Hallo,
ich finde die Argumentation, dass die Maßnahmen so drastisch ausfallen, weil so viel nicht mehr nachvollzogen werden kann, auch sehr fadenscheinig. Und ich bin ehrlich gesagt auch ziemlich enttäuscht darüber, dass das in der letzten Lage nicht weiter ausgeführt wurde, wie ich es sonst von euch gewohnt bin, sondern dieses Argument einfach hingenommen wurde.
Ich denke wie mein Vorredner, dass genug Zeit war, die Übertragungswege zu identifizieren und die Hyginekonzepte auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Nicht nur die Gastronomie, auch die Kulturlandschaft trifft dieser Lockdown hart. Es wurden aufwändig neue Konzepte erstellt, die einen Theaterbesuch so sicher wie möglich machen sollten, es wurden Geräte angeschafft, die die Körpertemperatur jeder Besucherin messen und ohne Angabe der persönlichen Daten ist ein Besuch nicht möglich. Für Säle mit eigentlich 2500 Plätzen wurden gerade mal 500 Karten verkauft, Lüftungsanlagen wurden ausgetauscht und Alternativprogramme aus dem Boden gestampft um auch für die Beschäftigten den größtmöglichen Schutz zu gewähren. Das führte dazu, dass die Theater- und Opernhäuser keinen nennenswerten Beitrag zur Pandemie leisteten, ich bezweifle sogar, dass überhaupt irgendein Fall der Übertragung nach einem Veranstaltungsbesuch bekannt ist. (Leider konnte ich keine Studie zum Infektionsumfeld von Covid-19-Ausbrüchen finden, die Besuche von Kulturveranstaltungen gesondert aufführt). Dass Infektionen im Theater oder Kino nicht nachzuvollziehen seien, halte ich für einen Witz, denn beim Kauf des Tickets werden alle Daten erfasst und es ist genau nachzuvollziehen, wer in unmittelbarer Nähe eine*r Infizierten gesessen hat. Selbst in meinem Chor hat bisher aufgrund des funktionierenden Hyginekonzepts keine Übertragung stattgefunden, obwohl mehrere Fälle bekannt sind, in denen Infizierte mitgesungen haben und trotzdem muss die Probenarbeit nun für mindestens einen Monat pausieren.
Für alle, die die Situation ernst nehmen und in den letzten Monaten hart an neuen Hygienekonzepten gearbeitet haben, viel Geld investiert haben, um die Kultur am Laufen zu halten bei möglichst kleinem Infektionsrisiko, ist dieser Lockdown ein Schlag ins Gesicht!
Die Kultur wird komplett in die Kategorie Freizeit gesteckt, die Wirtschaft soll aber unbedingt am Laufen gehalten werden. Dabei ist die Kulturbranche einer der größten Arbeitgeber der Nation. Anstatt sich wirklich darauf zu konzentrieren, was die wirklichen Treiber der Pandemie sind, wird alles, was vermeintlich irrelevant ist gestoppt und unter Generalverdacht gestellt.
Aber was ist denn mit den Ansteckungen in privaten Haushalten? Die Begrenzung auf 10 Personen stellt doch nicht wirklich eine Einschränkung dar, da die meisten Kreise diese Maßnahmen doch bereits ergriffen hatten. Was ist mit dem ÖPNV? Sollte nicht endlich mal nach Wegen gesucht werden, auch hier eine Kontaktnachverfolgung möglich zu machen? Wäre nicht eine Nachweispflicht für Arbeitgeber denkbar, dass die örtliche Präsenz für die Angestellten unbedingt erforderlich ist? Wäre in der deutschen Bahn eine personengebundene Reservierungspflicht nicht ohne Weiteres möglich? Der Einzehandel darf geöffnet bleiben, obwohl auch hier eine Kontaktnachverfolgung quasi unmöglich ist? Und ist es nicht endlich mal Zeit, mehr denn je, für menschenwürdige Unterbringung für Geflüchtete zu sorgen? Es scheint, dass die Politik sich davor fürchtet, die wirklichen Probleme anzugehen.
Ich bin gespannt auf die nächste Folge und würde mir wünschen, dass dann ein bisschen näher auf die fehlenden 75% eingegangen und die „verfassungsrechtliche Grenze“ noch ein wenig genauer erläutert wird.
Liebe Grüße
Daria