Eine sehr interessante Neuigkeit war für mich, dass das BVerfG wohl durchblicken lassen hat, dass die Probe aufs Exempel, nämlich ein AfD-Verbot vors Bundesverfassungsgericht zu bringen, durchaus erfolgversprechend sein könnte.
Selbst wenn das höchste deutsche Gericht fürs Erste nur einige Landesverbände verbieten sollte, wäre schon viel gewonnen. Einen „Persil-Schein“ wird das BVerfG der rechtsextremen AfD ganz sicher nicht ausstellen. selbst wenn es keine der Landesverbände der Partei als aggressiv-kämpferisch gegen die Freiheitlich-demokratische Grundordnung i. e. S. einstufen sollte.
Die jüngsten Ereignisse haben aber an der staatsgefährdenden Ausrichtung von mindestens Teilen der Partei keinen Zweifel gelassen, seien es die Sabotagemanöver des Alterspräsidenten des thüringischen Landtags, die in der Folge Erwähnung fanden, sei es das Halemba-Urteil des Nichtausschlusses trotz „Nazi-Devotionalien und antisemitische[n] Schriften“ (Jüdische Allgemeine) oder der Umsturzplan der ehem. AfD-Bundestagsabgeordneten und Berufsrichterin Malsack-Winkemann, die mehrfach von AfD-MdB im Gefängnis besucht wurde:
Malsack-Winkemann [spricht im Prozess] mit größter Selbstverständlichkeit von einem „Systemwechsel“ und von den dafür „erforderlichen Gewalthandlungen“. Von „Militärgerichten“ und einem großen „Aufräumen“, bis hinunter in die Rathäuser.
Die Indizienlage ist klar genug, dass das BVerfG - Verbot hin oder her - zumindest den verfassungswidrigen Rechtsextremismus wesentlicher Teile der AfD bis in die Führungs- und Funktionärsebene feststellen wird.
Es gibt bei einem Verbotsverfahren also nichts zu verlieren, sondern ausschließlich etwas zu gewinnen.
Ähnlich argumentiert auch Ronen Steinke von der SZ:
Gibt es eigentlich irgendwo eine einigermaßen vollständige Sammlung der Punkte, die der AfD vorgeworfen werden? Das würde ja einen guten Überblick über die Notwendigkeit und Erfolgsaussichten geben.
Schon das erste Verfassungsschutzgutachten von 2018 bietet reichlich Stoff:
Das OVG Münster hat den Verdachts- bzw. Prüffall anhand dieser Indizienlage bestätigt:
In der Urteilsbegründung werden noch mal einige Gründe aufgegriffen.
Zwei Analysen des Deutschen Instituts für Menschenrechte liegt bereits vor:
Dann gibt’s noch:
Im Buch „Angriff auf Deutschland - Die schleichende Machtergreifung der AfD“ von Michael Kraske und Dirk Laabs gibt es ein eigenes Unterkapitel „Terrorverdächtige und extremistische Netzwerke – Die ultrarechten Kader der AfD“. Dort werden an anderer Stelle auch Pro und Kontra eines AfD-Verbots diskutiert.
Es gibt auch noch eine Reihe Gewalttäter in der AfD:
https://afd-verbot.de vom Zentrum der politischen Schönheit bietet jedenfalls eine gute in Kategorien aufgeteilte Sammlung von Aussagen/Aktionen einschließlich Informationen von Aussteiger:innen - finde es einen guten Ausgangspunkt.
Weil es zum Thema passt, würde ich hier auch mal die AfD-Doku von Simon Brückner empfehlen:
Die Doku besteht ausschließlich aus unkommentierten Originalaufnahmen von AfD-Sitzungen, Veranstaltungen, Reisen und Parteitagen. Man sieht insbesondere mit wie viel Kalkül öffentlichen Provokationen und Entgleisungen geplant werden, wie rechtsradikal durchsetzt insbesondere die Junge Alternative ist aber auch wie stark unsoziale, neoliberale Kräfte und Meinungen innerhalb der Partei vertreten sind.
