Industrieländer wollen Fachkräfte und was bleibt in den Ländern übrig?

Ich würde gern mal ein Thema aufmachen und vielleicht auch durch die LAGE beleuchtet wissen, dass in der Diskussion um Arbeitskräfte aus dem Ausland eigentlich NIE angesprochen wird.
Ja wir und andere Industriestaaten brauchen Arbeitskräfte aller Art auch durch Zuwanderung. Vorrangig buhlen Industrieländer und Länder aus dem arabischen Bereich um hochqualifizierte.

Was aber passiert mit den Ländern aus denen diese Leute kommen? Es gibt sicher Länder wie Indien und China die aufgrund Ihrer hohen Bevölkerungszahlen kein Problem damit haben, aber es gibt Länder denen entweicht so das Fachwissen um selbst voran zu kommen. Etwas überspitzt gesagt ist die Wahrscheinlich nicht gering, dass diese Vorgänge Autoritäre Tendenzen in instabilen Ländern fördert und diejenigen die noch als Bevölkerung übrig bleiben und nicht aus dem Land weg können müssen dann darunter leiden.
Ich kenne leider keine Studien oder Überlegungen dazu. Als einige der Wissenschaftler, Ingenieure und Künstler aus Russland weggegangen, als der Krieg ausbrach wurde über eine derartige Situation kurz berichtet. Das wurde auch nie weiter beleuchtet.
Ich glaube die Folgen unseres (vorrangig Industrieländer) Bedarf hat durchaus negative Folgen für Herkunftsländer. Zumindest auf Lange Sicht.

Ich habe in dem Bereich beruflich und akademisch ein wenig Hintergrund. Ohne jetzt einzelne Studien rauszukramen mal ein paar generelle Erkenntnisse:

Erstmal muss man zwischen den wirtschaftlichen und den politischen Folgen unterscheiden. Wirtschaftlich ist das Urteil ziemlich eindeutig: Die berufliche Tätigkeit von Menschen aus wirtschaftlich schwach entwickelten Ländern in reichen Industrienationen ist so ziemlich das beste, was den Heimatländern passieren kann. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um wenig- und hochqualifizierte Menschen handelt.

Sogenannten „Rücküberweisungen“ machen in vielen Entwicklungsländern einen erheblichen Teil der Wirtschaftsleistung aus (deutlich mehr als Entwicklungshilfe). Diese Gelder werden oft von den Empfängern sinnvoll investiert: Schulbildung und Studium der Kinder, unternehmerische Aktivitäten, Gesundheitsausgaben, Immobilien.

Rein aus Sicht des wirtschaftlichen Effekts wäre es meiner Ansicht nach Sinnvoll, die Entwicklungshilfe (nicht aber die Nothilfe) komplett abzuschaffen und das Geld stattdessen in die Immigration, Integration und Ausbildung von Menschen aus den Empfängerländern zu investieren (allerdings verfolgt Entwicklungshilfe nicht nur wirtschaftliche Ziele, die Debatte ist also komplexer).

Die Frage nach den politischen Effekten lässt sich glaube ich nicht so eindeutig und generell beantworten. Einerseits kann eine gut etablierte, in ihrem Gastland liberal ideologisierte und finanzstarke Diaspora durchaus dazu beitragen, im Heimatland politische Öffnungsprozesse zu stärken. Andererseits kann der Weg ins Ausland auch einfacher sein, als sich mit den Bedingungen im Heimatland kritisch auseinanderzusetzen.

Das lässt sich meiner Ansicht nach nicht pauschal beantworten. Für mich ist das aber auch eher eine akademische Frage, da aus vielen anderen Gründen eine liberale Zuwanderungspolitik absolut sinnvoll für Länder wie Deutschland ist und es jedenfalls keine zwangsläufig negativen politischen Konsequenzen für die Herkunftsländer gibt.

