Kippt die Solarindustrie schon wieder?

Etwas erschrocken hat mich neulich der Aktienkurs von Meyer Burger, ein Schweizer Solarzellen und -modul Hersteller:

Der Kurs hat sich seit dem Sommer gefünftelt und das Unternehmen behauptet in seiner Ad-Hoc Mittelung dazu, dass wir eine „Marktverzerrung in Europa“ hätten, die daran Schuld ist.

Hierzu zwei Zitate aus der Präsentation:

  • European market saw significant oversupply in FY23, driven by a sharp increase in Chinese production capacity and trade restrictions imposed by India and the United States
  • Ensuing price war and dumping practices have created a distorted market in which prices for solar modules are, in some cases, below production costs of European manufacturers

Ich hab das erstmal als Unternehmensversagen abgetan, denn in derselben Präsentation haben sie auch ein klassisch gefaktes (Ursprung der y-Achse passt nicht) Balkendiagramm, in dem sie ihre Verkaufszahlen schlechter darstellen als sie eigentlich sind:

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135 Millionen sind nicht weniger als die Hälfte von 147 Millionen…

Jetzt habe ich aber (leider hinter einer Paywall) gelesen, dass wohl der nächste Solarhersteller, SOLARWATT, gerade umkippt.

Wiederholt sich hier die Geschichte von 2013/2014? Nur, dass es diesmal nicht die gestrichenen Subventionen in Deutschland, sondern eingeführte Subventionen in China sind?

Das Problem in der Solarbranche ist viel grösser. Genau wie das mit den Elektroautos über kurz oder lang unfassbar kritisch wird:

Wir haben über Jahrzehnte unsere Kerntechnologien verlagert und wundern uns jetzt, dass die Chinesen eben nicht mehr nur Billig-Ramsch herstellen. Die Qualität chinesischer Produkte hat sich massiv verbessert und sie haben (im Verhältnis zu den deutschen Autobauern) verstanden, dass nicht Spaltmasse, sondern zugängliche Autos gebraucht werden.

Gleiches war vor 20 Jahren in der Solarenergie das grosse Thema: wir haben es nicht so richtig fördern wollen, obwohl wir Marktführer waren und dann kam halt China und hat es gefördert. Wir könnten heute einen Mammutanteil Solarstrom und eine funktionierende Wirtschaft haben - aber es hat sich halt nicht „gelohnt“.

Mittlerweile ist die Infrastruktur in DE mittelmässig, unsere Internetversorgung ist schlechter als in Rumänien und es wird einfach immer mehr zu einer Lachnummer. Wegen Inflation und hohen Referenzzinsen lohnt sich aktuell auch Bauen nicht mehr so toll wie vorher - Baubranche leidet sowieso entsprechend.

Also sprich: Ja, ich glaube, dass europäische Unternehmen in diversen Branchen wie bspw. der Solarbranche über kurz oder lang massive Probleme haben und es ggf. zu Pleiten kommt. Ein Ende der Spirale ist m. E. so schnell nicht in Sicht. Es hilft nur, dass die Unternehmen sich jetzt über ihre strategischen Erfolgspositionen bewusst werden und konsequent danach handeln.

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Übrigens:
Es gab gerade kürzlich mehrere Fälle, in denen das Schweizer Stimmvolk sich gegen eine alpine Solaranlage ausgesprochen hat - ich weiss nicht, ob das in diesem Fall eine Rolle spielt, scheint mir aber denkbar. Zudem sind viele in der CH immernoch skeptisch und behaupten, dass sich Solarenergie nicht lohnt (mit dem ältesten kommerziell betriebenen AKW der Welt ist es halt schön günstig).

In DE und CH weigert man sich zudem recht konsequent die Pflicht für Solaranlagen bei Neubauten einzuführen. Daher gibt es auch keine langfristige Vision.

Tja, wenn wir alles billig in China kaufen wollen, dann gehen halt in D und EU „unsere“ Jobs und Firmen kaputt.

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Die alpinen Solaranlagen scheinen aber auch keine No-Brainer zu sein. In diesem NZZ Artikel werden verschiedene Punkte diskutiert:

  • Vorteil dieser Solaranlagen ist, dass sie auch im Winter produzieren, weil sie über dem Wetter liegen.
  • Die angrenzenden Kommunen werden am Gewinn beteiligt.
  • Umweltverbände protestieren aber massiv und mobilisieren das Wahlvolk.
  • Die Förderung des (Schweizer) Bundes für alpine Solaranlagen läuft 2025 aus.
  • Die Kosten für alpine Solarenergie sind trotz Förderung etwa 4 mal höher als auf einem Hausdach.
  • Es fehlen Teile zur Fertigstellung. Teils werden unterdimensionierte Komponenten verbaut, um die Förderung abzurufen, in dem Wissen, dass diese in Zukunft getauscht werden müssen.
  • Einige alpine Solaranlagen können noch nicht die volle Leistung liefern, weil das Schweizer Stromnetz noch nicht dementsprechend ausgebaut ist. Eine Ertüchtigung der Leitungen kann bis 2030 dauern.