Eine solche liegt auch deshalb nahe, weil ein Blick über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus zeigt, dass sich autokratische Bestrebungen auch und gerade gegen die Verfassungsgerichtsbarkeit als Garantin einer freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung richten können.
da muss man eine Ecke weiter denken. Es geht darum, dass außerhalb unserer Grenzen Beispiele zu finden sind, wo sich autokratische Bestrebungen wirksam gegen VerfassungsgarantInnen wenden.
Dass es in Deutschland autokratische Bestrebungen gibt sagt uns hingegen schon der Verfassungsschutz. Deren zunehmenden Einfluss zeigen uns die Wahlergebnisse.
Wenn man diese Faktoren kombiniert, komme ich zu dem selben Schluss.
Na ja, die Idee zur unkommentierten Dokumentation mag irgendwann mal keine schlechte gewesen sein. Aber letztlich tappt sie in die Falle der Strategie der „Selbstverhrmlosung“, der Medienstrategie der AfD. Einige, wie der für AfD-Verhältnisse sehr gemäßigte Georg Patzderski, einer der Protagonisten der Doku, oder Joana Cotar und Nicolaus Fest sind (längst) ausgetreten (worden), von anderen wiederum hört man nicht den Extremismus, den sie sonst vertreten. Nur drei Beispiele:
Die JA-Funktionärin Anna Leisten, die in der Doku vorkommt, ist eng mit der verfassungsfeindlich rechtsextremistischen Identitären Bewegung verbandelt:
Die Berliner AfD-Funktionärin Kristin Brinker, auch eine Hauptfigur des Films, hat z. B. an Treffen mit Größen der außerparlamentarischen rechtsextremen Szene teilgenommen:
Beim Berliner MdA Gunnar Lindemann reiht sich ein Skandal an den nächsten:
Das ist natürlich nur eine kleine Auswahl von Leuten, die in der Doku vorkommen und dort vergleichsweise harmlos erscheinen. Wohlwollend könnte man formulieren, dass die Dokumentation nicht mehr up to date ist.
Ja, deswegen würde ich den Film auch nicht meinen Schülern empfehlen. Aber wenn man die Akteure und die Partei gut kennt, braucht man den Kommentar nicht, um manche Szenen einschätzen zu können, denke ich. Als große Aufklärung über die AfD aber tatsächlich nicht besonders geeignet, aber das muss ja nicht das Ziel sein. Besonders harmlos war da in meiner Wahrnehmung auch nicht viel.
Ja, aber dann muss man ja fragen: Warum beschäftigt sich das BVerfG damit?
Wenn das BVerfG diese Gefahr in anderen Staaten sieht und sich dazu äußert, tut es das ja nur mit einem klaren Bezug auf seine eigene Jurisdiktion, also Deutschland. Der Verweis darauf, wie es in anderen Staaten dazu kam, dass die Demokratie ausgehöhlt wurde, kann letztlich ja nur als Warnung dienen, dass es in Deutschland auch passieren könnte. Würde das BVerfG diese Gefahr nicht sehen, würde es nicht mit der Verwirklichung dieser Gefahr in anderen Staaten argumentieren.
Bemerkenswert ist noch, dass die Skandale der AfD immer noch wieder getoppt werden. Nach Krah und Bystron dachte man ja schon, das Maximum wäre ausgereizt. Denkste:
Das nennt sich auch Sklaverei.
Zur Demokratiegefährdung sei noch nachgetragen:
„Wenn ein Akteur, der etablierte Normen missachtet, erfolgreich wird, können sich Wähler ebenfalls wohler damit fühlen, diese Normen zu brechen.“ […]
Bei der Bundestagswahl 2017 seien dann Menschen mit radikal-rechten Haltungen verstärkt an die Urnen geströmt – auch in den Nachwahlbefragungen hätten mehr Menschen ihr Wahlverhalten zugegeben; zuvor waren Abweichungen von AfD-Umfragewerten und -Wahlergebnissen an der Tagesordnung. Für Valentim ein Anzeichen, dass es akzeptabel geworden ist, öffentlich radikal-rechte Haltungen zu äußern. „Das deutet an, dass fähige politische Unternehmer, die Bühne mit der stigmatisierten Plattform betreten, in der Lage sind, stille radikal-rechte Präferenzen in der Gesellschaft zu aktivieren“, folgert er.
