Kirchen- und Arbeitsrecht, Sonderrechte kirchlicher Wohlfahrtsverbände

Damit hast du im Grunde recht. Der Ursprung dieser Sonderreglen sind aber eben die beiden großen christilichen Kirchen.

Und falls mal eine öffentliche Diskussion darum entstehen sollte, dass Diakonie und Caritias nicht mehr unter das Kirchenarbeitsrecht fallen sollten, bin ich mir sehr sicher, das ev. und kath. Kirche sich entschieden dagegen stellen werden.

Hinzu kommt, dass die Betriebe der Diakonie und Caritas den bei Weitem größten Teil der Menschen ausmachen, die unter das „Kirchenarbeitsrecht“ fallen. Nur sehr wenige der davon Betroffenen sind scheinbar direkt bei den beiden Kirchen angestellt.
Und wie du selbst sagst:

Ich finde da ist es schon berechtig, sich zu überlegen, ob die Anwendung des Kirchenarbeitsrechts auf die Wohlfahrtsverbände wirklich sinnvoll und notwendig ist.

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Das stimmt so nicht ganz. Zumindest was Kitas betrifft. Meine Kirchengemeinde ist Träger von zwei Kitas. Die Erzieher*innen sind (meines Wissens) bei der Kirche angestellt. In jedem Fall sind die Pfarrer für die Kitas verantwortlich und bei Mitarbeiterbesprechungen etc. dabei. Die Kita-Ltg muss ihnen berichten. Sämtliche Kita-relevanten Entscheidungen laufen über den Kirchenvorstand, deren Vorsitz i.d.R. der Pfarrer hat.

Um zu deinem Ausgangspost zu kommen: Dein Punkt ist ja, dass man kaum einen Job außerhalb der Kirchen/kirchlichen Wohlfahrtsverbände findet und deswegen gezwungen ist, in der Kirche zu bleiben oder überhaupt erst einzutreten (wie bei einer konfessionslosen Freundin, die Lehrerin an einer katholischen Schule wurde). Damit ist eigentlich niemandem geholfen. Wer nur auf dem Papier dabei ist, trägt ja nun auch „inhaltlich“ nichts bei.

Idealerweise wäre es doch so, dass man sich aussuchen kann, ob man bspw. das eigene Kind in eine christliche oder staatliche Kita schickt. Wenn ich mich bewusst für eine christliche Kita entscheide, dann möchte ich auch, dass dort christliche Werte gelebt und vertreten werden (zumindest in den Grundzügen). Entsprechend wäre es auch vertretbar, wenn die Religion bei der Einstellung eine Rolle spielt.

Die Realität ist aber so, dass ich mir Kita und Schule kaum, Krankenhaus gar nicht aussuchen kann. Und die dort Angestellten, wie du schreibst, haben auch wenig Wahlfreiheit. Und deswegen funktioniert das System irgendwie nicht. Statt der Abschaffung der Sonderrolle der Kirchen, wäre es vielleicht besser für mehr Wahlfreiheit einzutreten. Wie du schreibst, der Markt würde das Problem lösen und jede*r könnte da arbeiten und hingehen, wo er/sie sich wohl fühlt. Der Staat müsste dafür wieder mehr selber übernehmen (operativ, nicht nur finanziell). Für den ist es aber sehr bequem, dass die Kirchen das machen und deren Lobbyarbeit funktioniert gut. Die propagieren wunderbar, dass alles zusammenbrechen würde, wenn es sie nicht gebe.

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Danke für die vielen Interessanten Aspekte im Thread hier.
Als gerade einmal wieder sehr an der scheußlichen Heuchelei der Religionsgeschwister (haben die Mal überlegt, was glaubwürdige Buße wirklich sein könnte???) übel leidender Leidender aber weiterhin überzeugter evangelischer Christ freue ich mich sehr, wie das Forum hier nicht in ein so bitteres flaches Religionsbashing kippt, sonder ihr hier auch nach freiheitlich orientierten Lösungen im Bereich Arbeitsrecht sucht.

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Die Reichweite des Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften reicht dann nicht ganz so weit. Wie bereits erwähnt, reicht das Selbstbestimmungsrecht so weit, wie es die „allgemeinen Gesetze“ zulassen. Darunter fällt neben dem AGG auch andere arbeitsrechtliche Normen wie die das BGB oder ArbZG. Verfassungsrang hat demnach nur das Selbstbestimmungsrecht. Das kirchliche Arbeitsrecht steht damit auf derselben Stufe wie das „normale“ Arbeitsrecht, da das Arbeitsrecht auch nur eine Konkretisierung der Grundrechte ist.

Etwas anderes gilt für Ihr genanntes Beispiel um die Lohnfestlegungen. Diese sind konkret den Religionsgemeinschaften überlassen - inwieweit sich dies auf bspw. den Mindestlohn auswirkt, das kann ich nicht beantworten. Da das Mindestlohngesetz aber auch ein „allgemeines Gesetz“ ist, würde ich sagen, dass dies auch auf Religionsgemeinschaften anwendbar sein sollte. Die Sittenhaftigkeit von Lohnfestlegungen ist meines Erachtens ebenso Teil der Grenze für das Selbstbestimmungsrecht, wonach die Sittenhaftigkeit zu beachten wäre.

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Wenn man sich die Anzahl der Kirchenaustritte anschaut, würde der Markt das wohl sehr schnell regeln :grinning:

Träger von staatlichen Aufgaben können tatsächlich alle möglichen Institutionen sein. Neben dem Staat selbst gibt es auch private Träger und auch kirchliche Träger wie du sie beschrieben hast. Es gilt das Prinzip der Trägervielfalt und es gilt das Subsidiaritätsprinzip, das heißt der Staat ist sogar explizit bemüht darum, die Aufgaben nicht selbst auszuführen sondern möglichst vielen anderen Trägern zu übertragen.

Ich finde das alles ehrlich gesagt ein tolles System und die arbeitsrechtliche Extrawurst verhindert irgendwie auch die Weiterentwicklung der kirchlichen Wohlfahrtsverbände. Alle anderen Träger haben diese Extrawurst nicht, obwohl sie genau dieselbe Arbeit verrichten.

Ich finde auch nicht, dass Arbeitnehmer in einer sozialen Einrichtung, die von einem kirchlichen Wohlfahrtsverband geführt wird, alle dieselben christlichen Werte haben müssen, denn sie führen zutiefst demokratische und staatliche Aufgaben mithilfe von öffentlichen Geldern aus. Das sollte definitiv neutral zur jeweiligen religiösen Einstellung sein, genau so wie es in jedem anderen öffentlichen Bereich auch. Religion ist Privatsache.

Problematisch sind ja auch nicht Werte wie etwa Nächstenliebe sondern sowas wie Homophobie und konservative Familienplanung. Das sind sehr fragwürdige Werte und wie gesagt, bei jedem anderen Arbeitgeber würden diese Gründe nicht gelten und das ist ja gut so oder?

Man kann das Argument auch weiter spinnen und sich fragen, wie die Positionen aussehen würden, wenn ein Kindergarten der von einem muslimischen Verein geführt wird, Mitarbeiter kündigt, weil sie am Wochenende zuviel Alkohol getrunken haben. Das ist ungefähr vergleichbar mit dem Niveau an Einmischung in mein Privatleben, dass der Arbeitgeber in diesem Bereich hat :sweat_smile:

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Das Mindestlohngesetz gilt definitiv und die Rentenversicherung prüft das genauso penibel wie in anderen Betrieben auch :wink:

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