Interview mit Frau Dornheim

Lieber Ulf, lieber Philip,

vielen Dank für die tolle LdN 207, die ich wirklich außerordentlich interessant und gut fand! Dabei gab es jedoch aus meiner Perspektive einen Wermutstropfen, nämlich das Interview mit Frau Dornheim. Ich finde es sehr löblich, dass ihr auch noch einmal eine andere Perspektive mit einbringen wolltet, die ihr - logischerweise - nicht haben könnt. Jedoch hat Frau Dornheim in diesem Interview sehr viele durchaus fragwürdige bis zum Teil hanebüchene Dinge erzählt, die ihr leider nicht mehr reflektierend eingeordnet habt, was ich etwas schade fand. Philip hat kurz die merkwürdige Verwendung des Wortes „menschenverachtend“ benannt, ansonsten habt ihr ihre Aussagen aber wenig kommentiert.

Zu behaupten, dass ein verpflichtendes Beratungsangebot und eine Wartezeit von 3 Tagen frauen- und menschenverachtend ist, finde ich schlichtweg ungeheuerlich und entwertet diesen Begriff hinsichtlich der vielen Geschehnisse in der Welt, die dieses Attribut leider zu Recht tragen. Auch hierbei davon zu reden, dass ein verpflichtendes Beratungsangebot in ihre Menschenwürde eingreift, ist einfach nicht tragbar. Durchaus nachvollziehbar ist, dass sie dieses als Belastung empfunden hat, von einer Verletzung der Würde des Menschen zu reden, ist allerdings abstrus.

Generell waren ihre Aussagen aus philosophischer Perspektive größtenteils einfach nicht haltbar und hatten sehr ideologischen Charakter. Es ist eben nicht so - wie sie behauptet - dass die Ansprüche der Mutter stets über den Ansprüchen des ungeborenen Kindes stehen. In der Ethik geht es in jeglichen Bereichen immer darum Ansprüche zueinander in Beziehung zu setzen und abzuwägen. Damit zu argumentieren (und es als Faktum hinzustellen), dass das ungeborene Kind noch kein wirkliches Leben sei, da es „in ihr drin ist“ und nicht alleine überlebensfähig ist, ist gleichermaßen abstrus. Egal welche Position man bezüglich Abtreibung vertritt, muss man anerkennen, dass es für beide Seiten durchaus nachvollziehbare Argumente gibt, so auch für die Position, dass es sich schon um Leben handelt. Das Frau Dornheim ihre Aussage damit begründet, dass das Wesen ja noch nicht überlebensfähig und auf den Körper der Mutter angewiesen sei, ist wiederum schlichtweg dumm. Dieses Argument könnte man auch gegenüber einem 2 Monate alten Kind bringen, dieses ist auch noch nicht alleine überlebensfähig und auf den Körper der Mutter angewiesen.

Ich hätte mir an dieser Stelle gewünscht, dass ihr auch hier das Interview kritischer einordnet, wie ihr es im Normalfall tut und dies nicht vernachlässigt, nur weil es dieses Mal zur Abwechslung eine liberale Stimme ist, die sehr laut schreit. Frau Dornheim hat viele Dinge als Fakten hingestellt, die einfach keine Fakten sind und Argumente angeführt, die so nicht haltbar sind. Ich möchte zum Schluss noch klarstellen: Ich bin kein Gegner von Abtreibung und auch kein Gegner der Grünen, sondern vielmehr Grünen-Mitglied und liberal denkender Mensch, allerdings war m. E. in diesem Interview einfach sehr viel verkehrt, was einer Einordnung bedurft hätte.

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Hallo zusammen,
erst einmal auch von mir herzlichen Dank für die Mühe, die ihr in Euren Podcast investiert! Ich höre ihn seit einigen Monaten regelmäßig und mit großen Gewinn. Ihr informiert in aller Regel abgewogen und haltet mit eurer eigenen Bewertung nicht hinter dem Berg, markiert diese aber immer deutlich.

Im Hinblick auf das Interview mit Frau Dornheim in der aktuellen Folge kann mich dem vorherigen Post von Chris allerdings nur anschließen. Sie vertritt hier, so scheint mir, im ethischen Diskurs zujm Thema auch eher eine Randposition - insbesondere, wenn sie ihre Haltung mit dem Argument begründet, nur ein aktives, beziehungsfähiges Leben, wie sie selbst es führt, sei „wirkliches“ Leben und habe darum prinzipiellen Vorrang. Die Rückfragen drängen sich ja auf: Was ist mit Kleinkindern (hat Chris ja schon geschrieben)? Was ist mit denjenigen Menschen, die auf Grund von Behinderung zu einem solchen Leben, wie es Frau Dornheim beschreibt, nicht fähig sind? Was ist mit Dementen, die auf kontinuierliche Pflege angewiesen sind? Alles kein „wirkliches“ Leben und darum nicht schützenswert?

