TL;DR: Die These „Wenn ich eine Kleinstpartei wähle, dann hat meine Stimme einen sehr geringen Einfluss“ würde ich korrigieren in "Wenn ich eine Kleinstpartei wähle, dann sollte ich mir dem Risiko, dass meine Stimme einen sehr geringen Einfluss hat, bewusst sein oder meine Stimme als langfristige Investition in diese Partei sehen."
Liebes Lage-Team,
=== Lob ===
ich habe mich gerade neu im Forum angemeldet, daum erstmal: Vielen herzlichen Dank für die tolle Beschallung Woche für Woche. Ich finde es darüber hinaus toll, unterstützens- und begrüßenswert, was ihr mit eurem Podcast (mutmaßlich) erreicht.
=== Zum eigentlichen Thema ===
Ich bin so frei, einen zweiten Thread zum Thema Kleinstparteien zu eröffnen. Einerseits habe ich euren Beitrag als Darstellung der Fakten (und somit nicht als „Antiwerbung gegen Kleinstparteien“) wargenommen. Andererseits geht es mir exklusiv um das Veständnis des konkreten Arguments und NICHT um die Frage, ob es nun sinnvoll ist oder nicht, Kleinstparteien zu wählen.
Zur Kernthese
Die These „Wenn die von mir gewählte Kleinstpartei nicht in den Bundestag einzieht, dann hat meine Stimme eine geringere Wirkung erzielt“ halte ich für zulässig. Daraus den kausalen Zusammenhang „Wenn ich eine Kleinstpartei wähle, dann hat meine Stimme eine geringe Wirkung“ abzuleiten, erscheint mir jedoch etwas voreilig.
Beispiel: Bei der vorletzten Europa-Wahl hat ein Freund von mir eine Spaßpartei gewählt. Mit exakt dem von euch geschilderten Argument habe ich ihm dann erklärt, warum dies aus meiner Sicht nicht sinnvoll ist. Fazit war jedoch: „Eurer“ Argumentation sind einfach viele Menschen nicht gefolgt und daher sitzt der Kandidat seitdem im Europa-Parlament.
Eure These würde ich daher etwas vorsichtiger ausdrücken:
„Wenn ich eine Kleinstpartei wähle, besteht das Risiko, dass meine Stimme eine verschwindend geringe Wirkung hat. Und zwar dann, wenn die Partei die 5 % Hürde nicht packt.“
Hier stellt sich für mich erneut die Frage:
Ist das denn wirklich so? Wenn wir hier von einer Partei sprechen, die seit Jahrzehnten lediglich ein paar Stimmen auf sich vereint, würde ich bei dieser Argumentation voll mitgehen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass so eine Partei nochmal „etwas reißt“ ist vermutlich verschwindend gering.
Wenn ich dagegen auf junge Kleinstparteien schaue, so halte ich es bei einigen für möglich, dass deren Wählerschaft mit der Zeit wächst. Irgendwann vielleicht ja auch über 5 %.
Zusammengefasst:
Der These, dass meine Stimme durch die Wahl einer Kleinstpartei eine geringe Wirkung hat, würde ich in dieser Form nicht unterschreiben.
Viel eher würde ich unterschreiben, dass eine solche Stimme mit dem Risiko eines geringen Einflusses verbunden ist und für den Fall, dass man unter der 5 % Hürde verbleibt, die Stimme höchstens noch als „Investition in die Zukunft“ gesehen werden kann. (Und wenn das langfristig z.B. bei 1-2 „vernünftigen“ Kleinstparteien so klappt, haben wir auch 5 - 10 % „gegen“ Parteien wie die AfD.) In diesem Fall stimmt eure These dann aus meiner sicht auf kurze - nicht aber auf Lange sicht.
Abschluss:
In meiner Argumentation bin ich nicht auf das Argument eingegangen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Kleinstpartei die 5 % Hürde bei dieser Wahl überschreitet extrem gering ist. Einerseits, weil ich den Thread nicht sprengen wollte (Der ist ohnehin viel länger geworden als gewollt. Die vieldiskutierte Thematik um die Selbsterfüllende Prophezeiung lasse ich hier einfach mal aus). Andererseits, weil ich durch 10 Minuten Googlen keine brauchbaren Ergebnisse zu den aktuellen Zahlen finden konnte (was ggf. an mir liegt…). Hier ist mir schlicht nicht klar, ob eine wirklich seriöse Vorhersage überhaupt möglich ist oder nicht.
Grüße
Toni