Lastenrad als Kampfbegriff?

Ich war ganz verwundert, dass „Lastenrad“ instrumentalisiert wird, wie es im Interview mit Steffen Mau mehrfach erwähnt wird. Kann ich da mal ein paar Beispiele sehen? Muss ich mir Sorgen machen, wenn ich mit meinem Lastenrad herumfahre? Bisher lächeln noch die meisten Leute zurück, aber ich bin verunsichert, und seit dem Interview achte ich sehr speziell darauf, vorsorglich immer selber zu lächeln und alle zu höflich grüßen.

Irgendwelche Idioten suchen eben immer nach neuen, angeblichen Merkmalen einer progressiven und Hippen Lebensweise, gegen die sie polemisieren können. Da kommen die „Luxus-Lastenräder“ mit ihren Elektromotoren, mit denen Latte-Macchiato-schlürfende Mamas ihre Kinder in den Montessori-Kindergarten fahren gerade recht. Echte Männer dagegen fahren ihre Kinder mit dem 500.000 Euro Fendt-Traktor zur Schule, oder mindestens mit dem SUV.

Ist natürlich alles ziemlicher Schwachsinn und ich sehe bisher auch nicht, dass das Narrativ gut verfängt. Aber ich bin als einziger Mensch mit (selbst gebautem) Lastenrad in meinem Dorf auch eher eine Kuriosität, als der Repräsentant eines als bedrohlich wahrgenommen Lifestyles.

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Beispiele:

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Und so weiter und so fort…

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Also gerade das Stockphoto geht ja gar nicht. Wieso sitzt der Vater nicht bei den Kindern und die Frau fährt. Unerhört ^^ Sorry aber es ist schon ein bisschen lustig und natürlich ist das Lastenrad für die einen was der SUV für die anderen ist. Ein einfaches Symbol für ein komplexes Thema.

Damals hatte sich aber die versammelte rechte Empöreria sehr auf dieses Plakat gestürzt, als wäre es eine große Zumutung an die Wähler, dass die Grünen damit werben.

Ja, das war sehr albern. Aber genau darum ging es ja Herrn Mau.

Dass Polarisierungsunternehmer sich bewusst Symbole aussuchen, an denen sie sich abarbeiten können und aus denen sie dann einen Spaltpilz machen. In diesem Fall eben das Lastenfahrrad als Symbol für „abgehobene“ ideologisch-grüne Verkehrspolitik. Auf LinkedIn konnte man anschließend monatelang empört polternde Unternehmer mit zuviel Zeit vor dem Bildschirm lesen, die im Lastenfahrrad eine Zumutung für ihren Fuhrpark ausmachten.

Im rechtsextremen Kulturkampf wird aktuell ebenso das vollkommen vernünftige und harmlose Konzept der 15 Minuten Stadt durch Polarisierungsunternehmer zum Symbol für staatliche Unterdrückung hochgejazzt. Und die AfD ist bereits dran am Thema…

Gleiches Vorgehen wie einst mit dem Lastenrad. Man sucht sich ein Symbol, befüllt es mit negativen Emotionen und hetzt dann die rechte Meute drauf.

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Mit dem Unterschied, das SUVs ein echtes Problem sind, die das Leben für viele Menschen schlechter/gefährlicher machen und Lastenräder (in vielen Situationen) eine Lösung. Aber klar, falsche Äquivalenzen lassen sich natürlich leicht herstellen.

Wie du selber sagst das ist hier aber nicht der Punkt. Sie sind einfach eine Projektionsfläche. Und ich kann es auch verstehen wenn man sich anschaut was ein Lastenrad kostet und welches Klientel Sie besitzt/verwendet. Das sind schon größtenteils Menschen die besser gestellt sind und somit für viele auch ein leichtes Ziel darstellen. Vorurteile haben häufig einen Kern der Wahrheit in sich…und das auf beiden Seiten.

