Ich glaube, das ist autoritäres Gehabe und Rache.
Ich glaube, die Kirchen haben noch einen (kleinen) Kreditrahmen bei der Union. Immerhin wurde bis Anfang der 90er noch von den Kanzlen gemahnt, nach dem Hochamt bloß nicht die gottlosen Atheisten und Kommunisten zu wählen, sondern die Union.
Ich frage mich, wann den Demokraten eigentlich dämmert, was die Konservativen über die Jahre treiben: Rechtsextremistische Parteien verbieten? Ne, das kann man nicht machen, die armen Wähler wissen sonst nicht wohin.
Dann werden die wenigstens von den Demokraten auf keinen Fall als Mittel der Interessendurchsetzung genutzt, weil das der Demokratie schadet, ok? Naja, schaden täte das schon, aber manchmal wollen wir halt Sachen wirklich wirklich gern und wenn es dafür keine demokratische Mehrheit gibt…
Okok, das genau dafür gedachte Verbotsverfahren lassen wir lieber, politische Isolation ist auch nicht genehm. Dann aber doch Zivilcourage und Prävention gegen Rechtsextremismus? Naja, ok, aber nur, bis wir selber wegen typisch rechtsextremer Forderungen, Formulierungen und politischen Maßnahmen von denen kritisiert werden. Ein bisschen Ablehnung von Rechtsstaat und Gewaltenteilung, ab und zu rassistische Lügen, etwas exzessives Vorgehen gegen konkurrierende politische Meinungen gehört für uns einfach zum Konservativismus dazu.
Kann es vielleicht sein, dass die Union im Kampf gegen Rechtsextremismus allmählich mehr Teil des Problems als der Lösung geworden ist?
Nicht wirklich, aber der Reihe nach, denn die Argumentation ja ist schon recht perfide.
Erstens unterstellen ja sowohl die Union als auch die AfD in ihren Anfragen, dass staatliche Gelder in die Organisation von Protesten flossen, die eindeutig als parteipolitische Positionierung und damit als Beeinflussung der Wahl anzusehen sind. Wäre das so, wäre es tatsächlich problematisch, weil zum Beispiel Politiker in öffentlichen Ämtern deren Gelder auch nicht für parteipolitische Zwecke (Wahlkampf) ausgeben dürfen. Die spannende Frage ist aber: Sind Proteste „für Demokratie und Vielfalt“ oder „gegen Extremismus“ überhaupt als eine solche parteipolitische Positionierung anzusehen, nur weil sie sich gegen bestimmte Parteien wenden? Da bellen m. E. die getroffenen Hunde (AfD und Union) sehr laut, ohne wirklich einen Punkt zu haben. Um so mehr, wenn man sich anschaut, dass ein Großteil der Mittel aus dem Förderprogramm „Demokratie Leben!“ explizit für sogenannte „Partnerschaften für Demokratie“ bewilligt wurde. Dessen Ziel lautet:
In ganz Deutschland werden Städte, Gemeinden und Landkreise dabei unterstützt, im Rahmen von lokalen Partnerschaften für Demokratie Handlungskonzepte zur Förderung von Demokratie und Vielfalt und gegen Extremismus zu entwickeln und umzusetzen. [Quelle]
Selbst wenn man diese erste Frage im Sinne von Union und AfD beantworten könnte, bliebe zweitens die Frage, welche Gelder für was überhaupt wie an die genannten Organisationen flossen und was diese konkret mit den Protesten zu tun hatten. Dazu lohnt es sich, ein wenig die Arbeitsweise entsprechener Organisationen anzuschauen. Viele davon finanzieren sich hauptsächlich über sogenannte Projekte. Man schreibt einen Antrag, meist nach bestimmten Vorgaben für eine bestimmte Förderlinie und erhält dann Personal- und Sachmittel, die genau auf die Bewältigung dieses Projekts zugeschnitten sind. Wenn es gut läuft, fällt auch noch ein Teil der Mittel (und der bezahlten Arbeitszeit) für andere Projekte oder die allgemeine Arbeit der Organisation ab. Aber ohne einen riesigen Berg unbezahlter, also letztlich ehrenamtlicher Arbeit würde in diesen Organisationen nicht viel laufen. Eine de facto 40-Stunden-Woche mit einem Vertrag über 25 Stunden ist in diesem Bereich nicht selten. Und wer jemals eine Demo mit 5.000 Teilnehmenden organisiert hat, weiß, dass man das nicht mal eben nebenbei macht. Das sind locker ein paar Tage Arbeitszeit. Dazu muss man sich die Höhe der Zahlungen anschauen. Bei den „Omas gegen Rechts“ sind es insgesamt gut 23.000 Euro für einen Zeitraum von über 2 Jahren [Quelle]: Das sind nicht mal 1.000 Euro (brutto) pro Monat - und das bundesweit! Das macht die Behauptung von Union und AfD, dass die Proteste quasi von Mitteln diverser Ministerien bezahlt wurden, nicht sehr stichhaltig.
