LdN 206 Lieferkettengesetz

Mit der letzten Lage war ich im Punkt Bericht zum Lieferkettengesetz nicht wirklich zufrieden. Leider habt ihr über dieses komplexe Thema deutlich zu vereinfacht berichtet.

  • Bei der Frage von Wettbewerbsnachteilen hättet ihr deutlich stärker differenzieren müssen.
    Es gibt zahlreiche Studien dazu, dass derartige Nachhaltigkeitsmanagementprozesse Unternehmen sowohl für Konsumenten, Mitarbeiter, Bewerber und Investoren interessant machen. Die Frage der „Wettbewerbsnachteile“ ist also sehr differenziert zu betrachten. Für ein Unternehmen, dass sich als „ehrbaren Kaufmensch “ sieht, ist die Einführung des Risikomanagementprozesses menschenrechtliche Sorgfaltspflicht betriebswirtschaftlich eine Chance . Für ein Unternehmen des Wildwestkapitalismus eher nicht. Es gibt bereits zahlreiche ähnliche Verpflichtungen in anderen, auch EU, Ländern: UK, Australien: Modern Slavery; NL: Kinderarbeit; Frankreich: alle Menschenrechte; Verschiedene Gesetze, auch auf EU Ebene, sind in der Mache.

  • Der Vorschlag von Ulf, man könne als Kompromiss nur Transparenzpflichten bis zum Ende der Lieferkette, aber Haftung nur bis zu einem bestimmten Glied der Kette einführen, führt nicht weiter.
    Denn genau das wäre bereits nach den genannten Konzepten vom Eckpunktepapierentwurf, UN Guiding Principles und Rechtsgutachten der Fall. Zentrales Kriterium nach diesen Dokumenten, ob ein Unternehmen für Schäden haftet oder nach dem Risikomanagementprozess angemessen handelt, ist die Einflussmöglichkeit. Diese nimmt eben in der Lieferkette bei wachsender Zahl an Zwischenschritten ab. Man haftet nur in krassen Ausnahmefällen bis ins letzte Glied, wenn man ausnahmsweise große Einflussmöglichkeiten haben sollte. Dann ist Haftung aber klassisch das Gegenstück zu der Verantwortung. Genau aus dem von Phillip genannten Grund der Manipulationsgefahr wäre die Festschreibung von Haftung nur bis in ein bestimmtes Glied problematisch.

  • Die Haftungsrisiken sind sehr überschaubar
    Zentral
    in der ganzen Debatte ist der Prozess der „menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht“ sind die Kriterien der „ Angemessenheit“ (Kriterien: mögliche Schadenshöhe und Wahrscheinlichkeit und Einflussmöglichkeit des Unternehmens) und der „ Risikopriorisierung“ und der „Bemühenspflicht “, die in den zugrundeliegenden Dokumenten, sowohl in dem Eckpunkteentwurf, als auch in den UN Guiding Principles und im Rechtsgutachten der Initiative als zentral definiert werden. Im Kern führen diese Kriterien dazu, dass Unternehmen keinenfalls „von 0 auf 100“ ihre ganze Lieferkette durchleuchten müssen, sondern vielmehr zeigen müssen, dass sie den Risikomanagementprozess der „menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht“ eingeführt haben und ernsthaft vorantreiben. Das bedeutet konkreter: Wenn man nach Risikoanalyse und Priorisierung mit den größten Risiken anfängt, ist man compliant.

Sehr informatives Interview mit Wirtschaftsweisem Achim Truger dazu, den könntet ihr dazu doch mal einladen :wink:: Ökonom zu Lieferkettengesetz: „Das ist eine Frage des Anstands“ - taz.de

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Ich möchte ein paar Gedanken zum vermeintlichen Wettbewerbsnachteil durch die Haftung los werden: Imho, vernachlässigt das Argument, dass durch Regulierungen ein Nachteil entsteht, die Tatsache, dass der Standort Deutschland eben auch enorme Vorteile mit sich bringt. Da wären z.B. eine extrem hohe Rechtssicherheit, gut qualifizierte Arbeitskräfte, eine vergleichsweise gute Infrastruktur (abgesehen vom Digitalen) um nur einige Faktoren zu nennen.