Nein, du stellst eine falsche Äquivalenz auf, die dem rechts-konservativen Narrativ vom „Hippen Lastenrad“ den selben Wert zuweist, wie der Kritik an SUVs. Dabei übersiehst du, dass die „Kritik“ am Lastenrad genau den Zweck hat, von der (berechtigten) Kritik an SUVs und anderen umwelt- und menschenfeindlichen Verhaltensweisen abzulenken. Frei nach dem Motto „Wenn die links-grünen Hipster mich mit ihren Lasteräder belästigen, dann darf ich auch meinen Pickup bis vor den Schuleingang steuern.“

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Nein. Ich vergleiche SUV und Lastenrad nicht auf ihrer existenziellen Ebene sondern als Projektionsfläche für ein einfaches Feindbild. Das ist ein eklatanter Unterschied.

Und SUV als menschenfeindlich zu bezeichnen ist schon hart ^^ Es gibt halt Menschen die ein berechtigtes Interesse an einem Auto mit Alltagskomfor und Bodenfreiheit haben. Z.b. um am Wochenende Holz im Wald zu machen. Das meinte ich mit Kampfbegriff und einfache Projektionsfläche.

Ja, und während das Lastenrad tatsächlich einfach nur eine Projektionsebene ist, gibt es bei SUVs kein „einfaches Feindbild“, sondern gut recherchierte, wissenschaftlich belegte und nachvollziehbare Kritiken, die nichts mit dem Nutzermillieu zu tun haben, sondern dem Ding an sich. Diesen Unterschied nicht zu thematisieren, sondern beide Konzepte gleichwertig zu behandeln, wird der Sache schlicht nicht gerecht.

Warum? SUVs sind nachgewiesenermaßen tödlicher bei Unfällen mit Fußgängern und Fahrradfahrern, insbesondere Kindern als andere Autotypen. Sie verbrauchen für die selbe Beförderungsmöglichkeit mehr Treibstoff/Strom, was sich wiederum negativ auf alle möglichen gesundheits- und umweltschädlichen Emissionen auswirkt. Sie nehmen mehr öffentlichen Raum in Anspruch. Mein persönlicher Eindruck ist, dass es wenige private Konsumentscheidungen gibt, die sich auf die Mitmenschen schädlicher auswirkt als einen SUV anstatt einen vergleichbares anderes Auto zu kaufen. Aber das kann ich aus dem Stand nicht wissenschaftlich belegen.

:joy: Ich kenne niemanden, der seinen SUV dafür nutzt. Und die Bauern hier bei uns, also die, die es wirklich wissen müssen, fahren alle mit Minibussen und Kastenwägen durch die Gegend. Die Handwerker genauso. Die Jäger hier, die tatsächlich mal offroad im Wald fahren, haben für die Gelegenheiten kleine und günstige Geländewagen. Mein Schwiegervater fährt zum Holz holen mit dem Kombi in den (Bayerischen) Wald, inklusive Anhänger. SUVs sind gefühlter Lifestyle. Daran ändert auch der eine von 500 SUV-Fahrern nichts, der sein Auto tatsächlich mal von der befestigten Straße runterfährt.

Klar. Und praktisch jeder SUV in dem ich im meinem Leben gesessen habe ich eine ziemlich beengte, unbequeme Kiste mit (wegen dem hohen Schwerpunkt) miesen Fahreigenschatften die über die Motorhaube extrem schlecht Sicht bietet, weil so viel Platz für den „Off-Road-Look“ draufgeht. Hohe Sitzpositionen gibt es auch in Minibussen und Klein-Vans, bei denen man auch noch ohne Bordkamera sehen kann, ob ein Kind vor einem auf der Straße sitzt.

Gibt es irgendwo irgendjemanden in Deutschland, der einen SUV nachvollziehbar braucht? Sicher. Aber wenn 30% der Neuzulassungen in Deutschland SUVs sind (Tendenz steigend), dann ist das eine insgesamt menschenfeindliche Dynamik, während praktisch jedes zusätzliche Lastenfahrrad einen Beitrag zu einer lebenswerteren Gesellschaft leistet.