Wenn man die Wahrscheinlichkeit positiver Auswirkungen auf die Heimatländer erhöhen will, gibt es ein paar grundlegende innenpolitische Maßnahmen, die man ergreifen kann:

  • Eine konsequente Willkommenskultur und gesellschaftlich-wirtschaftliche Integration der Zuwanderer, insbesondere in die demokratischen Prozesse der eigenen Gesellschaft.
  • Konsequente Förderung politisch liberaler und demokratischer Elemente der Diaspora.
  • Wertegeleitete Auseinandersetzung mit der Politik des Herkunftslandes.

Die grundlegenden Anstöße für Demokratisierung müssen aber immer aus den Herkunftsländern selbst kommen.

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Vor ein paar Wochen hatte ich dieses Video hier gesehen:

Das gibt zu dem Thema vielleicht auch nochmal etwas interessanten Input

Was aber passiert mit den Ländern aus denen diese Leute kommen?

Die Frage ist dann wohl, wessen Wirtschaft dir wichtiger ist. Unsere oder deren? Deren Wirtschaft ist in diesem Zusammenhang nicht unsere Sorge.

Wir scheinen in unserem Land/in der EU nicht genügend Fach- und Arbeitskräfte zu haben, deshalb müssen wir uns bemühen, sie woanders her zu bekommen. Schaffen wir das nicht, wird hier nicht genug und weniger gearbeitet und geleistet, unsere Wirtschaft wird mindestens nicht wachsen, unser aller Leben wird beschwerlicher werden und mit geringerer wirtschaftlicher Macht stehen uns auch weniger Mittel zur Verfügung anderen Ländern möglicherweise wirklich wirksam (bspw. mit Investitionen) zu helfen.

Deshalb müssen wir attraktiver für ausländische Arbeitskräfte werden und mehr von ihnen dazu bewegen hierher zu kommen.

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Diese Sichtweise setzt voraus, dass es sich um ein Nullsummenspiel handelt.
Gerade in einer exportorientierten Wirtschaft ist die Idee, unsere Wirtschaft profitiert, wenn wir anderen Wirtschaften das Wasser abgraben, ganz offensichtlich nicht bis ans Ende gedacht.

Mir scheint sich hier vermehrt ein kolonialistisch anmutender ausbeuterischer Spin einzuschleichen. Das ist mir schon bei einigen pro-Kinderarbeit Beiträgen aufgefallen.

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Mir scheint sich hier vermehrt ein kolonialistisch anmutender ausbeuterischer Spin einzuschleichen.

Das verstehe ich nicht. Wir wollen andere Länder nicht erobern und Abgaben erzwingen, sondern wir wollen Menschen dazu motivieren, sich zu entscheiden, bei uns einzuwandern. Menschen sollten jedes Recht haben, ihr Land zu verlassen, wenn sie das möchten und wir sollten Menschen, die uns zuwandern und etwas dazu beitragen wollen, aufnehmen. Das hat mit Kolonialismus überhaupt nichts zu tun.

Gut, eine Exportwirtschaft braucht Käufer. Sie braucht aber eben auch selbst Personal, sonst schwächelt sie und exportiert auch weniger. Wo wir wieder am Anfang wären.

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Genau und das kann man kooperativ auf Augenhöhe tun und dabei die Belange der Herkunftsgesellschaften mit einbeziehen oder in einem reinen Nützlichkeitskalkül, bei dem unserem BIP alles untergeordnet wird.

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El Salvador ist ein gutes Beispiel dafür, dass das nicht immer das Beste ist, was einem Land passieren kann. Viele El Salvadorianer sind ins Ausland ausgewandert (vor allem in die USA) und senden jetzt Geld zurück an ihre Heimat und das in einem für das Land nicht zu vernachlässigen Menge. Jetzt ist es so, dass dieses Geld für einige wie so eine Art bedingungsloses Grundeinkommen wirkt. Das heißt ihre Gehaltserwartungen sind relativ hoch, um genau zu sein zu hoch, als dass es der Wirtschaftsleistung des Landes entspricht. Das heißt El Salvador steckt jetzt in einer echt blöden Zwickmühle, wenn sie Rücküberweisungen einschränken, verlieren sie eine wichtige Einnahmequelle, wenn sie die aber nicht Einschränken, fehlt ihnen Arbeitskraft. Das andere Problem, das sich noch ergibt, ist dass die „reichen“ El Salvadorianer, die im Ausland leben sich „günstig“ Häuser in El Salvador kaufen, was dazu führt, dass die Leute die keine Verwandte im Ausland haben, sich die Wohnungen nicht mehr leisten können.