Es entspricht also der Realität, dass Omas gegen Rechts öffentliche Mittel erhalten haben. Es entbehrt aber jeder Logik anzunehmen, dass damit irgendeine maßgebliche Arbeit finanziert wurde und es ist fraglich, ob
Mal ganz von der unnötigen Größe und Umfang der Fragen, die mehr nach Arbeitsbeschaffung aussehen, abgesehen:
Warum genau ist die Anfrage ein Problem?
Wenn rauskommt, dass alle i.O. gearbeitet haben oder man keine Nachweise für eine parteipolitische Tendenz findet, dann ist das doch eher ein Eigentor für die Union.
Es ist einfach das alte Prinzip: Mit ganz viel Dreck um sich werfen, in der Hoffnung, dass irgendwas hängenbleibt. Das fällt fast nie auf den Werfenden zurück. Und in diesem Fall ist der Dreck, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, die zum großen Teil enorm wichtige Arbeit für die Gesellschaft leisten - und dafür m. E. anständig finanziert werden sollten und nicht nur prekär über Projektmittel - pauschal verdächtigt werden, aussschließlich bestimmte partikulare politische Interessen zu vertreten.
Das Problem ist, dass das Ergebnis und die Aufarbeitung egal sind. Es verfängt immer das Negative und es sät Zweifel, Misstrauen und Verwirrung. Es dient rein der politischen Agenda und diskreditiert die Angeklagten, da es jetzt medial gut betreut ist und später an Schwung verliert, wenn die Ergebnisse da sind.
Beispiel:
Die finale Aufarbeitung des UA und das Ergebnis interessiert keinen mehr. Der initiale Aufschrei war aber umso größer und hat das Volk beschäftigt und aufgebracht.
In meinen Augen werden sie nicht pauschal verdächtigt, sondern es wird einfach nur so gefragt, ob es evtl. Anhaltspunkte dafür gibt. Das ist eigentlich bei vielen kleinen Anfragen so.
Außerdem finde ich, dass eine kleine Anfrage mit diesen Fragen nicht „an autoritäre Staaten“ erinnert, wie Clara Bünger von den Linken oder auch nicht an Methoden von Viktor Orban und „anderen autoritären Regierungen, die den Raum der Zivilgesellschaft einschränken“ erinnert, wie Sven Giegold von den Grünen sagt. Das ist in meinen Augen etwas übertrieben.
Naja, aber sowohl der U-Ausschuss oder die Frage, ob der Atomausstieg nicht ergebnisoffen kamen meiner Wahrnehmung nach nicht im Wahlkampf vor. Also ist ja eher nichts davon hängen geblieben.
Die Union übernimmt hier das Playbook von Rechtsaußen (sinngemäßes Zitat von Arne Semsrott, Autor von „Machtübernahme“, einem ausgesprochen guten Ratgeber für die Handlungsmöglichkeiten in einem autoritären Staat. Die Vorhersagen in Semsrotts Buch sind zu einem guten Teil bereits eingetreten)
Hier sein aktueller Artikel:
Die Gefahr ist groß. Dass die Zivilgesellschaft politisch neutral sein müsse, sei eine Lüge. An vielen Stellen werden zivilgesellschaftliche Strukturen bereits heftig attackiert (Kürzungsorgie in Berlin, Kürzungen in Sachsen, Kürzungsabsicht in Bayern und jetzt eben diese „kleine Anfrage“)
Der Union geht es um rechten Kulturkampf, nicht um Fakten.
Ich war als Wahlkämpfer diesen Winter stundenlang auf der Straße und habe viel diskutiert. Der Atomausstieg war und ist immernoch Thema.
„Ideologisches Thema der Grünen die sich unbegründet weigern“.
Wenn man will, kann man Kleine Anfragen natürlich auf den formalen Aspekt der Frage reduzieren. Allerdings sind Fragen nicht per se neutral oder offen, auch mit ihnen kann ich in eine bestimmte Richtung lenken, etwas suggerieren oder eben einen Verdacht streuen. Und genau das passiert hier. Man kann m. E. politische Diskurse nicht angemessen analysieren, wenn man diese Bedeutungsebene jenseits des Formalen nicht berücksichtigt.
