Kommunikation um Wirtschaftsschäden der Klima-Krise

Hallo liebe Lage-Community,

ich bin neu im Forum aber mich treibt eine Frage um, die naiv erscheinen mag. Trotzdem möchte ich gerne mal um Meinung(en) und Erklärungen bitten.

Warum wird bei allen Debatten rund um Klimaschutz und der wirtschaftlich und sozialen Realisierbarkeit kaum über die Kosten gesprochen, die mit Nichtstun einhergehen?

Hintergrund war heute dieser Bericht auf tagesschau.de. Hier wird auch wieder darauf verwiesen, dass das neue Klimaschutzgesetz (voraussichtlich) zu hohen Strafen durch verpasste Europa-Ziele führen wird. Von all den wirtschaflichen Schäden (und Schicksalen von Menschen) durch gehäufte Klima-Extreme ganz zu schweigen.

Vor einigen Folgen wurde in der Lage auf die Kommunikation in Bezug auf den Krieg in der Ukraine hingewiesen in dem das Unterlassen der Hilfe mit einer erhöhten Bedrohung für Europa einher ging. Wäre es nicht auch hier deutlich einfacher Solidarität in der Bevölkerung zu erlangen, wenn klar kommuniziert würde, dass unterlassener Klimaschutz und dessen Folgen mit erheblichem finanziellen Mehraufwand für uns alle einhergeht?

Mir ist unklar, wie das kein zentraler Bestandteil der Kommunikation sowohl von Politik als auch Medien zu sein scheint (möglicherweise entgeht er mir auch, dann freue ich mich über Hinweise, wo das thematisiert wird).

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Das Argument, dass Nichtstun langfristig teurer ist als die Klimamaßnahmen heute wären, fällt schon recht häufig, aber meist eben eher in einem Nebensatz. Insofern gebe ich dir Recht, dass man diesen Aspekt vielleicht stärker betonen sollte, weil es in der Tat ein Aspekt ist, der rein logisch auch bei der CDU und der FDP auf fruchtbaren Boden fallen sollte, wenn diese Parteien denn entsprechend ihrer Selbstdarstellung handeln würden. Und letztlich müssen wir nicht GRÜNE vom Klimaschutz überzeugen (die sind i.d.R. schon an Bord), sondern Union, FDP und Teile der SPD - und das funktioniert in der Tat möglicherweise besser mit wirtschaftlichen Argumenten als mit ideologischen…

Jetzt kommt eine traurige Wahrheit. Sehr viele Staaten dieser Welt müssten etwas tum, um die Kosten für das nichts tun zu senken.
Mir ist bewusst, dass es ein Argument von Klimawandel Leugnern und ähnlichen Gruppen ist, aber es stimmt in diesem Zusammenhang.
Wenn Deutschland alleine seine CO2 Emissionen (damit meine ich auch die anderen Treibhausgase wie Methan) auf ein Minimum senken würde und dazu noch CO2 Umwandlung (Wälder) betreibt, um CO2 Aufkommensneutral zu sein, dann wird das keine Folgeschäden durch Wetterextreme (Hitze, Dürre, Überschwemmungen) oder den Meeresspiegelanstieg verhindern.

Damit besteht ein Kommunikationsproblem. „Wir in Deutschland müssen so schnell wie möglich CO2 neutral werden, um diese Folgeschäden zu minimieren.“ wäre eine Falschaussage.
Richtig wäre; „Alle Staaten dieser Welt müssen sich an das Pariser Klimaabkommen halten und asap Klimaneutral werden. Damit können die Folgeschäden minimiert werden.“ Damit verallgemeinert man jedoch die Verantwortung von sich selber auf alle. Das suggeriert der eigenen Bevölkerung jedoch, dass man als einzelner Staat Machtlos ist. Dieses in Verbindung mit Wohlstandseinbussen durch Verzicht ist schon sehr gefährlich. Dazu können wir andere Staaten außerhalb der EU, nur mit der Moralischen Pflicht drohen. Strafen können wir kaum verhängen auf jeden Fall nicht gegen China, die USA, Indien oder Brasilien.

Long stroy short… Für Lokale (z.B, Bundesregierung, EU Abgeordnete) Politiker ist dieses Argument der Minimierung der Folgeschäden sehr dünnes Eis und wird deshalb gemieden.