Wenn man jetzt noch einen Brain Drain oben drauf packt, heißt das, dass die Einzigen, die das Land aus der misslichen Lage rausbringen könnten nicht mehr da sind.

Und zum Thema wozu die Leute das Geld ausgeben, würde ich vermuten, dass in armen Ländern vor allem konsumptive Ausgaben sind. Da die Produktivität im eigenen Land nicht gegeben ist, wird das wohl vor allem zu einem Importüberschuss führen, was in dem Fall nicht ganz so schlimm ist, weil es ja externes Geld ist, das mindert dann aber auch wieder den Vorteil der Rücküberweisungen.

Und zum Thema, das investieren die ja dann in Bildung: Hilft auch wenig, wenn die 18 Jahre in die Bildung ihrer Kinder investieren und wir dann am Ende doch wieder die besten wegschnappen.

Ich will hiermit nicht sagen, dass Rücküberweisungen keinerlei positiven Effekt haben können. Nur wenn in einem Land Menschen die wichtigste Resource sind, wiegen Rücküberweisungen vermutlich nicht den Schaden wieder auf, den ein Brain Drain anrichtet.

Mein Vorschlg den ich schon mal in einem anderen Thread hatte wäre von daher, sich ein Partnerland suchen, dort in die Bildung investieren und dann nach dem Zufallsprinzip und nicht nach dem Intelligenzprinzip Leuten die Chance auf ein Visum geben. Dann profitieren beide Seiten davon und es kommt nicht zu einem Brain Drain

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Ich halte das freundlich gesagt für sinnvolle Einstellung. Es ist ja nicht nur Deutschland. Alle Industrieländer werben um Fach- und Arbeitskräfte. Es geht also insgesamt und eine Große Menge an Menschen auf Lange Sicht. Wenn diese Lände dies auf Lange Sicht nicht auffangen können und instabil werden ist das am Ende auch ein Problem für uns, denn dann kommen die Menschen sofern sie können als Flüchtlinge zu uns und als Handelspartner taugt so ein Land dann auch nur bedingt.

Danke für die Ausführung. Das ist alles nachvollziehbar. Was mich wundert ist auch hier, das dass reine wegziehen von Wissen und Arbeitskraft keine Rolle spielen soll.

Ich kenne mich mit dem Beispiel El Salvador nicht aus, aber die Theorie des „Brain Drain“ ist meines Wissens nach nie belastbar belegt worden. Tatsächlich ist es so, dass insbesondere ärmere Länder von offenen Grenzen extrem profitieren.

Die wichtigste Ressource eines Landes sind gut ausgebildete Menschen, die die richtigen Bedingungen zur Entfaltung ihres wirtschaftlichen Potenzials bekommen. Diese Bedingung stellen wir definitiv nicht her, indem wir keine Ärzte aus Subsahara-Afrika bei uns arbeiten lassen, weil die ja in ihren Heimatländern „fehlen“ würden. Das Problem ist ja gerade, dass in deren Heimatländern weder die Finanzmittel, noch die Infrastruktur besteht, um eine große Zahl gut ausgebildeter Ärzte oder Ingenieure auch einsetzen zu können. Wenn wir diese gut ausgebildeten Menschen nicht bei uns arbeiten lassen, dann arbeiten die in ihren Heimatländern in irgendwelchen Hilfsjobs oder (wenn sie die nötigen Beziehungen haben) im Staatsdienst.