Eine zentrale neue Erkenntnis, meint der Valentim. Denn dass sich politische Haltungen ändern, sei zwar durchaus denkbar. Aber kaum in dem rasanten Tempo, in dem scharf rechte Parteien in vielen Ländern an Zuspruch zulegten. Valentims Fazit: Schlussendlich sei es ein Wandel der Normen, der Gesellschaften verändere, von einem stabilen Zustand, in dem die radikale Rechte stigmatisiert sei, „zu einem genauso stabilen, neu zu Tage tretenden Gleichgewicht, in dem sie normalisiert und in Wahlen stark ist“. Politologe Reinhard Heinisch taxiert das Potenzial rechtspopulistischer Parteien auf etwa 30 Prozent.
Solche Erwägungen sollten eigentlich auch mit einfließen in die Beurteilung der Gefährlichkeit einer Partei.
Also mit dem Vortragsschnipsel von Michael Klonovsky so ab 47:30 gibt es mindestens 1 Stelle, in der reichlich problematisches Gedankengut geäußert wird („Rangordnung der Kulturen“), auch wenn Klonovsky wohl selbst kein Parteimitglied ist.Auch die Gespräche am Ende des Films auf der Balkanreise finde ich durchaus selbstentlavend.
Sehe ich auch so. Außerdem gibt es ein paar Stellen wo beiläufig erwähnt wird, das viele Mitglieder nicht vor die Kamera wollen bzw. bestimmte Themen nicht angesprochen werden.
Am Extremismus von Schattenmännern wie Klonovsky (dem „Gauland-Flüsterer“) ändert das nichts.
Seine Funktionen in extrem rechten Netzwerken hätte man daher schon herausarbeiten müssen, wie ich finde.
Gareth Joswig hat recht:
In Artikel 21 GG heißt es übrigens:
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.
Auch das „Verhalten ihrer Anhänger“ ist also relevant, nicht ausschließlich das der Partei-Mitglieder. Und dem Wortlaut nach reicht es bereits aus, „die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen“.
Hm. Der Kontext waren ja die von Buschmann übersendeten Gesetzesentwürfe, „die Zahl der Senate, die Zahl der Senatsmitglieder oder die Dauer ihrer Amtszeit in das Grundgesetz“ zu übernehmen. Dann zur Änderung Zweidrittelmehrheit nötig, BVerfG damit resilienter gegenüber etwa Rechtspopulisten.
Die PiS in Polen lieferte ja ein trauriges Beispiel dafür, wie versucht wurde, das Verfassungsgericht zu übernehmen und zu kontrollieren.
Der Kontext liegt für mich klar auf der Hand.
Dass das BVerfG die fdGo und damit sich aktuell bereits durch die AfD bedroht sieht, kann ich aber echt nicht so klar rauslesen.
Vielleicht wäre es doch besser, wenn das BVerfG für ein Parteiverbotsverfahren gar nicht erst auf einen Antrag der Politik warten müsste. Ich seh ja den Gedanken von Checks and Balances - dass ein paar wildgewordene Richter nicht mal eben schnell von sich aus alle Parteien verbieten können - aber wir erleben auch grad, dass sich Parteien nicht „trauen“, aus Angst vor dem Vorwurf, einen politischen Gegner über ein Gericht abservieren zu wollen.
Halbgarer Gedanke: Vielleicht wäre ein Einspruchsrecht hier besser?
Das Problem dabei ist natürlich, dass das Gericht sich dazu von sich aus aus seiner Wohlfühlzone bewegen müsste: Der Neutralität. Wir erwarten von einem Gericht, Neutral zu sein, wenn ein Gericht aber selbst das Verbotsverfahren eröffnet, bewertet es ja schon vor der Beweisaufnahme und dem Urteilsspruch die Situation. Jedes andere Verfahren mit Bezug zur AfD würde in dieser Situation problematisch werden, weil man dem Gericht natürlich vorwerfen würde, auch in diesen Verfahren nicht mehr neutral sein zu können, wenn es aus eigenem Antrieb heraus ein AfD-Verbotsverfahren initiiert hat.
