LdN 240: Klimaschutz muss nicht wehtun

Ich wollte eine Perspektive zur Frage, was man jetzt schon für den Klimaschutz tut und ob das weh tut bringen:

Die Dinge, die Ulf beschrieben hat „mal auf ein E-Auto umsteigen“, Ökostrom, CO2-Neutralisierung - das alles kostet (mindestens initial) Geld - und zwar nicht wenig. Seit ich meine Wohnung mit 100% Ökogas heize bezahle ich das doppelte bis dreifache, beim Ökostrom ist es nicht ganz so viel aber auch mehr. Ein E-Auto kostet, wenn man es nicht nur als Stadtwagen einsetzt jenseits der 30.000 Euro, und die dreistellige Summe pro Person für die CO2-Neutralisierung eines Flugs hat auch nicht jede*r übrig.

Wenn ich mir überlege wie jemand, der auf sein Auto im Alltag angewiesen ist, der vielleicht Kinder hat (die Fernreise mit der Bahn mit Kindern erfordert auch einiges an Geduld) und dessen Wohnung nicht top-isoliert ist das finanziell stemmen soll habe ich Fragezeichen im Kopf. Für diese Menschen tut das was man jetzt tun kann - und in Zukunft tun muss dann schon weh.

Daran, dass ich das 100% Ökogas nehme sieht man ja, dass es mir nicht darum geht zu sagen, Klimaschutz können wir nicht machen weil es sich nicht jede*r leisten kann - nur falls das jemand denkt.

Es geht mir darum den, Gedanken in die Debatte aufzunehmen, wie man Klimaschutz hinbekommt, so dass er keine Frage des Geldbeutels ist. Da die Menschen, die an der Gesellschaftsgestaltung partizipieren (Politikerinnen, Journalistinnen, …) meist eher zur Mittel- oder Oberschicht gehören finde ich, muss es die Aufgabe sein für die Einkommensschwächeren mitzudenken.

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Wir wollten auch nicht sagen, dass es nicht zu Belastungen kommt, sondern dass diese Belastungen nicht dazu führen, dass die Umgestaltung auf weitgehende CO2 Neutralität nicht möglich ist.

Abgesehen davon haben wir im Podcast ja noch mal ausdrücklich auf die soziale Frage hingewiesen, also diskutiert, wie man die Mehrbelastungen ausgleichen kann.

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Ich hätte den Podcast wohl erstmal weiter hören - oder zumindest auf die Kapitelliste schauen - sollen bevor ich kommentiert habe. Mea culpa

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Nein, du hast ja völlig Recht, das muss man schon zusammen betrachten.

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Mit Kindern im Auto ist das ja auch nicht unbedingt ein Vergnügen. In Zug kann man herumlaufen und essen gehen und mit den Kindern spielen oder ihnen vorlesen etc. Ich bin mit meinem Sohn (inzwischen 11) schon mehrfach von Berlin nach Tirol und nach Südfrankreich mit dem Zug gefahren (im Sommer und im Winter), teilweise mit dem Nachtzug. Ich kann das nur empfehlen!

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Man muss ja auch nicht fliegen. Das kann man getrost ohne Verlust an Lebensqualität weglassen. Ausserdem ist die Kompensation eine Augenauswischerei, weil das 4-fache der Klimawirkung des CO2 nämlich durch den Aussstoss von Verbrennungsrückständen und Wasserdampf in den hohen Luftschichten geschieht. Nochmal: das VIERFACHE!

Und gleich noch dazu: wer hofft, Flugzeuge irgendwann mit „alternativen“ Treibstoffen oder Strom zu betreiben, dem halte ich entgegen, dass es eine ungeheure Verschwendung von Strom und sonstigen Zutaten wäre. Ich werde mal ausrechnen, wieviele Windräder dann ausschliesslich für den Flugverkehr installiert werden müssten. Weil die Windräder nämlich in der Herstellung enorme Mengen an Energie und Rohstoffe (seltene Erden) benötigen.

Daraus folgt: Nur soviel Strom verbrauchen wie für ein gutes Leben wirklich nötig ist. Dazu zählt auch nicht mit einem E-Auto spasseshalber herumzugurken, und schon gleich gar nicht mit einem schweren E-Auto.

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Was heißt in diesem Zusammenhang weh tun?
Wenn wir uns und unsere Lebensweise nicht freiwillig ändern werden wir durch die äußeren Umstände die durch dieses „aussitzen“ entstehen dazu gezwungen. Am einfachsten wäre es diesen (unnützen) Überfluss den wir haben und leben zu reduzieren.

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Was macht denn für Sie Überfluss aus? Verzicht predigen ist einfach, wenn man unkonkret bleibt.

Ich lebe im Zweifel lieber in einer Überfluss- als in einer Mangelgesellschaft. In ersterer kann ich mir zumindest noch aussuchen, auf was ich verzichten möchte.

Wollen Sie zukünftig nur an der Ostsee Urlaub machen? Um viele Ziele zu erreichen, muss man halt ins Flugzeug steigen, wenn man nicht wochenlang Zeit hat.

