Klinikatlas: Spitzeninformation oder neuer Wein mit alten Daten?

Ich kann die Einschätzung der Bedeutung des Klinik-Atlas nur bedingt teilen und möchte zur kritischen Diskussion einladen.

Zur Einordnung meiner Position:

  • Ich arbeite seit einigen Jahren mit den Qualitätsberichte der Krankenhäuser.
  • Die Initiative die Qualität in den Fokus einer Krankenhausreform zu stellen ist notwendig und wichtig
  • Die Grenzen der Kennzahlen der Qualitätsberichte sind aus meiner Sicht nicht einfach zu verstehen und nur sehr bedingt für eine sinnvolle Klinik-Auswahl durch Patienten und Zuweise geeignet.
  • Qualität bedeutet im Kontext der Qualitätsbericht vorwiegend Menge und Strukturqualität

Im aktuellen Stand macht der Klinikatlas die folgenden Angebote:

  • Fall- und Personalzahlen (InEK Daten 2022)
  • Mindestmengen (sQB 2024)
  • Notfallstufen (sQB 2022)
  • Zertifikate (Fachgesellschaften, Zertifikatsherausgeber 2024)

AdHoc-Kritik des bisherigen Standes:
In der Lage wird die Beziehung zwischen Menge und Outcome quasi als gegeben beschrieben. Wenn man die Leistungserbringung in Krankenhäusern und die öffentlich verfügbaren Daten heranzieht, ist dieser Zusammenhang in Deutschland keinesfalls so trivial.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die 2019 durch den GBA beauftragte Studie „Sonderauswertung // esQS-Daten hinsichtlich Volume-Outcome-Beziehungen bei Revisionseingriffen bei Knie-Endoprothesen“ bisher nicht veröffentlicht wurde und der Antrag auf Offenlegung der Daten mit Hinweis auf die in § 91 Abs. 7 S. 7 SGB V festgelegte Vertraulichkeit negativ beschieden wurde.
Ergebnisqualität entwickelt sich in Teilbereichen rasant. So wurde in der Veröffentlichung von noch von einer Sterblichkeit von 12,1 % für Low-Volume-Kliniken vs. 9,2% für Kliniken, die die Mindestmenge überschritten ausgegangen. 2023 ist die Gesamtsterblichkeit glücklicherweise auf 8,2% gesunken. Es gibt jedoch keine öffentlichen Daten in welchen Häusern diese günstige Entwicklung realisiert wurde.

Die zugeordnete Notfallstufe zeigt die Fähigkeit auf komplexe Anforderungen reaktionsbereit zu handeln. Die Aussage kann jedoch nur für das spezielle Angebot eines spezifischen Hauses geltend gemacht werden.

Die veröffentlichten Personalkennzahlen beziehen sich auf die Gesamtorganisation. Ob im Behandlungsbereich der Leistung von Interesse die Personalstärke über- oder unterproportional ist kann nicht geschlossen werden.

Zertifizierungen stellen hohe Anforderungen an die Krankenhäuser und geben vermutlich Hinweise auf eine gezielte Entwicklung in Richtung einer besseren Ergebnisqualität.

Negativ; Aus meiner Sicht [noch] nicht geeignet um das wünschenswerte Empowerment der Patienten zu beflügeln. Der Bund verfügt über Daten, die ein sehr viel genaueres Bild zur Qualität ermöglichen würden. Für eine fundierte Entscheidung jedoch bemerkenswert unterkomplex.

Positiv: Die Form der Darstellung im Bundes-Klinik-Atlas ist ansprechend und gut gemacht.

Nach welchen Kriterien könnten Patienten eine sinnvollere Klinik-Auswahl treffen und welche Daten wären dafür notwendig?

Wenn ich dich richtig verstehe, ist die Kritik hauptsächlich, dass die bereitgestellten Informationen die Situation zu stark vereinfachen. Der Klinikatlas soll doch auch erweitert werden und aus einer Laienperspektive sehen die aktuellen Informationen nach einem guten Start aus. Die Patienten müssen die bereitgestellten Informationen schließlich auch für ihre Entscheidung verarbeiten.

Könntest du vielleicht ein konkretes Beispiel für Daten geben, die die Entscheidung signifikant weniger unterkomplex machen würden?

Es gibt interessante und aus den Abrechnungsdaten verfügbare Kennzahlen.

Die Prozessgüte hat einen Einfluss auf die notwendige Verweildauer. Kennzahlen zum Aufenthalt im Krankenhaus lassen sich ebenfalls problemlos und Leistungsbezogen darstellen. Die hierfür erforderliche Methodik ist seit Jahren als sogenannte Klinische Leistungsgruppe etabliert.
In vielen Leistungsbereichen stellt die Notwendigkeit von Re-Operationen (Korrektureingriffen) einen guten Parameter dar.
Mich würde interessieren wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Transfusion von Fremdblut bei größeren Eingriffe ist. Wer sauber operiert reduziert die Wahrscheinlichkeit der Transfusion.
Die Häufigkeit postoperativer Wundinfektionen korreliert ebenfalls mit einem gut geplanten Vorgehen.
Die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation und die Beatmungszeit lassen sich ebenfalls aus den Abrechnungsdaten erheben und zum Vergleich heranziehen.
Und nicht zuletzt die Sterblichkeit bei risikobehafteten Operationen.
Alle diese Daten lassen sich zum Beispiel transparent in den Veröffentlichungen der Schweizer Kliniken nachlesen.
Mir stellt sich am Ende jedoch die Frage, ob die Entscheidung nicht durch zuweisende Ärztinnen und Ärzte begleitet werden sollte um die individuellen Bedürfnisse der Patient*innen mit den Aspekte von Sicherheit und Qualität zusammenzubringen. Ich glaube nicht, dass man komplexe Fragestellungen durch Vereinfachung zu lösen.

Einige der angesprochen Parameter bietet die AOK in ihrer Krankenhaussuche oder die Weiße-Liste der Bertelsmannstiftung bereits gut lesbar an.

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