Die Abtreibungsdebatte ist, darauf habt ihr ja hingewiesen, letztendlich sehr komplex, nicht nur in rechtlich Hinsischt sondern auch im Hinblick auf die damit zusammenhängenden ethischen Implikationen (die Frage von Selbstbestimmung und ihren Grenzen, die Frage, wie man menschliches Leben definiert, woran man die Persönlichkeitsrechte knüpft etc.). Auch ich bin kein prinzipieller Abtreibungsgegner und habe viel Verständnis für Menschen, die sich aus ihrer Lebenssituation heraus zu diesem Schritt entschließen (in der Regel steht ja eine wie auch immer geartete existenzielle Not dahinter). Aber eine so einseitige und mit Blick auf die ethischen Implikationen erstaunlich unterkomplexe Position, wie sie Frau Dornheim vertritt, halte ich dann doch für kritikwürdig.
So etwas trägt m.E. im Zweifel eher dazu bei, dass sich die Debatte aufheizt und um die Extreme herum polarisiert. Und das war ja etwas, was euch, wenn ich euch richtig verstanden habe, für den Diskurs in Deutschland Sorgen bereitet und wozu ihr eigentlich nicht beitragen möchtet.

Herzliche Grüße
Tobias

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Ich fand das Interview mit Frau Dornheim sachlich, gut begründet und reflektiert. Ich konnte ihren Argumenten gut folgen und fand sie sehr unideologisch.

Ganz im Gegensatz zu Ihrem Kommentar. Da geht mir der Puls hoch.
Begründen Sie ihre wertenden und vor allem abwertenden Einlassungen und Behauptungen doch mal etwa genauer und nicht mit Worten wie „schlichtweg dumm“, „nicht haltbar“ (Warum denn nicht?) und abstrus. Wo bleibt gute philosophische Begründung Ihrer Kritik, von der Sie ja andeutet, das es die gibt.
Ich vermisse Genauigkeit, Sachlichkeit und Reflexion.

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Ergänzend: Es ist ja auch nicht so, dass die aktuelle Rechtslage den Schutz des ungeborenen Kindes gleichrangig dem Willen der schwangeren Person gegenüberstellt.

Der Schutz des Kindes wird bis Ablauf der Frist durch die Beratungspflicht abgebildet. Nach Beratung entscheidet allein die schwangere Person.

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Lieber Lichtgehauf,

gerne erläutere ich noch etwas mehr, wenn es unklar ist, allerdings habe ich den Eindruck meine Aussagen schon begründet zu haben. Warum ich die eine Stelle der Argumentation für „schlichtweg dumm“ halte, habe ich ja ausgeführt und der Beitrag von Tobias hat dies ja nochmals ergänzt. Dass ein verpflichtendes Beratungsangebot nicht die Menschenwürde verletzt und diese These damit einfach nicht haltbar ist, liegt am Konzept der Menschenwürde an sich. Wenn du dir das noch einmal genauer anschaust, wirst du sehen, dass dies nicht von einem Beratungsangebot verletzt wird :wink:

Also ich mache meine Position gerne noch klarer, aber die beiden Stellen, die du herausgegriffen hast, sind es m. E. schon. Auch deine These, dass sie „sehr unideologisch“ sei, kann ich nur schwer nachvollziehen, da sie ein klar ideologisches Weltbild vertritt. Diese Ideologie kann man jetzt gut oder schlecht finden, das ist eine Diskussion für sich, aber das es sich um ideologische Äußerungen handelt, ist m. E. offensichtlich und ich habe ja einige Beispiele angeführt.

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Das ist interessant, ich bin da gänzlich anderer Meinung und würde den Beitrag von Laura Dornheim weitestgehend unterschreiben. Apropos Meinung, Laura hat ja vor allem ihre Meinung ( und auch eigene Wahrnehmung ) geäußert, diese nun ganz klar in ein philosophisch begründetes Falsch einordnen zu wollen fasst leider ein bisschen zusammen wie Menschen mit Uterus bei diesem Thema oft begegnet wird. Ich habe mich gefreut, dass Philip und Ulf nach der letzten Folge nun diesen O-Ton gebracht haben und damit zu erkennen gegeben haben, dass es sie ernsthaft beschäftigt, dass Menschen mit Uterus sich bei dieser Thematik offenbar in ihrer Integrität eingeschränkt und nicht ernst genommen fühlen.

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Selbstverständlich ist so eine Beratungspflicht eine bewusste Gängelung der betroffenen Personen bis in die tiefste Privatsphäre hinein. Ob sich die Einzelne dadurch nun in ihrer Menschenwürde angegriffen fühlt oder nicht, mag dabei subjektiv unterschiedlich empfunden werden, aber definitiv ist das nicht „schlichtweg dumm“.