Immer wenn eine Regulierung oder ein Gesetz diskutiert wird, das Aufwand für die Wirtschaft bedeutet argumentiert die entsprechende Lobby reflexartig mit dem Begriff Wettbewerbsnachteil. Ich halte das aus o.g. Gründen für Nebelkerzen. Im Vergleich zu Osteuropa oder Asien sind auch die Löhne in Deutschland ein Wettbewerbsnachteil oder die hohen Steuern. Falsch sind diese Instrumente dadurch nicht. Das Geschrei der Wirtschaftsverbände negiert m.E. einfach die Vorteile, die gewisse Standards hierzulande mit sich bringen.

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Vorschlag für einen Interview zum Thema:

Delara Burkhardt MeP SPD

Das würde das Thema Umwelt noch mehr einbeziehen und was Europa tut und tuen könnte…

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Sehr guter Beitrag! Ein so differenziertes Wissen bzw so tiefe Recherche kannst du aber von den Beiden nicht erwarten. Sie sind ja auf so vielen Gebieten unterwegs, da können sie nicht überall Fachwissen haben. Ich bin sehr zufrieden, wenn Ulf und Phillip ein Thema anpacken und in der für sie machbaren Tiefe m.E. sehr ausgewogen und anschaulich darstellen, und wenn dann hier im Forum offensichtliche Fachleute wie du einen noch genaueren Einblick liefern, ist das wunderbar. Es ist mir schon öfter aufgefallen, wie die „Vielwisser“ über manche Lage-Beiträge mäkeln, anstatt zu sagen: „ich hab hier noch ergänzende Infos…“ oder "meine Info führt mich zu einer anderen Auslegung der Sachverhalte… " usw. Ich höre die Lage seit einem Jahr glaub ich und bin wirklich sehr, sehr zufrieden mit der grossartigen Arbeit der Macher.

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Ganz genau!
„Made in Germany“ ist ein Qualitätsmerkmal, obwohl es hier Kündigungsschutz, Gewerkschaften, Mindestlohn usw. gibt. Oder vielleicht sogar genau deshalb!
Und genauso wird uns die Verpflichtung, Waren fair, nachhaltig usw. zu produzieren und einzukaufen, auch Vorteile verschaffen.

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Der Raubtierkapitalismus ist gegen alles was den Profit schmälert. Bei allen sozialen Themen fängt dann das große Gejammer an.

Ich versuche in meinem Alltag Produkte und Dienstleistungen zu kaufen bei denen ich mir (ziemlich) sicher sein kann, dass soziale Aspekte berücksichtigt werden. Das heißt auch, dass ich mir nur 1 wertiges Kleidungsstück leiste anstatt 5 billige.

Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben bei denen Egoismus und Faustrecht oder Geiz ist geil die Maßstäbe sind.
Grundsätzlich sollten wir die Werte in unserer Gesellschaft mehr hinterfragen.

Langfristig wird sich nur was ändern/verbessern wenn Wir unser Leben verändern. Nicht Gesetze bewirken das sondern der Druck aus der Masse.

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Mir stellt sich bzgl. des Wettbewerbsnachteils immer wieder folgende Frage:
Wird mit einem Lieferkettengesetz nicht zu spät angesetzt? Ich kann nachvollziehen, dass ein solches Gesetz, das nur für deutsche Unternehmen gilt, zu Wettbewerbs-Nachteilen für die betroffenen Unternehmen führt bzw. führen kann.
Kann man nicht früher bzw. auf Ebene der Produkte ansetzen?
Wäre nicht ein Gesetz besser, dass den Verkauf von Produkten verbietet, die nicht bestimmte Kriterien erfüllen (welche auch immer)?
Oder positiv formuliert: Wie wäre es mit einem Gesetz, dass festlegt, dass in Dtld. (Europa, der Welt) nur Produkte verkauft werden dürfen, die folgenden Kriterien entsprechen: …
Damit wäre jedes Unternehmen betroffen, dass hier seine Produkte verkaufen will, nicht nur deutsche und der Wettbewerbsnachteil wäre kein Argument mehr.

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Besser wäre ein Ökologie Gesetz.
Dinge die einen weiten Transport hinter sich haben und die Umwelt belasten werden teuer.
Damit würde es wieder interessant Produkte vor Ort zu produzieren und die unterschiedlichen Lohnkosten würden nicht so stark ins Gewicht fallen.

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