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Leider gibt es hier viele verschiedene Interessen.
Perspektive ich: will ich das hören. Mir geht es ja gut. Wird schon nicht so werden. Lieber jetzt noch prassen als den Gürtel enger schnallen usw.
Perspektive Lobbygruppen: es wird noch viel Geld mit klimaschädlichen Industrien gemacht. Und auch viel Geld in den Lobbyismus gesteckt (Artikel, Werbung, Desinformation) - und diese glaubt das o.g. ich dann gerne.
Perspektive Medien: dort ist halt eine nicht unerheblich einflussreiche Presse (Springer usw.) auf Seiten der Lobbyisten…. Schreiben also alles kaputt
Perspektive Politik: hey, mit Klima-Krise ist zur Zeit kein Blumentopf zu gewinnen. Lieber dem o.g. ich nach dem Mund reden (CDU, bspw. auch in Person von H. Aiwanger).
Die Kommunikation ist da, wird aber wenig bis kaum gehört - und ich glaube das ist auch menschlich. Lieber im jetzt gut leben und die Zukunft (und die Folgen der Zukunft) verdrängen

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Die Folgeschäden die wir mit der heutigen Klimapolitik abwenden können sind zudem weniger die der nächsten Jahre als eher die für die darauffolgenden Generationen. Den Status Quo können wir mit Klimapolitik nicht mehr abwenden.

Deshalb sind auch Aussagen Klimaschutz wäre günstiger als die Anpassung an den Klimawandel unseriös, da wir längst an dem Punkt angekommen sind wo beides nötig ist.

Ich bin mir nicht sicher ob es in der LdN war oder in einem anderen Podcast, aber ich kann mich da an ein Interview erinnern in dem ein Klimawissenschaftler erklärte, dass er die Verknüpfung von Klimawandel mit einzelnen Extremwetterereignissen problematisch findet. Denn ob ein einzelnes Ereignis eine Folge des Klimawandels ist oder nicht kann nicht belegt werden, anders als der Zusammenhang zwischen der Häufung solcher Ereignisse und dem Klimawandel.

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Und letztlich müssen wir nicht GRÜNE vom Klimaschutz überzeugen […] sondern Union, FDP und Teile der SPD

Da stimme ich zu @Daniel_K. Allerdings geht es ja auch darum in der Bevölkerung eine Akzeptanz zu schaffen und da wäre das mMn doch ein zentraler Kommunikationsbaustein um etwaige Ausgaben/Einschränkungen zu rechtfertigen (idealerweise natürlich durch Anreize auch, wie beispielsweise das Klimageld).

[…] Das suggeriert der eigenen Bevölkerung jedoch, dass man als einzelner Staat Machtlos ist. Dieses in Verbindung mit Wohlstandseinbussen durch Verzicht ist schon sehr gefährlich. […]

Ich verstehe absolut die traurige Wahrheit, dass wir das alleine nicht stemmen können @mr.mucki . Gerade um aber dagegen angehen zu können und wirklich über eine rein wirtschaftliche Argumentation gehen zu können, dass wir eben nicht nur ideologisch und träumerisch dagegen vorgehen sollten (während der Rest der Welt wegsieht). Gerade hier wäre das doch eine starke Argumentationskette zu sagen: Ja, andere machen nicht genug, aber zumindest tun wir unser bestes die finanziellen Folgen (beispielsweise EU-Strafen) für uns zu begrenzen.

Ich sehe das natürlich auch nicht losgelöst von der Forderung an Andere mitzuziehen. Und man kann hier sicher auch leicht anknüpfen und sagen, dass man mit gutem Beispiel voran geht. Das ist aber natürlich leichter politisch angreifbar als eine klar wirtschaftliche Botschaft mit den daraus resultierenden Vorteilen und gesenkten Kosten.

Über Geld zu reden bringt nur etwas, solange man sich in Sphären bewegt, die noch mit der Lebensrealität der Menschen zu tun haben. Jeder von uns kann sich vorstellen, wie sehr es weh tut, 100, 1.000 oder 10.000 Euro weniger zu haben. Alles, was über den Wert sagen wir eines Hauses hinaus geht ist für uns zu abstrakt, um uns noch etwas darunter vorstellen zu können. Ob wir dann über Millionen, Milliarden oder Billionen reden ist eigentlich egal.

Wenn dann muss es in Dinge umgerechnet werden, mit denen wir etwas anfangen können. zB. „im Jahr 2100 müssen die EU-Länder 5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Klimafolgen ausgeben. Das ist so, als ob du jedes Jahr einen Neuwagen verschenken müsstest“.