Man stelle sich dieses Konzept mal in anderen Kontexten vor, z.B.:
· Du möchtest aus der Kirche austreten, aber vorher schreibt der Staat dir vor, ein Beratungsgespräch mit einem Priester zu führen und deine Entscheidung danach mindestens drei Tage zu bedenken.
· Zwei Menschen möchten heiraten, aber das dürfen sie erst nach einer verpflichtenden Beratung durch einen professionellen Eheberater und drei Tagen Bedenkzeit.

Ich denke schon, dass die Position, dabei handele es sich um eine absolut unangemessene Einmischung in private Angelegenheiten, und es ginge den Staat in keiner Weise irgendetwas an, mit wem man sich im privaten Kreis über solche Entscheidungen (abschließend) berät, vollkommen legitim ist.

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@otzenpunk: Mit deinen Aussagen bestätigst du eigentlich nur das, was ich gesagt habe. Es ist halt ein Unterschied ob etwas eine „Gängelung“ oder „unangemessene Einmischung“ ist oder eine Verletzung der Menschenwürde. Dagegen, dass dies von Betroffenen als Gängelung empfunden werden kann, habe ich auch nichts gesagt und kann auch nachvollziehen, wenn dies so empfunden wird. Eine Verletzung der Menschenwürde ist aber noch substantiell mehr als das. Auch deine beiden Beispiele sind Beispiele für unnötige Restriktionen, aber keine Verletzung der Menschenwürde. Wenn man so einfach mit dem Begriff der Menschenwürde um sich wirft, wird dieser Begriff/dieses Konzept letztlich ausgehöhlt und nichtssagend.

@Hufschmied:

  • Listenelement Bzgl. der eingeschränkten Lebensfähigkeit: Aber warum genau soll der Bezug der Lebensfähigkeit zu einem konkreten anderen Körper eine Relevanz haben bzgl. der Beurteilung, ob es sich im Allgemeinen um Leben handelt? Das spielt doch für die Fragestellung keine relevante Rolle bzw. warum soll es einen Unterschied geben, ob man auf irgendwen anders angewiesen ist oder auf die Mutter? Und deine Anspielung darauf, dass das alles theoretischer Natur ist: Na klar ist es das, was soll es auch sonst sein, wenn man sich mit solchen Fragestellungen beschäftigt?

  • Listenelement Zu deinen Philosophie Äußerungen: Ich weiß nicht, worauf sich dein Philosophiewissen bezieht, aber es wirkt etwas merkwürdig. Natürlich gibt es viele Schulen in der Philosophie, dennoch gibt es auch bei vielen Fragestellungen einen grundlegenden Konsens von dem es dann unterschiedliche Ausdifferenzierungen gibt. Und die Aussagen auf die ich das nicht „philosophisch haltbar“ beziehe, sind genau das (ihre Aussage, dass die Ansprüche der Mutter per se stets über den Ansprüchen des ungeborenen Kindes stehen). Auch bezüglich der Logik gibt es einen weitestgehenden Konsens und aus dieser generiert sich auch meine zweite Aussage, dass ihre Aussage und ihr Argument so nicht zusammenpassen. Wieso du die Verwendung des Wortes „größtenteils“ kritisierst, kann ich nicht nachvollziehen. Ich bin nicht der Ansicht, dass jegliche Aussage bei ihr philosophisch nicht haltbar ist, sondern nur der Großteil ihrer Kernaussagen, welche ich anschließend aufgeführt habe. Man kann durchaus Kritik an Aspekten einer Aussage/Argumentation äußern und sich nicht gleich auf alles beziehen, das wäre ja absurd.

  • Listenelement Zu deinem Punkt der Beleidigung: Ich habe niemals Frau Dornheim als dumm bezeichnet. Ich habe einen spezifischen Aspekt ihrer Argumentation als dumm bezeichnet und dies begründet. Man kann natürlich darüber streiten, ob ich auch dabei besser einen anderen Begriff gewählt hätte, aber das ist nicht der gleiche Sachverhalt und es ist unfair mir dies vorzuwerfen. Auch habe ich mich nicht über polemische Sprache aufgeregt. Ich würde dich bitten, meinen Beitrag auch fair und vernünftig zu lesen. Was mein Geschlecht dabei für eine Rolle spielt, wo es um eine Betrachtung einer Argumentation und Diskussion der Haltbarkeit von Aussagen geht, erschließt sich mir ebenfalls nicht. Gegen ihre persönlichen Erfahrungen und Empfindungen habe ich nie etwas gesagt und das würde ich auch nicht.

