LdN 208, Röttgen als Kanzlerkandidat & Transatlantiker

Danke für den Interview-Ausschnitt mit Herrn Röttgen.

Da er Kanzlerkandidat, gegen Laschet, Merz (und Söder …) und bekennender Transatlantiker ist, muss man sich nicht über seine plakative Haltung gegenüber Russland wundern. Gefreut hat mich aber sein Bekenntnis zum Dialog mit Russland.

Aufgrund seiner ideologischen Orientierung bin ich irritiert, dass Ihr ihm eine (meines Wissens) Falschbehauptung habt durchgehen lassen: Im Interview behauptet er, Russland habe völkerrechtswidrig gegen den IS gekämpft. Bei aller Kritik an dem Assad-Regime ist es aber als einziges legitimiert, seinen Beistand auszusuchen - was aufgrund geopolitischer Realitäten natürlich auf Russland fiel. Insofern hatte doch „der US-geführte Westen“ dort eher nichts zu suchen.

Schade fand ich auch, dass ihr ihn so schwach nach der Blutspur der US-Geopolitik gefragt habt. Auch wenn die USA nach innen eine Demokrati sein mag: Außenpolitisch hat sie mindestens genauso viel auf dem Kerbholz, wie Russland oder China. Und mit all ihrer US-Expertise bei verdeckten Aktionen sind angesichts der Spende von 5 Mrd US$ an ukrainische Organisationen (vor! der Revolution) und Details zu Frau „Fuck-the-EU-Nuland“ so irritierend, dass man bei Röttgens eindeutige Schuldzuweisungen bei der Russland-Krise die Geschichtsbücher offen halten sollte. Auch da war Herr Röttgen im typisch-transatlantischen Korsett, bei dem man IMO hinterfragen muss, ob es für Deutschland und die EU noch nützlich oder ob es uns nicht vielmehr unzeitgemäss und Realitäts-verzerrend behindert: Trump mag ein anti-aufklärerischer Extremist sein. Aber die Frage, ob er bedauerlicher Fehltritt oder ob er logische und notwendige Konsequenz einer angelsächsischen Gesellschafts-Ideologie ist, ist IMHO zu wenig diskutiert: Wenn die Ideologie unendliches Wachstum vorschreibt, dieses Wachstum aber an der Realität endlicher Ressourcen scheitert, muss man sich wohl entscheiden, ob man mit dem Lügen anfängt. Trump, Johnson, Bolsonaro, Orban, Höcke, Gauland sind da offenbar festgelegt. Und realpolitisch muss man dann einen Außenpolitiker und potenziellen Kanzler sehr kritisch fragen, ob das tatsächlich nur innere Angelegenheiten der jeweiligen Länder sind - und DemokratInnen hier nicht doch mindestens(!) so konsequent sein müssen, wie gegenüber dem „fernen Feind“ Russland.