Aber auch das ist noch etwas abstrakt aufgrund des dreifachen Distanzproblems (8. Mach' den Klimawandel konkret - Klimafakten Handbuch). Empfohlen wird, den Klimawandel konkret zu machen, zB. durch das häufigere Auftreten von Naturkatastrophen wie dem Hochwasser aktuell. Auch wenn sich das nicht jedes mal mit 100% Sicherheit auf den Klimawandel zurückführen lässt, das ist egal. Es geht viel mehr um das Vermitteln von Gefühlen als um Fakten, wobei die Argumentation natürlich auf Fakten basieren sollte.

Folgender Gedanke hierzu:
Was für eine verkommene Gesellschaft sind wir, wenn wir die zukünftig zu erwartenden Szenarien wie wiederkehrende Extremwetter mit Gefahr für Leib und Leben, Hitzewellen mit Todesfällen, dem Verlust der Heimat von sehr vielen Menschen wegen Unbewohnbarkeit nicht als hinreichendes Argument für Klimaschutz annehmen, sondern stattdessen die Kosten für Dammbauten, Hochwasserreparturen und Umsiedlungen monetär bewerten müssen, um zu dieser Erkenntnis zu kommen?
Soll ich mir wirklich in Anbetracht der Tatsache, dass meine Tochter, die das Ende des Jahrhunderts durchaus erleben könnte, mehr Sorgen machen um die deutschen Staatsfinanzen und ob sich der Klimawandel vielleicht negativ auf ihre Rente auswirkt, als um die Frage ob bei 3°C mehr noch ein friedliches Zusammenleben auf dem Planeten möglich sein wird?
Glauben wir wirklich, dass die Menschen, denen die physikalischen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die folgenden Generationen offenkundig egal sind, bei den finanziellen Auswirkungen einen andere Haltung annehmen?

Ich denke das allergrößte Problem dabei sind Zurechenbarkeit und Quantifizierbarkeit. Wir wissen ja zu wenig - wir wissen lediglich das es „irgendwann irgendwie schlimm“ wird und sonst nichts. Das Klimasystem ist so hochkomplex das kaum abzusehen ist welche Kettenreaktionen eintreten werden und vor allem wann und mit welcher Geschwindigkeit. Erst daraus resultieren Folgen. Und wiederum erst aus diesen Folgen könnte man auf Gegenmaßnahmen schließen, die man dann zuletzt monetär bewerten könnte. D.h. es lässt sich hier kaum etwas wirklich beziffern, wir sind völlig im Ungewissen. Auf der anderes Seite kann man jedoch sehr genau beziffern welchen ‚Schaden‘ eine politische Maßnahme X in Branche Y über die nächsten 10 Jahre generieren kann.

Ein Ansatz wäre gegebenenfalls bestimmte kleinere Szenarien des Gesamtwandels herauszupicken, bei denen man weiß das sie in absehbarer Zeit sehr wahrscheinlich sind, wie z.B. das Verschwinden ganzer Küstenregionen oder Inseln.

Zu dem altbekannten Argument, dass wir als Deutschland allein sowieso nichts gegen den Klimawandel insgesamt auf der Welt ausrichten können:

Das stimmt so nicht. Unsere Innovationen, an denen wir arbeiten, können dann weltweit helfen, den Klimawandel zu begrenzen. Wir haben das gesehen durch die Entwicklung der Solar /Photovoltaik- Technologie. Deren Beitrag zur Senkung des CO2 Ausstoßes weltweit mittlerweile gar nicht mehr überschätzt werden. Ähnliches gilt beim E-Auto (das allerdings als amerikanische Innovation)…

Zudem verbessert sich durch eine strikte Klimapolitik auch unsere Verhandlungsposition international bei diversen Klimagipfeln.

Hinzukommt noch die Möglichkeit einer von der Bundesregierung aus meiner Sicht noch nicht ausreichend konsequent verfolgte Klima-Außenpolitik. Ansätze dazu sind ja vorhanden, werden aber medial verhöhnt (Radwege in Peru). Ich glaube, Annalena Baerbock würde dort mehr tun wollen, wird aber ausgebremst (Scholz, FDP)…

Schon heute können wirtschaftliche Zusagen an eine funktionierende Klimapolitik geknüpft werden . EU Gesetzgebung wie etwa das Lieferkettengesett will ja auch ihren Beitrag leisten zum Umwelt – und damit wohl auch Klimaschutz.

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