  • Listenelement Sonstiges: Warum du jetzt auf den Konstruktivismus verweist und Entrüstung darüber „sämtliche Wertmaßstäbe“ über Bord zu werfen, erschließt sich mir nicht. Einfach nur mit Buzzwords um sich zu werfen und gegen Aussagen zu argumentieren, die ich gar nicht getroffen habe (wo entrüste ich mich über sämtliche Wertmaßstäbe) ist keine gute Art der Argumentation…

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Nein, das kann nicht nur als Gängelung empfunden werden, sondern der tatsächliche Zweck dieser Vorschrift ist die Gängelung von Frauen, damit diese sich am Ende diesem Prozedere vielleicht nicht aussetzen wollen und das Kind dann gegen ihren Willen doch austragen. Und auf dieser Basis kann man dann durchaus argumentieren, dass ein Gesetz, dessen Zweck alleine die Gängelung von Menschen ist, gegen die Menschenwürde ist.

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@Hufschmied Ich bin wirklich immer offen für eine sinnvolle Diskussion, aber du liest per se meine Beiträge nicht richtig, was du über Philosophie schreibst, zeigt, dass du dich damit maximal hobbymäßig beschäftigst und es erweckt für mich den Eindruck, als ob du dies damit zu kompensieren versuchst, mit möglichst vielen komplexen Begriffen um dich zu werfen. Darauf habe ich leider wirklich keine große Lust Zeit zu verwenden und kann sehr gut damit leben, dass wir da anderer Meinung sind.

@otzenpunk Aber du kannst doch nicht ernsthaft behaupten, dass der alleinige (!) Zweck dieses Gesetzes die Gängelung von Frauen ist. Zwecke, wie z. B. Schutz von Leben; Menschen, die vom Umfeld stark gedrängt und beeinflusst werden, eine Reflektionschance zu geben; ein Expertengespräch zu haben, welches auch die späteren psychischen Folgen mit in Betracht zieht, etc. sind nicht Teil des Zwecks dieses Gesetzes?

Ich finde hier den Beitrag von Myriken im anderen Thread hat das auch sehr gut veranschaulicht. Man kann ja durchaus begründet gegen das Beratungsgebot sein, aber, dass der alleinige Zweck die Gängelung ist, scheint mir keine überzeugende Position zu sein.

„Ich, als Frau, muss sagen, dass ich ganz klar für eine Beratungspflicht und vor allem eine Bedenkzeitpflicht bin. Die Beratung mag bei vielen keinen Unterschied machen, aber jede einzelne Frau, die sich nach so einer Beratung doch dafür entscheidet das Kind zu behalten, bedeutet ein Kinderleben mehr. Außerdem gibt es auch viele jüngere Frauen und Mädchen, die eine Abtreibung machen lassen wollen. Mädchen, die vielleicht von Eltern, der Familie oder dem Vater des Kindes stark beeinflusst werden und dazu gedrängt. Gerade für so Situationen sind solche Pflichten gut. Sie entschleunigen das Ganze, sorgen dafür, dass keine übereilten Entscheidungen getroffen werden, von jüngeren Frauen, die vorher vlt. nicht so reflektiert nachdenken und dem Druck von Außen einfach nachgeben. […] Und da geht es ja nicht nur um die dann überlebenden Kinder (auch wenn es nur wenige sind), man stelle sich bitte den Horror und die psychischen Probleme von Frauen, die später realisieren, dass sie übereilt gehandelt haben und sich zu sehr von außen haben drängen lassen…“

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Der von dir zitierte Beitrag ist doch ein christlich-ideologisches Paradebeispiel. Das fängt an mit dem Framing der „überlebenden Kinder“ und leitet dann über zu dem „Horror“ angeblicher psychischer Probleme. Für das damit angesprochene, von fundamentalistischen Abtreibungsgegnern propagierte „Post-Abortion-Syndrom“ gibt es allerdings keinerlei wissenschaftliche Grundlage. „Ein Kinderleben mehr“ um jeden Preis ist das Ziel dieser Leute, was anschließend mit diesen Kindern und deren Müttern passiert, ist ihnen dann allerdings regelmäßig sehr egal.

Der optimale Erfolg der Pflichtberatung scheint für Myriken zu sein, wenn junge Frauen/Mädchen Kinder bekommen, die aus ihrem Umfeld offensichtlich wenig bis keine Unterstützung zu erwarten haben. Am besten gleich Ausbildung/Studium abbrechen und sich zukünftig ganz der Hartz4-Mutterrolle widmen, statt erstmal das eigene Leben zu ordnen und vielleicht später in einer Partnerschaft dann gewollte Kinder zur Welt zu bringen. Sorry, aber bei so etwas wird mir echt übel.

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