Klimakleber verteidigen

Lässt sich die Aussage bzw. der Urheber der Aussagende „Klimakleber verüben Terror“ anklagen?
Immerhin kommen solche Aussagen vor allem von Menschen, die sich eher als Bremser in klimapolitischen Fragen profiliert haben und um ihre eigenen politischen Ziele, Demonstrationen derart zu delegitimieren versuchen. Gleichzeitig ist das als Angriff auf einen der Grundpfeiler der Demokratie zu werten und deshalb schon zu hinterfragen.

1 „Gefällt mir“

Wenn man sich die Legaldefinitionen von Gewalt und Terror ansieht, sowie Rechtsprechung dazu (Sitzblockadenentscheidung), dann kann man wohl auch zu diesem Ergebnis kommen. Wenn ich es auch nicht in die gleiche Kategorie wie mit Waffen ausgeübten Terror packen würde.

Die pauschale Aussage „Klimakleber verüben Terror“, z.B. durch Politiker oder Kommentare in den Medien, dürfte rechtlich nicht angreifbar sein. Es ist eine dumme Aussage, zweifelsohne, aber für eine Beleidigung ist sie i.d.R. nicht konkret genug auf eine bestimmte Person gerichtet (vergleiche ACAB-Urteil).

Liegt eine hinreichende Konkretisierung vor, z.B. weil du dich gerade irgendwo anklebst und jemand ruft zu dir rüber: „Du bist ein Klimakleber-Terrorist“ müsste man jetzt erst mal fragen, ob die Bezeichnung als Terrorist eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil ist - und das ist tatsächlich etwas tricky, weil man hier beide Richtungen gut argumentieren kann. Also auch wenn wir davon ausgehen, dass es klare Definitionen von Terror gibt (was man schon bestreiten kann) und z.B. an der Bildung einer terroristischen Vereinigung anknüpft, um den Terroristen-Begriff zu definieren, könnten wir zu dem klaren Ergebnis kommen, dass es eine falsche Tatsachenbehauptung ist - nach dem Motto „Terrorist ist, wer die in § 129a StGB genannten schweren Straftaten verüben will oder dafür verurteilt wurde - das ist hier nicht der Fall“. Auf der anderen Seite kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Aussage „Klimakleber = Terroristen“ ganz klar als Werturteil gemeint ist - auch derjenige, der so etwas äußert meint das wohl nicht wörtlich, sondern wertend. Auch wer diesen Satz hört versteht ihn eher wertend als wörtlich.

Ich würde daher sagen, dass es sich um ein Werturteil und keine Tatsachenbehauptung handeln. Damit fallen Üble Nachrede und Verleumdung raus, es bleibt die „Beleidigung“ übrig.

Hier stellt sich nun die Frage, ob die Bezeichnung eines Klimaklebers als „Terrorist“ ehrabschneidend ist. Auch das könnte man in beide Seiten argumentieren, es muss die persönliche Ehre des Beleidigten gegen die freie Meinungsäußerung des Beleidigenden abgewogen werden.

Ich persönlich bin nicht dafür, solchen zwar eindeutig überspitzten Werturteilen mit der Ultima Ratio des Strafrechts zu begegnen, ich würde daher eine Beleidigung hier eher nicht annehmen. Wer öffentlich im Rahmen einer Klimakleber-Aktion z.B. einen Stau erzeugt, muss damit rechnen, dass er sich den Unmut von Dritten zuzieht - bis zu einer bestimmten Grenze muss man Unmutsbekundungen hier aushalten können. Die Bezeichnung als Terrorist ist hier zwar total übertrieben, aber erreicht im Hinblick auf die Verletzung der persönlichen Ehre in meinen Augen einfach nicht die Schwelle, die für eine Beleidigung nötig ist. Anders sähe es bei typischen Beleidigungen oder gar Handgreiflichkeiten aus, diese Form der Unmutsbekundung muss natürlich nicht hingenommen werden - ein „überspitztes Werturteil“ hingegen schon.

Und bevor jetzt wieder alle auf die Barrikaden gehen bitte ich darum, zu bedenken, welche Folgen es hätte, hier schon eine Beleidigung anzunehmen. In diesem Fall würde man aus fast allem, was eine typische linke Gegendemonstration z.B. einem rechen Aufmarsch entgegenruft, auch als Beleidigung erfassen (z.B. „Nazi!“-Rufe).

Ich berücksichtige daher hier, dass Demonstrationen als Ort der politischen Meinungsäußerung ein klassischer Ort sind, an dem überspitzte, mitunter durchaus ehrverletzende, Sachen gesagt werden. Die Meinungsfreiheit, zu der auch überspitzte Äußerungen gehört, hat hier einfach ein höheres Gewicht - und zwar für Demonstrierende ebenso wie für diejenigen, die die Demonstration von Außen kommentieren.

Aber wie gesagt, man kann hier mit einer anderen Argumentation auch zu einem ganz anderen Ergebnis kommen.

1 „Gefällt mir“

Kollektivbeleidigungen sind etwas kompliziert. Ganz grob gilt: entweder muss das Kollektiv als solches eine verletzbare Ehre haben, oder es handelt sich um eine verstecke Beldigung eines bestimmbaren Individuums des Kollektivs.
Das Kollektiv als solches kann man nur beleidigen, wenn dieses eine einheitliche Willensbildung vornimmt. Das ist bei der Polizei z.B. nicht der Fall (vgl. „ACAB“ T-Shirt, OLG Nürnberg, 01.10.2012 - 1 St OLG Ss 211/12).
Hier ist wohl schon schwierig wer mit „Klimakleber“ gemeint sein soll. Es gibt zwar bisher vor Allem ein Kollektiv, das solche Aktionen durchführt, aber ganz übersichtlich scheint mir das nicht zu sein. Es wird weniger an Personen, als an eine Handlung angeknüft. Die dazu auch noch rechtlich und politisch sehr heikel bewertet wird. Daher muss man wohl im Rahmen grundrechtskonformer Auslegung (Art. 5 des Täters) von einer straflosen Kollektivbeleidung ausgehen, wenn überhaupt die „Klimakleber“ einen tauglichen Adressaten darstellen.

Vielen Dank für die ausführliche und interessante Antwort. Leider kann ich das nachvollziehen und meine Hoffnung auf gemäßigtere Töne der Konservativen sind nun etwas geschmälert. Unfassbar, m.M.n…

Nur diesem Vergleich kann ich nicht allzu viel abgewinnen:
Die „Klimakleber“ haben doch hoffentlich auch juristisch einen sehr viel größeren Abstand zu Terroristen, als Teilnehmer rechter Aufmärsche zu Nazis.
In sofern sollte die Beleidigung auch ein ganz anderes Gewicht Gewicht haben.

Naja, aber ich verstehe die „Message“.

Nochmals vielen Dank.