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Mit dem Unterschied, dass alle regulären SUVs auf der Straße eine Zulassung haben und TÜV geprüft sind :slight_smile:

Was hat das denn mit irgendwas zu tun? Autos brauchen (sinnvollerweise) eine Zulassung. Fahrräder brauchen das (sinnvollerweise) nicht (außer Pedelecs). Vorschriften für Fahrräder, insbesondere solche mit E-Motor, gibt es natürlich trotzdem (Licht, Reflektoren, Höchstgeschwindigkeit bei Motor-Unterstützung etc.). Die werden insbesondere bei den „Hipster-Lastenrädern“ auch alle eingehalten, die Modelle sind alle StVo-Konform.

Die Anzahl der Lastenrad-Eigenbauten dürfte sich im Promillebereich bewegen (weil es ein Scheißaufwand ist, wie ich aus eigener Erfahrung bezeugen kann) und dass diese generell unsicherer Sind als kommerzielle Varianten halte ich für eine gewagte These (meines ist es nicht).

Aber genau darum geht es ja nicht. Ich sehe du willst es nicht verstehen und damit bin ich hier raus. Der Kern der Diskussion ist nicht ob sinnvoll oder nicht sondern Lastenrad als Kampfbegriff wie SUV und ja das ist es. Was hinter dem jeweiligen Begriff in Wirklichkeit steckt ist total egal. Meine Güte. Wie kompliziert kann man eine einfache Diskussion machen.

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SUVs waren die Antwort der Autohersteller auf regulative Anreize in den USA. Wenn das Auto bestimmte Ausmaße hat, durfte es geringere Anforderungen an Emissionen etc. erfüllen. Damit war die Herstellung eines SUVs preisgünstiger und profitabler als klassische Sedans und Familienvans. Als dies den Herstellern klar wurde, schufen sie anschließend per Werbung einen Markt für das Produkt mit der höheren Marge. So löste der SUV als Muttipanzer die früheren Familienvans ab.

Bob Sorokanich: When the government made these two categories: passenger vehicle, non-passenger vehicle, they defined a set of rules for what constitutes a non-passenger vehicle. It has to do with ground clearance. It has to do with the frontal clearance. You know, so off-road vehicles have their front wheels very close to the front bumper so that they can climb over obstacles without scraping the bumper. So they defined this box which categorizes a vehicle as a non-passenger vehicle, and they said, “Okay, if it fits this category, we’re gonna be less stringent on emissions, and we’re gonna be less stringent on fuel economy.”

Bob Sorokanich: And so automakers in the late ’80s, early ’90s started to realize that it’s less costly to engineer a vehicle, it requires less cutting edge technology to make a vehicle that can—that can live up to these more relaxed standards for a non-passenger vehicle. That’s why in the ’90s, you know, Ford and Jeep and eventually General Motors all started marketing SUVs as family vehicles, because they were more profitable to make and sell partly because they were more luxurious than a standard family sedan, but partly because they were cheaper to engineer and cheaper to build because they were not required to have the latest and greatest emissions and fuel economy technology. So you create this thing. You advertise it to suburban America as the new fashionable way to bring your kids around. You sort of tacitly create this friction between the minivan, which is considered the dorky family vehicle.

https://thewaroncars.org/2023/08/01/extra-inside-automotive-journalism-with-bob-sorokanich/

Was der Interviewgast da sagt ist eben: SUVs sind kein Produkt, dass der Markt verlangt hat, sondern für das ein Markt erschaffen wurde.

Daraus folgt natürlich, dass man mit anderen gesetzlichen Vorgaben diese Anreize für die Hersteller wieder streichen könnte.

Bzw man kann mit angepassten gesetzlichen Anreizen auch mehr Leute dazu bringen, in überfüllten Städten aufs Lastenrad statt ins Auto zu steigen.

Womit wir wieder bei grüner Verkehrspolitik sind.

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Und was gesetzliche Anreize betrifft:

Die japanischen Kei-Cars sind ebenfalls ein Beispiel, wo Gesetzgebung eine (imho sinnvolle) Produktkategorie erschaffen hat.

Es ist mir unbegreiflich, warum Europa diese japanische Idee der bevorzugt behandelten Kleinstautos nicht längst übernommen hat.

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Frag mal die europäischen Autohersteller.

Mein Kommentar bezog sich auf den Babboe Fall und war etwas augenzwinkernd gemeint.