Entsprechend macht es einfach Sinn, dass man jungen Menschen die Chance gibt, ihr wirtschaftliches Potenzial wenn nötig im Ausland zu entfalten und Erfahrung zu sammeln. Sobald sich im Heimatland die Chance bietet, wird es immer genug Menschen geben, die dann dorthin zurück gehen und Teil einer positiven Dynamik werden. Die sich entwickelnde High-Tech-Szene in Nigeria oder Kenia wird jedenfalls nicht von lokal ausgebildeten Programmierern gestützt, sondern von Leuten, die in den USA und UK ausgebildet wurden, für Google, Facebook usw. ein paar Jahre gearbeitet haben und jetzt ihr eigenes Ding im Heimatland machen wollen.

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Ich find es geht halt nicht, wenn wir sagen, „Brain Drain“ ist nicht belastbar belegt worden und wenn es den dann am Ende doch gibt, wir uns hinstellen und sagen „Ups, sorry hätte ja keiner wissen können“

Von daher wie gesagt, lieber in Bildung in den Ländern investieren, davon profitieren die garantiert direkt, im Gegensatz von irgendwelchen hypotetischen Szenarien, die wir hier ausmahlen, die eintreten könnten. Und wenn wir dann noch zufällig auswählen wer kommt, stellen wir sicher, dass es nicht zu einem Brain Drain kommt. Außerdem sorgt so eine Zusammenarbeit auch dafür, dass uns das Heimatland wohlgesonnener ist und uns evtl. dabei hilft, z.B. indem Deutsch schon in der Schule unterrichtet wird.

Am besten macht man so eine Initiative gleich auf Europäischer Ebene Sinn.

Erstens ist da gar nichts garantiert. Jede Menge Entwicklungsprojekte scheitern an Konzeptionsproblemen usw.

Das nächste Problem ist der Umfang der möglichen Investitionen. Aus Deutschland fließen aktuell jährlich ca. 25 Milliarden Dollar als Rücküberweisungen in Heimatländer. Das ist etwa genauso viel, wie Bund, Länder und Kommunen jährlich an Entwicklungshilfe ausgeben. Und in dieser Summe ist jede Menge Geld, die niemandem direkt zu Gute kommt, weil davon deutsche Fachkräfte bezahlt werden, Reisekosten, Konferenzen usw.

Weltweit machen Rücküberweisungen das 3,4-fache von Entwicklungshilfe aus. Das ist kein „hypothetisches Szenario“. Wenn die 1 Mio Syrer, die 2015/16 nach Deutschland gekommen sind, hier Arbeit bekommen und jeden Monat 100 Euro Rücküberweisen, dann sind das im Jahr 2,4 Milliarden Euro oder 20% des Entwicklungshilfeetats der Bundesregierung für die ganze Welt.

Oder man fängt einfach so an, um Einwanderung zu genehmigen braucht es die EU nicht.

Das sind aber wie gesagt wahrscheinlich hauptsächlich kosumptive Ausgaben, die vermutlich vor allem die benachteiligen die keine Verwandten im Ausland haben.

Außerdem, wenn man zufällig Leute reinlassen würde, würden die ja trotzdem zurücküberweisen.

Übrigens Rumänien versucht gegen den laut dir nicht existierenden Brain Drain anzukämpfen:

Klar, Bildung, Gesundheit und grundlegende Ernährung sind halt „konsumptive Ausgaben“, dass macht sie nicht weniger sinnvoll und hilfreich.

Nach der Logik „benachteilige“ ich auch meinen Nachbarn, der arbeitslos ist, wenn ich einen Job annehmen. Sorry, aber das macht doch überhaupt keinen Sinn.

Ich habe nicht behauptet, dass es keine Abwanderung von Fachkräften gibt. Nur, dass es auch nichts bringt die Menschen nicht auswandern zu lassen.

Ich persönlich finde die Einstellung, die in vielen reichen Industrienationen gerne an den Tag gelegt wird, dass wir ärmeren Ländern einen Gefallen damit tun wenn wir Migration verhindern wirklich komisch. Vor allem, wenn wir gleichzeitig überhaupt kein Problem damit haben, wenn Geld aus diesen Ländern zu uns ohne jedes Hindernis fließt (Kapitalflucht). Und wenn diese Länder Gesetze erlassen, um die Beschäftigung westlicher Fachkräfte zu begrenzen und ausländische Firmen zur Anstellung einheimischer Arbeitskräfte zu zwingen, dann ist das Heulen und Zäneknirschen groß.

