LDN 252 – Grünen-Antrag zur Aufnahme afghanischer Ortskräfte

In der aktuellen Diskussion über die Evakuierung der Ortskräfte und ihrer Familien wird der Grünen-Antrag, der am 23. Juni im BT abgestimmt wurde, in der Regel so gehandelt, als wäre das eine Art verpasste letzte/späte Chance gewesen – so höre ich das auch in der aktuellen Ausgabe der Lage.

Vorweg, obwohl selbstverständlich: Was wir in Afghanistan gerade sehen, zerreißt einem das Herz, und ich bin wie wahrscheinlich fast alle hier sprachlos über dieses politische und humanitäre Versagen Deutschlands und vieler anderer.

Gerade deshalb finde ich es aber wichtig, genau zu bleiben, und wenn man sich den Antrag in der Sache, in seiner Geschichte und in der Debatte anschaut, hat er weder das Ziel noch das Potenzial noch die Aussicht, die Katastrophe abzuwenden oder zu mildern – die zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon zu erwarten war, aber von so gut wie niemandem erwartet wurde.

Letzteres gilt ganz offenkundig auch für die antragstellende Fraktion, die Grünen. Schaut man sich die Aufzeichnung an, waren (wie bei allen anderen) nicht gerade viele Abgeordnete vor Ort, und die Rede von Luise Amtsberg ist zwar in der Sache klar, aber weder übermäßig engagiert noch auf die konkret drohende Lage bezogen. Das mache ich ihr auch überhaupt nicht zum Vorwurf, es zeigt nur, dass auch die Grünen nicht hellsichtiger waren als andere.

Hier könnt Ihr selbst schauen: Deutscher Bundestag - Antrag zur Aufnahme afghanischer Ortskräfte abgelehnt

Dann das Ziel des Antrags: Absolut berechtigt und in der Sache auch von anderen Fraktionen und Politiker:innen getragen, nicht zuletzt der SPD. Aber mit der Einführung eines neuen Verfahrens, was ja einen gewissen exekutiven Rattenschwanz hat, der sich nicht zuletzt durch das BMI schlängelt, wäre für die akute Situation mit größter Wahrscheinlichkeit nichts zu gewinnen gewesen. Womit auch schon alles über die realen Erfolgsaussichten gesagt ist: Allein ein Seehofer wäre nicht so schnell in Gang gekommen bei einem positiven Beschluss, dass es am Ende, in der Situation, die eingetreten ist, etwas ausgemacht hätte.

Das schiefe Framing, das es in der Berichterstattung fast ohne Ausnahme hat, erkläre ich mir mit Recherchemängeln – es passt halt oberflächlich betrachtet zu gut ins Bild, dass diese Regierung wirklich alles nur Denkbare versemmelt habe. Nota bene: Da sind übelste Fehler gemacht worden, das ist keine Frage. Wenn aber dieser Antrag für die aktuelle Notlage tatsächlich bedeutsam hätte sein können, fände ich eine ausführlichere Gegenrecherche zu diesem Punkt schon wichtig. Z. B. Helge Lindh würde sicher gern erläutern, warum die SPD-Fraktion so abgestimmt hat.

An sich gehört dieses Kapitel wie viele andere in den Untersuchungsausschuss, den es hoffentlich geben wird.

Abgesehen vom Thema hat mich bei dem Bericht sehr erschüttert, dass Anträge der Opposition im Bundestag von den Regierenden Parteien aus Prinzip abgelehnt werden. Es kann doch nicht sein, dass ein Antrag, der inhaltlich sinnvoll ist, und sogar für die Mehrheit der Parteien oder Abgeordneten befürwortet wird nur abgelehnt wird, weil der Antragsteller das falsche Parteibuch hat.

Ich dachte unsere Politiker sind zuerst dem Volk verpflichtet nicht der Partei. Diese Haltung fördert massiv die Politikverdrossenheit und trägt zum Stillstand in unserer Republik bei.

Ich bin inzwischen über 40 und hab noch an jeder Wahl teilgenommen bei der ich wählen durfte, bei dieser Bundestagswahl fällt mir es jedoch so schwer wie noch nie mich für eine Partei zu entscheiden. Es wird ja auch kaum über Inhalte diskutiert, sondern mehr ob der Kandidat irgendwo was abgeschrieben oder irgendwo gelacht hat. Das ist eine Verhöhnung der Wähler!

