Kinder oder Arbeit - ist das künftig die Frage?

Welche Bedeutung hat Arbeit eigentlich in Deutschland? Für die Gesellschaft und den Einzelnen?

Da muss ich mich auch nochmal einklinken weil es mir heute auch auf der Entbindungsstation wieder aufgefallen ist: Gefühlt sind wir die einzigen die nicht in erster Generation Migrationshintergrund haben (meine Frau ist die zweite, ich so halb). Das weckte bei mir nochmal eine andere Perspektive:

Steckt in dem Thema nicht auch ein bisschen Diskriminierung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund? Würde auch so ein bisschen in das Narativ „fleißige Deutsche arbeiten für Sozialleistung der fauelen Migranten“ der Rechten passen. Geld für Kindertagesstätten würde dann in dieser Gedankenwelt ja „den Falschen“ zugute kommen und durch Bildung und Erziehung deren sozialem Aufstieg und Teilhabe ermöglichen. Im Sinne des Neoliberalen Weltbildes können sich dann ja reiche Deutsche aus dem System raus kaufen undder Rest bildet das Reservoir für den Niedriglohn-Sektor?

Uff, das ist jetzt aber sehr kreativ hineininterpretiert und war in keinster Weise Intention dieser Ausgangsfrage.

Es ging tatsächlich nur darum, ob man sich (unabhängig von familiärer Herkunft) heute in der geforderten Leistungsgesellschaft noch die notwendige Zeit nehmen kann, ein Kind in die Welt zu setzen und groß zu ziehen, dabei dann nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.

Ob Kinder ein Karriere-Hinderniss seind oder nicht, darüber finde ich muss man in Deutschland nicht diskutieren, das sind sie!

Ich finde das völlig on-Topic:
Ohne Kariere wirst du ziemlich sicher in der Altersarmut landen. Also hast du zwei Möglichkeiten: Man klotzt rein (ohne Kinder) oder Du hast Kinder die für dich Sorgen können. Die Rechnung die ich aufmachen muss ist:

Bin ich schon jetzt durch Erbe oder Position so gut aufgestellt, dass ich mir Kinder und leisten kann und bezahle das mit einem leichten Knick in der Kariere?
Sollte ich besser auf Kinder verzichten um genug Grinden zu können um im Alter abgesichert zu sein?
Oder: Werde ich trotz allem ackern im Alter auf Kinder angewiesen sein?

Ich denke nicht, dass sich jemand hingesetzt hat und mit dem Plan so ein Dreischichtsystem zu bauen und aufrecht zu erhalten gesagt hat „lass mal Kitas und Schulen so mieß wie möglich machen“ Sondern eher, dass die Folgen eines mießen Bildungssystem billigend in Kauf genommen werden, weil sie den eigenen Vorstellungen eher entgegenkommen.

Nein, da ist sicher nichts geplant oder so.

Mein persönlicher Eindruck:

Seit den späten 90ern beginnend lag der propagierte Fokus immer mehr auf einer „Leistung und Wohlstands-Mentalität“.
Das individuelle Fortkommen und die persönliche Freiheit und Selbstverwirklichung stand plötzlich weit oben.
Gemeinschaftliche Themen waren da eher Kostenfaktoren. So auch Kinderbetreuung und Bildung.
Da war das Credo besonders in den letzten Jahren, wer sich Kinder leisten will, wird schon einen Plan haben wie er das mit der Arbeit unter einen Hut bekommt. Wer gute Bildung will, muss sich das leisten können, oder die Kinder müssen sich halt durchbeißen und Leistung zeigen.
Sicher stecken da auch wahre Aspekte drin, aber gefühlt waren Kinder jetzt Luxusartikel, die man sich leisten können muss.
Wer mehr als zwei Kinder hat muss sich heute schon die Frage anhören ob man nur Leistungen wie Kindergeld abgreifen und nicht mehr arbeiten will.

Das war so meine Wahrnehmung

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Die in der Breite häufig nicht vorhandene Aufklärung und die schlechte Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln bis hin zum Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen dürfte ihr übriges tun.

Und das auch wollen. Unsere Werte und teilweise auch unser Rechtssystem sind darauf ausgerichtet, dass sich Familien gegenseitig stützen. Ein Kind in die Welt zu setzen heißt aber noch lange nicht, dass dieses dich dann im Alter auch unterstützt.

Da passt noch ein anderer Aspekt aus meiner Sicht rein: wenn wir allgemein von „Arbeit“ sprechen wird häufig immernoch hauptsächlich die Erwerbsarbeit gesehen und gemeint. Das führt dann zu den, aus meiner Sicht teilweise absurden, Äußerungen gegen Menschen mit Teilzeitjobs bis hin zu Forderungen, das Recht auf Teilzeit abzuschaffen. Das kommt denke ich aus einem Weltbild, bei dem alle, die nicht vollzeit erwerbstätig sind, in ihrer Freizeit nur Netflix gucken und rumlümmeln. Erziehungs-, Pflege-, Haus-, ehrenamtliche und politische Arbeit, Bildung oder die Gründung einer Existenz fallen dabei irgendwie unter den Tisch.

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Da ist schon was dran. Quasi jede Arbeit, die nicht direkt (!) monetäre Gewinne (und Steuern) generiert, hat bei dieser Sicht erstmal keinen Wert für die beschriebene „Leistungsgesellschaft“.
Das diese oben genannten Arbeiten in der Care-Arbeit, der Pflege, Bildung, Betreuung und vielen anderen Bereichen oft erst Erwerbsarbeit mit direktem „Lohn-/Gehalts-Gewinn“ möglich machen, wird tatsächlich oft „vergessen“ oder ignoriert.
Und tatsächlich höre ich zumindest aus vielen Äußerungen von Politik und Wirtschaft eine solche einseitige Sichtweise heraus. Es gibt auch andere Stimmen, die oft aber mit dem Totschlagargument Kosten abgewürgt werden.

Ja, wir brauchen Leistung und Arbeitswillen, um Produktivität und Gewinne/Erträge zu erzeugen, die allen zugute kommen.
Im Moment scheint aber eher der ganz individuelle Wohlstand Einzelner das Primärziel zu sein.

Wobei sich mir dann auch die Frage stellt: „Was ist eigentlich Wohlstand?“ Den wir anstreben sollen und der so entscheidend ist?

Wäre aber fast ein neues Thema….