht ja nichts gegen die Bankenrettung, aber wieso kann man das nicht transparent gestallten. Wenn es so wäre könnte Scholz doch auch einfach so etwas sagen wie: „Hey, die sind dann pleite und das wollen wir aus den und den Gründen nicht“. Stattdessen sagt er lieber, dass er sich nicht an die Inhalte der Treffen erinnern kann. Und das ist doch genau das Problem, nicht die Millionen, sondern die Transparenz!

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Was mich etwas stört, ist die Einordnung der Baugenehmigungserleichterungen in Hamburg als positives Scholz-Merkmal. Preise für Miete und Kauf erwecken sicher den Eindruck, dass Wohnraum in Deutschland knapp ist. Diesen Eindruck kann ich nicht teilen. Es gibt sehr viel umbauten Raum in unserem Land, der manchmal gut, oft nur teilweise und leider auch zu oft gar nicht genutzt wird. So kann es einem auch in einer Hochpreisregion wie hier am Bodensee passieren, dass Menschen teuren Wohnraum nur temporär in Anspruch nehmen. Auch beeindrucken Neubausiedlungen oft durch die vollkommene physische Abwesenheit von Menschen. Und das ist schlimm, weil der massive Flächenverbrauch von Neubauten die Klimasituation mit anheizt. Es tut in der Seele weh, wieviel grüne Wiese schon jetzt in Teer- Beton- und Rollrasenwüsten umgewandelt wird. Oft aus der Idee heraus, Geldanlageobjekte zu schaffen. Die Aussicht, dass in Zukunft Baugenehmigungen noch einfacher zu bekommen sind ist für mich eine düstere Zukunftsvision: So werden noch mehr Bestandsbauten verfallen weil jeder, der es sich dank üppiger Kredite leisten kann den Neubau vorziehen wird. Bei den Gemeindeverwaltungen hört in Sache Neubaugebiete der Klimaschutz ganz schnell auf. Wird das von oben noch befeuert, dann liebe Lage Gute Nacht!

Nur um nicht falsch verstanden zu werden:
Ich halte das für gar nicht cool was da im Kontext mit CumEx passiert ist.
Ich hatte nur auf Fritzls Frage „Was könnte die Motivation sein, ist es vielleicht Korruption?“ mit einem für mich plausiblen Szenario geantwortet.
Ich wollte auf keinem Fall sagen: Ich finde das nachvollziehbar und richtig so damit umzugehen :wink:

@skaifyomonul Ich glaube da unterscheidet sich aber einfach die Wahrnehmung zwischen Metropole und Bodenseeumgebung :wink:
In der Metropole wo ich wohne ist großflächiger Leerstand kein großes Thema, die verfügbarkeit günstigen Wohnraums aber durchaus.