Kommt die 3. Welle?

Hallo,
ich wollte einmal von meiner Arbeit in einem Gesundheitsamt berichten und warum mir die 3. Welle Sorgen bereitet. Derzeit treten vermehrt Fälle auf in denen eine Mutation „vermutet“ wird. Diese Vermutungen basieren auf einer Schmelzkurvenanalyse, die mittlerweile einige Labore durchführen. Danach werden die Proben sequenziert, was 3 Wochen dauert. Deshalb müssen wir die positiven Fälle basierend auf der Schmelzkurvenanalyse als Mutationsfall behandeln.
Letztendlich werden aber nicht alle dieser Fälle sequenziert, also bestätigt. Das bedeutet all diese Fälle gehen nicht in die offizielle Statistik für Mutationsfälle ein, was mich vermuten lässt, dass deutschlandweit die Zahlen der Mutation nochmal deutlich höher sein müssten.
Vielleicht kennt sich hier ja jemand mit der Belastbarkeit der Schmelzkurvenanalyse aus.
Beste Grüße!

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Zu deinem eigentlichen Thema/Frage kann ich leider nich viel beisteuern, jedoch möchte ich den Titel deines Threads zum Anlassen nehmen, einen kleinen sprachlichen Kommentar zu hinterlassen.

„Kommt die 3. Welle?“ suggeriert, dass es sich bei Corona um ein externes, unabhängiges Ereignis handelt, welches wir nicht beeinflussen können, wie z.B. ein Vulkanausbruch, Erdbeben oder das morgige Wetter. Jedoch ist dieses Verständnis kontrapoduktiv und gefährlich, weil das in dieser Form nicht zutrifft. Wir verbreiten das Virus. Das Virus lebt von unseren Kontakten. Daher haben wir es in der Hand, ob wir eine dritte Welle lostreten oder nicht. Wir wären eine dritte Welle.

Das klingt jetzt erst einmal korinthenkackerisch, jedoch hat dieses fehlerhafte Verständnis in meinen Augen u.a. dazu geführt, dass im Herbst nicht rechtzeitig reagiert wurde. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie Politiker, Journalisten und mediengeile Virologen diese Sprache benutzt haben und behaupeteten, dass eine 2. Welle nicht komme. Da haben sich dann wohl einige gedacht: Gucken wir mal, ob die 2. Welle wirklich kommt, ohne zu merken, dass man selber die 2. Welle ist.

P.S.: Ich kann mir gut vorstellen, dass du es mit deinem Titel gar nicht so gemeint hast und dir durchaus bewusst ist, wie sich ein Viraus ausbreitet :wink: Sprachliche Genauigkeit finde ich an dieser Stelle aber sehr wichtig.

Das RKI hat am 5.2. einen Bericht zur „N501Y Punktmutations-Assays der Firma TIB MOLBIOL (Detektion der Mutation mittels Schmelzkurvenanalyse)“ veröffentlicht. Darin heißt es für die Woche vom 22.-29.01.2021:

In 1.797 dieser 30.928 [positiven] Proben (5,8%) wurde neben der N501Y-Mutation auch die Deletion delH69/V70 detektiert, was einen starken Hinweis auf das Vorliegen der VOC B.1.1.7 liefert.In 336 zusätzlichen, also insgesamt in 2.133 der 30.928 auswertbaren Proben, wurde die N501Y-Mutation detektiert. Aus dem Vorhandensein dieser Mutation allein lässt sich nicht zwingend auf das Vorliegen einer VOC schließen, wenngleich es zum deutlichen Verdacht Anlass gibt, der eine Indikation zur Sequenzierung darstellt. Der Anteil aller Proben mit der N501Y-Mutation entspricht 6,9% der auswertbaren, nachgetesteten Positivproben.<

Sprich: Mit der Schmelzkurvenanalyse lässt sich nur sagen, dass wahrscheinlich eine Mutation vorliegt, aber es lässt sich keine Variante bestimmen. Die Varianten aus UK, Brasilien und Südafrika sind ja nur bekannt, weil dort ausreichend sequentiert wurde. Es könnte sich also auch um andere Mutationen handeln, die noch gar nicht in diesem Sinne identifiziert sind - darüber kann aber nur eine Sequenzierung Aufschluss geben.

Was ich nicht verstehe, ist, was das von Dir beschriebene Vorgehen mit einer „3. Welle“ zu tun hat. UK und Irland, wo B117 mittlerweile dominant ist, haben stark sinkende Zahlen, ebenso Dänemark, wo B117 sich gerade kräftig ausbreitet.

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Und was tun diese Länder gegen eine weitere Verbreitung? Es ist ja nicht so, dass sie es laufen lassen und die Zahlen von alleine zurückgehen. Alle Studien, die Drosten und Cisek im Podcast zitiert haben, deuten jedenfalls auf eine höhere Infektiösität hin, womit eigentlich klar sein sollte, dass die Mutanten eine dritte Welle befördern.

Wir machen diese Analysen quasi jeden Tag. Die Analyse an sich stimmt schon meistens - es gibt immer falsche Resultate aber die liegen in einem Bereich der so geringfügig ist dass es da kaum Kollateralschäden gäbe. Wie @kaigallup schon richtig gesagt hat ist das Problem dass die B117 Variante eine ganze Reihe von Mutationen trägt und sich die eine auf die über Schmelzkurve getestet wird in einer ganzen Reihe verschiedener Varianten findet. Nicht alle davon sind gleich problematisch. Also würde es tatsächlich Probleme machen alle Fälle als B117 Mutante zu stempeln.

Es ist quasi so als würde man gucken ob man eine Tür findet und daraus schließen dass man es mit einem Einfamilienhaus zu tun hat. Zwar hat fast jedes Einfamilienhaus eine Tür aber nicht jede Tür führt in ein Einfamilienhaus.

Stattdessen wird nachgetestet, dafür braucht man aber eine gewisse Menge Material die nicht bei jeder Probe zur Verfügung steht. Deshalb versucht man zumindest einen repräsentativen Querschnitt zu ziehen und das auf die Proben die positiv für die Schmelzkurvenanalyse war hochzurechnen.

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