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Das ist nun aber eher eine Kritik an der Berichterstattung als an den zur Wahl stehenden Parteien. Dass einen Gutteil der Medien keinen Unterschied zwischen Sport- und Politikberichterstattung macht, ist halt so. Muss man ja nicht konsumieren.

Trotzdem hat der Vorposter Recht wenn er die maue Kandidatenauswahl benennt. Laschet, Scholz und Baerbock… schlechtere Kandidaten hat es wohl zuletzt in den 60ern gegeben.

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Dies allein ist ja schon eine durch die Medien erzeugte Fehlwahrnehmung.

Wir wählen demnächst ein Parlament, keinen König oder Königin. Erst das Parlaments wählt dann den Kanzler/die Kanzlerin. Nicht unmöglich, dass eine zutiefst gedemütigte Union, die dennoch aufgrund der Koalitionsarithmetik das Kanzleramt besetzen kann, sich dann gar nicht für Herrn Laschet entscheidet.

Herr Laschet steht bei dieser Wahl nirgendwo auf dem Stimmzettel. Frau Bärbock und Herr Scholz nur in einem Wahlkreis.

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Das finde ich auch katastrophal. Es darf wirklich nicht sein, dass Vorschläge gar nicht erst diskutiert werden.
Gibt es in Deutschland eigentlich bei Abstimmungen einen Fraktionszwang?

Ich muss leider sagen, manche guten Ideen könnten auch von der AfD kommen. Oder jemand anders stellt etwas zur Debatte und die AfD heißt dies gut. Dann wird direkt gesagt: Nein, mit der AfD darf man nicht zusammen arbeiten.
Nur mal rein hypothetisch angenommen die AfD wäre für Klimaschutz oder ähnliches. Darf dann darüber nicht mehr diskutiert werden, weil es ja von der AfD kommt?

Um kurz klar zu stellen: Ich finde 80% der Aussagen der AfD unmöglich und würde die auch nicht wählen. Nur finde ich das grundsätzliche gebashe halt nicht gut. Warum greifen sich die anderen Parteien nicht gewisse Punkte dort raus, basteln die vernünftig um und nehmen denen damit den Wind aus den Segeln?

Mensch, danke für den Hinweis. Wer weiß wie lange ich sonst am 25.September nach den dreien auf meinem Wahlzettel gesucht hätte…

Einer von den dreien wird Kanzler/in. Ihr Szenario ist komplett unrealistisch.

Wenn den die Regierung tragenden Fraktionen ein aus der Opposition kommender Vorschlag zustimmungsfähig erscheint, dann bringen sie einfach einen eigenen, weitgehend identischen Entwurf ins Parlament ein und fertig. Die Opposition lehnt diesen dann in der Regel ab.

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Es gibt verscheidene Möglichkeiten startegisch mit Rechtspopulistischen/Rechtsextremen Parteien umzugehen.
Eine Strategie ist die klare Abgrenzung und die klare Haltung „wir normalisieren und legitimieren diese Partei nicht dadurch, dass wir mit Ihr zusammenarbeiten, auch nicht in ‚inhaltlich unproblematischen Themengebieten‘“.
Ich halte das für eine angemessene und richtige Strategie, Du kannst das natürlich anders sehen.

Mir wäre auch gar nicht so klar wo die AfD großartige Ideen gehabt hätte wo die Regierungsparteien gesagt hätten „Huch, das wollten wir ja schon immer, warum sind wir denn da nicht drauf gekommen“. Hast Du da konkrete Anlässe im Kopf?

Das ist eine Selbstbeschädigung der Demokratie, an die sich scheinbar die grosse Mehrheit gewöhnt hat. Mich stört das gewaltig, seit ich mich so mit 15 für Politik zu interessieren begann. Ich freue mich immer, wenn klitzekleine Ausnahmen davon mal wieder kurz durchscheinen (um dann oft noch im selben Interview z.B. halb zurückgenommen zu werden). Ich sage das nicht aus Harmoniebedürfnis sondern rein rational im Hinblick auf bestmöglichen sozialen Fortschritt.

Andersherum glaube ich nicht (wie die Parteistrategen scheinbar schon), dass eine offene Haltung, also Anerkennung guter Ideen von der anderen Seite, den betreffenden Parteien schaden würde. Im Gegenteil, politisch denkende Menschen wären mE erfreut, und das sind doch die viel wertvolleren Wählerstimmen, weil Multiplikatoren.

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