Sag das mal Menschen mit naher Verwandschaft im weiter entfernten Ausland…

Klar - die meisten müssen sicherlich nicht fliegen - Urlaub kann man auch in Deutschland und den Nachbarländern machen, manche müssen es aber eben schon und das sind nicht notwendigerweise die, die sich eine (echte) CO2-Neutralisierung leisten können.

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Klar - wenn man unnützen Überfluss hat kann man den reduzieren. Eine warmes Wohnung und ein Auto sind für viele aber eben kein unnützer Überfluss.

Und nur um’s nochmal klar zu sagen - ich sage nicht, dass wir unsere Lebensweise nicht ändern müssen. Im Gegenteil.

Aber es ist wichtig, dabei alle mitzunehmen. Wenn das vom Geldbeutel abhängig ist, wird man das aber nicht schaffen.

[…]
Ich bin bewusst vage geblieben damit jeder das für sich selbst erkunden kann. Dinge die „nice to have“ aber nicht wirklich Notwendig sind.
Ein paar Beispiele:

  • Erdbeeren im Januar aus Chile.
  • Frühkartoffel im März aus Bolivien.
  • Pfannkuchenteig aus der Plastikflasche nur noch Milch rein, schütteln, fertig zum Backen.
  • muss es das Getränk (Bier, Wasser usw.) vom anderen Ende der BRD/Welt sein oder reicht eine regionale Alternative.
    usw. usw.

Ich bin mir sicher dass wenn wir (der privilegierte Teil der Menschheit) uns nicht freiwillig auf ein vernünftiges Maß beschränken werden wir durch die Umstände dazu gezwungen. Denn vieles was für uns selbstverständlich ist ist eigentlich ökonomisch und ökologisch eine Katastrophe.

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Da bin ich bei ihnen. Wer einen Überlebenskampf führt hat keine Ressourcen frei für anderes. Menschen im Niedriglohnsektor geht es um das Heute, da ist das Morgen zweitrangig. Ohne soziale Gerechtigkeit wird das Projekt Klimarettung scheitern.

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Danke für die sehr differenzierte Analyse der Klimadiskussion.
Jedoch sehe ich gerade zwei Knackpunkte:

  1. Viele Menschen haben sich kürzlich oder gerade einen Angeber SUV für die Stadt gekauft um „zu einer gewissen Kaste hinzu zu gehören“. Und die werden alsbald lernen, dass der/die neue VerkehrsministerIn einen CO2 Deckel für Verkehr hat und die CO2 Emissionen erheblich senken muss - über hohe CO2 Zertifikatspreise und/oder vielleicht Bezugsscheine. Jedenfalls macht die junge Investition in die Prestige-Karosse dann schnell (doppelt gemeint) nur noch wenig Spaß. Das wird noch so manche Biertischdiskussion erhitzen.
  2. Das Durchschnittsalter des Deutschen Immobilieneigentümers liegt hoch - ich erinnere mich an eine Zahl um die 65 Jahre - läßt sich vermutlich gut recherchieren. Wer dieser Altersklasse sagt: Wenn Ihr jetzt ordentlich in Dämmung und moderne Heizung investiert so rentiert sich das in 30 Jahren, erreicht nichts.

Ulfs Einschätzung der CDU/CSU Erfolge teile ich und denke das Rezept ist etwa so: „Spenden der Ultra-Reichen annehmen, neben dem Mandat Nebengeschäftle machen und den konservativen WählerInnen das Hirn vernebeln mit Narrativen des letzten Jahrhunderts“.

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Ja, viele Ziele kann man nur mit dem Flugzeug erreichen. Aber warum ausgerechnet die mit einer solchen Hypothek belasteten Ziele aussuchen? Eine Notwendigkeit ist das bestimmt nicht. Genausowenig wie Wochenendausflüge nach London oder Barcelona eine Notwendigkeit sind (vielmehr überproportionaler Reisestress für die wenigen dann tatsächlich zur „Erholung“ zur Verfügung stehenden Stunden).

Entscheidend ist aber, dass der Handlungszwang einfach da ist und es einfach logisch falsch ist, mehr oder weniger sinnvolle Moden und Gewohnheiten als die vorrangigen Parameter hinzustellen, als ob quasi die Naturgewalten deswegen ein Einsehen haben müssten.