Ich wüsste nicht, wo ich das behauptet hätte.

Siehe meinen vorherigen Kommentar, das wäre auch mein Wunsch. Mir ging es konkret darum, dass sich der Wert einer Aktie von einem Schweizer Solarunternehmen ggf. bei Verlust eines solchen Grossprojekts durchaus reduzieren kann - dass dies Spekulation war hatte ich deutlich erwähnt:

Der Punkt ist, dass diese politischen Entscheide des Stimmvolks durchaus den Stand der Branche und damit das Vertrauen in die einzelnen Unternehmen verändern kann.

Das sinnvollste wäre natürlich, europäische Solaranlagen massiv zu fördern und zwar für Menschen aus dem unteren Einkommen und ohne Vermögen. Dies hätte 2 positive Effekte. Zum einen würde natürlich die Solarindustrie in Europa gepusht, zum anderen würde man indirekt eine soziale Entlastung schaffen, da durch die eigenen Solaranlagen mit idealerweise Speicher auch die Energiekosten massiv sinken. Wird natürlich nicht kommen, da diese Regierung sehr einseitig handelt was das Vermögen und die Einkommen angeht und die nächste da wahrscheinlich noch schlimmer wird. Aber sinnvoll wäre so etwas auf jeden Fall.

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Nur müsste diese Förderung sehr hoch sein. Sonst läge man ja inkl. Förderung noch immer bei höheren Kosten gegenüber Produkten aus asiatischer Fertigung. Da aber die Leute mit den unteren Einkommen wohl sehr viel seltener Eigenheime besitzen würde das auch gar nicht so viel bringen. Weder was die Stabilisierung einheimischer Produkte angeht noch was den Ausbau angeht.

Ich sehe den Hebel eher darin zu schauen warum die hiesigen Produkte so viel teurer sind und was man dagegen tun kann. Lohnkosten spielen ja eher eine kleinere Rolle bei der Fertigung und es entfällt ein langer Transportweg.

Es gibt aber eben auch Menschen mit Eigenheim, die trotzdem nicht vermögend sind. Die nimmt man also schon mal mit. Für Menschen ohne finanzierte Immobilien könnte der Staat zumindest leistungsstarke Balkonkraftwerke mit Speicher finanzieren. Und wenn man bei Förderungen diesmal die Menschen ausspart, die keine Förderung brauchen , ist das ganze mit Sicherheit machbar wenn man nur will. Man in jedem Fall mehr Sinn als eine Intelfabrik oder die Förderung für Vermögende von Wissing in meinen Augen.

Ich stelle ja nicht in Frage, dass es die auch gibt. Ich sage nur, dass dies den Effekt den eine solche Förderung hätte stark limitiert.

Mein Hauptargument ist aber eher, dass die Kosten für Module aus Fernost so viel geringer sind als für die aus hiesiger Produktion, dass eine solche Förderung sehr groß sein müsste um wirklich zu einer Entscheidung zugunsten der hiesigen Anbieter zu führen.
Bei uns scheint es aktuell auch so, dass die hiesigen Module eher von Firmen angeboten werden die insgesamt ein höheres Preisniveau haben (also auch für Montage etc.). Ob das generell so ist kann ich aus den paar Angeboten die ich habe nicht ableiten, aber es wäre naheliegend, da natürlich die Kunden die bereit sind für solche Module bei sonst vergleichbarer Qualität mehr zu zahlen auch sonst oft nicht auf den Euro hin oder her schauen.

Der Vergleich mit der Chipfabrik erschließt sich mir aber auch nicht. Bei der geht es ja auch maßgeblich darum Abhängigkeiten abzubauen. Und da sollte man die eine Branche bei der man Abhängig von Lieferanten aus Fernost ist nicht gegen eine andere Branche wo es so ist ausspielen.

Leider ist die Intelfabrik fragwürdig. Intel ist ein Unternehmen, dass er abgehängter wirkt. Außerdem produziert diese Fabrik Chips für Apple. Wo soll uns das helfen, wenn wir indirekt Apple die Chips subventionieren?

Wenn man solche Fabriken bei uns hat, dann hat man auch Leute die sich mit der Technologie der Produktion auskennen hier.

Ich möchte die Subventionen nicht unbedingt in der Form wie es gelaufen ist befürworten, dazu habe ich mich zu wenig mit dem Fall beschäftigt, ich halte es aber sowohl bei Chipfabriken als auch in der Solarindustrie durchaus für sinnvoll das Wissen über Technologie und Produktion nicht komplett im Ausland zu belassen.

Wohin das führt sieht man beim Thema Akkus wo es schwer bis unmöglich wird sowas hier überhaupt auf die Füße zu stellen.

Sehe ich auch so.

