Liebe alle,
ich möchte etwas zum Volksentscheid Autofreie Innenstadt in Berlin sagen, das leider zu den bestehenden Kommentaren nicht passt.
Ich bin eigentlich Befürworterin autofreier Städte, kann aber trotzdem die Initiative nicht unterstützen.
Ich lebe außerhalb des S-Bahnrings, was auf jeden Fall meine Position beeinflusst, da ich dadurch konkret bemerke, wie viel schlechter die Infrastruktur (ÖPNV-Ausbau, Versorgung mit Schulen, Kitas, Ärzten, Einkaufsgelegenheiten) wird, je mehr man sich Brandenburg nähert. Da ich schon sowohl in der Innenstadt als auch dichter am Ring gewohnt habe, habe ich den Vergleich.
Der rot-rot-grüne Senat steht durch die Außenbezirke schon ewig in der Kritik, ihre Interessen zu ignorieren und gibt sich m.E. keine Mühe, diesen Vorwurf zu entkräften.
Ausgehend von dieser Situation wage ich mal folgende Spekulation: Angenommen, der Volksentscheid wäre erfolgreich und die Innenstadt würde autofrei. Erst mal würden die Immobilienpreise und damit auch die Mieten dort aufgrund der Wertsteigerung der Lagen, die durch die Verkehrsberuhigung aufgewertet werden, steigen. Mehr Menschen wären gezwungen, die ohnehin für die meisten Berliner:innen kaum noch bezahlbare Innenstadt zu verlassen und müssten in die Außenbezirke oder sogar ins Umland ziehen. Die ÖPNV-Verbindung in diese Bereiche ist heute schon sehr unbefriedigend, so dass viele, die die komfortablen Innenstadtverbindungen gewohnt sind, sich vielleicht erst ein Auto anschaffen würden. Das Problem der Pendlerströme aus Außenbezirken und Umland in Richtung Innenstadt würde also nicht gelöst, sondern durch das erwartbare Mehraufkommen an Autos sogar verschärft. Das dürfte den Innenstadtbewohner:innen und dem Senat dann aber egal sein, weil sich die Blechlawinen ja nicht mehr durch die Innenstadt wälzen werden und zu einem reinen Problem der Außenbezirke werden, wo das Thema politisch so konsequent wie
die letzten 20 Jahre ignoriert werden wird.
Ich glaube, ein konsequenter Ausbau des ÖPNV auch in den Speckgürtel ist eine nachhaltigere Alternative zu dieser Initiative. Nur, wenn es gute Alternativen zum Auto gibt, werden Menschen zum Umsteigen auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel bewegt. Verbote bringen ohne Alternativen nichts, schon gar nicht, wenn sie nur auf ein Gebiet reduziert werden und somit nur zu einer Verlagerung der Verkehrsströme führen. Bei konsequenter Umwidmung der Mittel für den Autoverkehr (inklusive der indirekten Subventionen durch Übernahme der sozialen, gesundheitlichen und Umweltkosten durch die Gemeinschaft) wäre das Ganze auch problemlos finanzierbar.
Wie sehen das andere hier?
Viele Grüße
Julia