Man hat halt im Interesse der guten Geschäfte von Fluglinien und Touristikveranstalter und im Interesse des wohlhabenden Zehntels der Menschheit die wahren Kosten verdrängt, verschleiert, geleugnet. Wer darf sich da beschweren, wenn die wahren Kosten doch einmal verlangt werden? Darin ist ja kein Zwang oder eine Freiheitsbeschränkung enthalten. Es hat ja auch niemand ein Anrecht auf eine Jacht z.B. Man kann natürlich sagen, es wäre ungerecht wenn nur noch die wirklich Reichen sich einen Flug leisten können. Das ist halt dann wie bei den Jachten und anderem wirklich teurem Luxus. Abgesehen davon ist es eine Frage der gesellschaftlichen Aushandlung, ob die Reichen auch in Zukunft so viel reicher sein sollen als der Durchschnitt…

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Ich glaube den meisten Menschen, und da muss ich nach dem Hören der Folge wohl auf Ulf und Philip dazu zählen, ist immer noch nicht klar, wie weitreichend die Veränderungen unserer Lebensweise sein müssen, damit wir in 30 Jahren bei fast 0 CO2 sind. Da reicht es nicht, dass man kein Fleisch mehr isst, da reicht es nicht, dass man beim Fliegen eine Ausgleichszahlung macht, da reicht es nicht, ein E-Auto zu fahren, da reicht es nicht nur in Deutschland Urlaub zu machen, da reicht es nicht ein bisschen mehr Bio-Lebensmittel zu kaufen, usw. da gehört noch so viel mehr dazu.

Ulfs Beispiel von der Reise nach Oxford zeigt gut, das er aus meiner Sicht bei seiner Betrachtung einige Emissionen vergisst. Es wird so getan als wäre diese Reise doch eigentlich kein Problem, wenn man mit der Bahn fährt, weil die pro Km ja weniger CO2 braucht. Aber ist da wirklich so? Ihr unterschlagt die Belastung des CO2 Kontos mit der Übernachtung in Köln. Da steht ein Gebäude, das beheizt, bestromt und bewässert wird, nur damit Reisende für eine Nacht dort unterkommen. Hotels erzeugen natürlich auch Müll, die Wäsche wird gewaschen usw. Hotels verbrauchen auch Platz in der Stadt, die als Wohnraum gebraucht würden. Das gleiche noch einmal in Oxford und auf der Rückreise bestimmt auch noch einmal.
Im Prinzip steigt Eurer Fußabdruck an jedem Reisetag massiv an, weil ganz viele Dinge doppelt vorhanden sein müssen. Und das ist ganz unabhängig davon ob ihr fliegt, die Bahn nehmt oder einen Eselskarren. Vielleicht hat Eure Reise mit der Bahn sogar mehr CO2 erzeugt als wenn ihr geflogen wärt.

Wenn man wirklich was tun will, dann muss man das Reisen lassen! Und zwar (fast) immer, nicht nur einmal. Und das Geld was man spart darf man nicht in andere CO2 Emissionen stecken, sondern Senken schaffen.

So könnte Ulf auf seine lang geplante Reise, die ihn vielleicht einen vierstelligen Betrag kosten wird, verzichten und stattdessen das Geld z.B. in eine Photovoltaikanlage investieren.

Tut doch eigentlich nicht weh, oder?

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Schwierig als Mieter …

Das ist ein gewisses Dilemma. Aber schau einige Jahrzehnte zurück. Da bedeutete Auswanderung oder Familie gründen in einem fernen Land viele viele Jahre ohne persönlichen Kontakt zur Herkunftsfamilie. Das wussten die Leute und entschieden sich trotzdem, aber deshalb Wenige. Heute ist das Einkommen so hoch (für die Mittelklasseverdiener) und die Flugpreise so niedrig, dass man zu jedem Geburtstag heimfliegen kann.

Im Licht der planetaren Probleme ist das eine irre Anspruchshaltung, die man auch schon vor 30 Jahren hätte als solche erkennen und sich danach halt entscheiden können, so oder so.

Im Übrigen ist es das Luxusproblem der besser gestellten 10% der Weltbevölkerung, das in den Augen der restlichen 90% ein Hohn sein muss.

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Ja, komisch. In meiner Kindheit (ich bin 46) war Frankreich das weiteste, geflogen bin ich das erste Mal mit 14. Gibt es ein Recht auf jährliche Flugreisen? Wohl kaum…

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Das nutzt den Menschen die das betrifft, was ich beschrieben habe aber leider auch nichts: Es bringt einen ja nicht weiter zu wissen, dass die letzte Generation 2 Wochen mit dem Opel in die Türkei fahren musste um 1x im Jahr die Eltern zu sehen. Den Urlaub bspw. den man dazu bräuchte, den kriegt man heute mitunter auch nicht mehr.

Viele von denen die das betrifft haben ihre selbst gegründete Familie und ihren Job hier und die Eltern und Verwandten im Ausland. Zurückziehen, wenn es zu hart wird ist also auch keine Option.

Die Leute, die ich persönlich kenne fliegen natürlich nicht mal eben zu jedem Geburtstag heim. Aber 1-2x im Jahr die eigenen Eltern und Geschwister zu sehen und bei Hochzeiten, Begräbnissen und runden Geburtstagen von nahen Verwandten dabei zu sein ist glaube ich kein übertriebener Luxus.

Letztendlich ist das - wenn man mal gesamtgesellschaftlich und nicht nur individuell schaut - auch der Preis den wir zahlen, wenn wir internationales Spitzenpersonal haben wollen, das bei uns arbeitet - oder am moralisch verwerflicheren Ende des Spektrums Menschen beschäftigen, weil wir denen nur niedrige Löhne zahlen müssen.