Habe keine Zahlen zur Hand, daher ad hoc nur meine abstrakten Gedanken dazu:
Was ich nicht glaube, ist, dass man in der Masse irgendwie an die Produkte aus China, den USA und weiteren heran käme. Dafür sind beide Volkswirtschaften zu groß und die Unterschiede bei machbaren Subventionen und Arbeitskosten zu riesig. Im Ernstfall ist es ja auch so, dass nur der Zubau und Ersatz bei einem Lieferengpass betroffen wären, man also nicht wie bei nicht erneuerbaren Energien sofort kanppere Energie hätte.
Deshalb ist es in der Masse meiner Meinung nach eine sinnvollere Strategie, als Trittbrettfahrer der dortigen Subventionen zu agieren* und eher den schnellen Ausbau der eigenen Energieerzeugungs- und Speicherkapazitäten zu forcieren. Daneben dürfte Deutschland/Europa eher komparative Kostenvorteile bei bestimmten Hightech-Produkten oder Nischen haben (über alpine Solaranlagen wurde schon gesprochen), auch Recycling würde ich in diese Kategorie zählen. Aus meiner Sicht ist öffentliches Geld dabei tendenziell am besten in Bildung, Forschung & Entwicklung sowie Infrastrukturen aufgehoben, Industrieförderung eher nachrangig und sehr kontextabhängig.
Vorübergehende Härten abzufedern, könnte ggf. lohnenswert sein, um den Verlust von Strukturen zu verhindern, die auf absehbare Zeit wieder gebraucht werden.

Und schließlich scheint aus den von dir genannten Gründen sinnvoll, strategische Kapazitäten vorzuhalten, inkl. eines Plans, wie man diese im Notfall hochfahren könnte.

*Beziehe das ausdrücklich nur auf die Solarzellenproduktion, nicht auf Ausbau der Erneuerbaren und Emmissionsreduzierung, da sind die Vorzeichen aber ja auch umgekehrt.

Der CEO von Meyer Burger war am Donnerstag, den 01.02.24 bei Markus Lanz zu Gast (als letzter Redner).

Seine Kernbotschaft ist, dass „die Chinesen“ dank ihrer Subventionen ihre Module für 50% des Materialwertes verkaufen können und seine Firma unter den Bedingungen selbst mit 200 Millionen von der EU in Aussicht gestellter Förderung nicht konkurrenzfähig in der EU produzieren kann.

Er möchte gerne mehr Subventionen aus der EU und lehnt Importzölle ab, weil diese den Ausbau verteuern und dadurch verlangsamen.

Ziel der Chinesischen Politik ist es ein Weltmonopol zu erzeugen und er warnt davor sich bei dieser Technologie (wie damals beim russischen Erdgas) in eine Abhängigkeit zu begeben.

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Ich verstehe sein Argument nicht.

Ziel der Politik sollte es doch sein marktgerechte Preise herzustellen, also in diesem Fall Importzölle auf chinesische Module.

Den verteuerten Ausbau würde man dann mit Subventionen beim Bauträger pushen und mit dem Geld aus den Importzöllen bezahlen.

Sein Vorschlag würde Steuergeld direkt in die Industrie pumpen. Das erklärt vielleicht warum ihm direkte Subventionen lieber sind als Importzölle.

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Und somit auch die Geschäfte im Nicht-EU Ausland finanzieren. Also unnötig. Die Zölle bringen Geld, das andere kostet Geld und könnte auch versickern.

Die Zölle wenn Geld bringen sollen machen aber auch den Ausbau teurer. Wer sich aktuell eine Anlage aufs eigene Dach machen lassen will profitiert enorm vom niedrigen Preisniveau und dennoch amortisiert sich solch eine Anlage gar nicht mal so schnell. Natürlich mit E-Auto welches man am Tag bei Sonne laden kann schneller als jemand der Hauptsächlich nachts Strom verbraucht.

Die Zölle würden bedeuten, dass sich eine PV-Anlage auf dem Eigenheim seltener überhaupt lohnt und bremsen somit auch den Ausbau.

Die Zölle wieder direkt in Subventionen umzuwandeln wäre natürlich ein Weg das ganze etwas anzugleichen ohne das Preisniveau zu sehr anzuheben, wäre aber natürlich auch mit einem deutlich größeren Verwaltungsaufwand verbunden. Dann bringen sie aber auch kein Geld mehr.
Gefahr besteht natürlich zudem, dass dies dann Gegenzölle auf europäische Produkte zur Folge haben könnte.

Ein weiteres Argument gegen Zölle ist, dass sie wohl Gegenmaßnahmen provozieren würden. China könnte dann seinerseits Zölle auf die Ausfuhr von Ausgangsmaterialien für PV-Zellen oder die Wechselrichter in die EU erheben oder sogar limitieren.

Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob China in einem solchen Szenario Deutschland nicht auch bei der WTO verklagen könnte (fairerweise könnte Deutschland das aber auch wenn PV Produkte unter Warenwert exportiert werden). Das mögen aber Juristen beurteilen.

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