Auch dazu ist der Kontext wichtig. Die AfD überzieht seit Jahren Ministerien und Behörden in Bund und Ländern mit solchen Anfragen und bindet dadurch nicht nur sehr viele Ressourcen, sondern nutzt die aus den Antworten gewonnenen Daten nachweislich auch, um beispielsweise zivilgesellschaftlich engagierte Personen zu diffamieren oder einzuschüchtern. Und wie sie entsprechende Informationen nutzen würde, wenn sie irgendwo an der Regierung sind, kann man sich ausmalen. Und genau ins selbe Horn stößt jetzt mit ihrer Anfrage die Union. Just in dem Moment, in dem sie kurz davor ist, die Regierung zu übernehmen, möchte sie von der Vorgängerregierung Informationen über Menschen und Organisationen, die an Protesten gegen sie beteiligt waren. Ein demokratischer Umgang wäre es, sich auf die inhaltliche Kritik der Demonstrierenden einzulassen und darüber zu diskutieren, aber nicht in der rhetorischen Form einer Anfrage indirekt damit zu drohen, zivilgesellschaftlichen Organisationen den Geldhahn zuzudrehen, wenn sie die (zukünftige) Regierung kritisieren.
Vor allem fließen ja die Projektmittel direkt in die Kosten für Aktionen (Drucksachen, Veranstaltungstechnik etc.), die Arbeit selbst ist ganz überwiegend ehrenamtlich.
Ich weiß nicht, wie intensiv du dich mit dem Weg beschäftigt hast, den die Regulierung von NGOs in ehenals mehr oder weniger demokratischen Staaten im Rahmen eines autoritären Umbaus genommen hat. Mit ziemlich gleichen bis ähnlichen Argumenten wurde dort jedenfalls auch gearbeitet. Die Anfrage ist für sich genommen nicht der Untergang. Sie ist aber ein Puzzleteil, dass sich in das Bild einer immer rechts-autoritärer sprechenden und handelnden Union nahtlos einfügt. Gerichte haben gefälligst zu spuren, damit wir rechtswidrig agieren können. NGOs die gegen Rechtsextremisten kämpfen sollen uns gefälligst nicht zuhören und öffentlich darauf hinweisen, dass sie unsere Texte und Melodien schon kennen, Kirchen sollten sich mal klar machen, wer sie bezahlt, bevor sie übertrieben chrstliche Forderungen stellen etc.
Dieser Aspekt ist mir bewusst. Das trifft aber auf so gut wie alle kleinen Anfragen zu.
Dort werden immer Sachen suggeriert. Hier ist es eben, dass , sich manche NGOs nicht gesellschaftspolitisch im Rahmen ihres Satzungszwecks äußern oder sie parteipolitisch agieren.
Da ist meine Wahrnehmung eine völlig andere. Sie drohen nicht mit dem Entzug von Geld, außer es gibt stichhaltige Anhaltspunkte analog zu attac.
Und zur Klarstellung:
Ich finde die Anfrage auch unnötig und vor allem den kommenden Koa-Verhandlungen nicht förderlich. Ich will hier nur mal eine andere Sichtweise auf diese Anfrage geben, weil im Thread alle derselben Meinung waren
Wie schon im Thread Totalitäre Tendenzen bei Union wachsen und Kampagne gegen NGO … beschrieben, gab es die Diskussion – damals von der AfD angestoßen – schon einmal im Zusammenhang mit kulturellen Vereinen; die Argumentation pro Neutralität lautete dann:
„(Es) besteht kein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot staatlich finanzierter Einrichtungen, wenn die Verteidigung verfassungsrechtlicher Grundfreiheiten Gegenstand der Aktivitäten ist.“
In meinen Augen ist das genauso wenig „einfach nur so gefragt“ wie es z.B. auch eine Verdächtigung enthielt, als die CDU nach den Vornamen von Tatverdächtigen fragte.
Das würde ich bestreiten. Es gibt auch zahlreiche Anfragen, die schlicht darauf abzielen, der Regierung bestimmte Informationen zu entlocken, die sie sonst nicht rausrückt.
Ja und genau dagegen richtet sich die Kritik. Warum stellst du das dann infrage, wenn du es selber so siehst?
Offen drohen sie nicht, aber die Wirkung einer solchen Anfrage durch die künftige Regierung ist natürlich eindeutig.
Hier sind ja schon zahlreiche Beispiele von NGO’s genannt worden, die inhaltlich genauso betroffen wären, aber halt tendenziell eher auf der rechten Seite stehen.
Konsequenterweise könnte jetzt doch die Linke die Anfrage kopieren und die alle mit drauf schreiben.
die eben Dinge suggerieren. Vielleicht war mein „so gut wie alle“ übertrieben, aber kleine Anfragen, die etwas insinuieren, findet man ohne Probleme.
Die Frage, ob manche NGOs nicht gesellschaftspolitisch im Rahmen ihres Satzungszwecks äußern oder sie parteipolitisch agieren, ist aber kein Angriff auf die Demokratie oder die NGOs. Weil sofern die Frage verneint werden kann, keinerlei Konsequenz droht.