Ich denke, es wäre da sinnvoller, solche Anträge auch für Teile der Exekutive zu ermöglichen, z.B. der Verfassungsschutzbehörden (sowohl im Bund als auch in den Ländern). Klar, da würde es auch immer den Vorwurf der politischen Einmischung geben, aber Thomas Haldewang z.B. ist CDU-Mitglied, während aktuell eine SPD-geführte Bundesregierung weisungsbefugt wäre. Sie würde diese Weisungsbefugnis aber natürlich nicht einsetzen, dann könnte sie auch gleich selbst ein Verbotsverfahren einleiten.
Alternativ könnte man einfach das nötige Quorum im Bundestag für ein Parteiverbot reduzieren, daher: Es reichen schon 25% der Mitglieder des Bundestages, um einen Verbotsantrag einzureichen. Das würde natürlich bedeuten, dass auch die AfD sehr schnell verbotsanträge stellen könnte, wenn sie über 25% kommt (womit sich das BVerfG dann beschäftigen müsste) und möglicherweise hätte in dieser Konstellation auch die Union nach 1990 ein Parteiverbotsverfahren gegen die PDS eingeleitet, ein Prüfverfahren hat sie 1992 ja eingeleitet.
Aktuell scheint das Problem, dass zu wenige Stellen ein Parteiverbot einleiten können. Diese Möglichkeit für zu viele Stellen zu eröffnen hat aber eben auch saftige Nachteile.
Das könnte man sehr einfach verhindern indem man festlegt, dass es 25% sein müssen und Abgeordnete aus mindestens 3 Parteien. Dadurch wären Alleingänge nicht mehr möglich und es gäbe eine Absicherung. Ich habe da ehrlich gesagt nicht nur die AfD im Kopf, auch die Union in Ihrer jetzigen Form könnte sonst so eine lasche Regel nutzen um unliebsame Parteien los zu werden.
Die Krux ist einfach, dass der Antrag aus der Politik kommen muss (Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung) - die sich so immer dem Vorwurf aussetzt, einen politischen Gegner kaltzustellen. Die AfD würde dann auch jahrelang genau diese Karte spielen. “Die wollen Euch Eure Partei, die einzig echte nichtgrüne Opposition und die einzig wahren Demokraten wegnehmen”.
Es ist echt schwer.
Eine gute Alternative wäre hier eine Volksabstimmung (über die wir vielleicht echt generell mal nachdenken sollten - hallo Schweiz).
Dann käme der Impuls aus der Bevölkerung - gegen das Volk kann die AfD nichts vorbringen - das Volk ist sogar ihre Achillesferse, ist ja Teil ihrer Erzählung, dass die AfD das Volk vertritt.
Ja, dann müsste man auch damit rechnen, dass es wegen Verhetzung ein Verbotsverfahren gegen die Grünen gäbe - was aber natürlich im Sande verkaufen würde.
Ich verstehe das Problem nicht. Wenn man zu dem Schluss kommt, die Partei ist verfassunfgsfeindlich und ein Verfahren startet, ist das mMn das ofizielle Ende der politischen Auseinandersetzung mit der Partei. Ab dann ist das eine juristische Frage und im Anschluss eine Frage der sicherheitspolitischen Durchsetzung eines möglichen Verbots. Dass die Wähler und die Partei sich als Opfer fühlen, sollte egal sein. Sehr viele waren vorher Nichtwähler und das war auch gut so. Waa besseres kann man von solchen Leuten politisch nicbt erwarten.
Das haben doch dutzende Wahlergebnisse widerlegt, ohne dass die Lüge deswegen verschwunden wäre, geschweige denn AfD-Wähler:innen davon irgendwie beeindruckt gewesen wären. Das sind keine aufgeklärten Demokraten, sondern Menschen, die mit -oft buchstäblich- aller Gewalt ihre komplett selbstverschuldete Unmündigkeit verteidigen. Kategorien wie Wahrheit, Logik oder Tatsachen spielen für AfD und ihre Wähler keine echte Rolle. Deswegen verfangen auch keinerlei Diskussionen mit denen in der Breite.