Wenn ein Kenianer oder Kongolese der Meinung ist, dass er/sie sich in Deutschland professionell besser entwickeln kann und hier eine gute Arbeit findet, wie arrogant muss man sein dieser Person zu sagen: Nein, du darfst nicht kommen, weil das deinem eigenen Land schaden würde! Gleichzeitig nehmen wir für uns in Anspruch, dass wir natürlich überall dort arbeiten können sollten, wo wir eine gewinnbringende Tätigkeit finden.

Als Slovakien 2004 dem Schengenraum beigetreten ist lag das per Capita GDP des Landes bei deutlich weniger als der Hälfte von Deutschland. Heute ist es bei 60%. Rumänien hat nach dem Schengen Beitritt sogar noch schneller aufgeholt. Klar wollen die Länder gerne mehr Fachkräfte im eigenen Land halten. Wer hätte denn nicht gerne mehr gut ausgebildete Ärzte in der Nähe? Aber wirtschaftlich schadet Personenfreizügigkeit ganz offensichtlich nicht, das würde der gesamten Erfahrung der europäischen Integration widersprechen.

Tut mir Leid, aber das verstehe ich ncht. Wie soll das praktisch aussehen? Deutschland zahlt Ablöse an die Länder und im Gegenzug bekommen wir Arbeitskräfte?

Wenn du arbeiten gehst, bekommst du ja nicht Geld gratis, sondern du bekommst Geld, weil du Produktivität in deinem Land schaffst. Bei Geld, dass in die Heimatländer geschickt wird, kommt dieses Geld ja quasi aus dem nichts, und steht keiner Produktivität im Heimatland gegenüber. Wenn die Empfänger des Geldes dann das Geld nur noch im Heimatland ausgeben würde, kommt das ungefähr dem gleich, als würde der Staat einfach Geld drucken und zufällig an Leute verteilen. Dann trifft zu viel Nachfrage auf zu wenig Produktivität und die Inflation steigt, davon werden dann besonders die Leute benachteiligt, die kein Geld aus dem Ausland erhalten. Wenn die Leute, die die Rücküberweisungen erhalten hingegen alles Geld für ausländische Produkte ausgeben, kommt es zwar nicht zu Inflation, aber dann bricht die Nachfrage im eigenen Land ein, und Leute die kein externes Geld bekommen werden arbeitslos.
Was in Wahrheit passiert wird irgendwo zwischen diesen beiden Extremen liegen, und ja es gibt auch einen Sweet Spot, bei dem die anderen keinen Schaden nehmen. Nur da das Geld komplett unkontrolliert ins Land kommt, halte ich es für schwer, dass dieser Sweet Spot erreicht wird.

Wir reden ja hier nicht darüber, ob „Wirtschaftsflüchtlinge“ die in Deutschland ankommen, weil sie ein besseres Leben wollen angenommen werden sollen oder nicht. Wir reden davon, dass wir aktiv die wichtigste Resource von anderen Ländern abwerden. Die Früchte deren Bildungssystemen gratis abzugreifen. Das ist quasi moderner Kolonialismus, nur statt natürlicher Resourcen graben wir diesmal Fachkräfte ab und sie können nichts dagegen tun, weil wir sind in der besseren Startposition.

Von daher meiner Meinung nach die Einzige Variante, wie wir das gerecht machen können, ist, wenn wir im Gegenzug die Bildung in diesen Ländern mitfinanzieren und ihnen auch ein paar ihrer besten Fachkräfte da lassen.

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Hier wird es jetzt ziemlich verdreht. Du bezeichnest die Möglichkeit von Menschen aus dem globalen Süden hier Arbeit aufzunehmen als „Kolonialismus“, aber findest gleichzeitig total OK, dass wir für diese Länder entscheiden, dass wir „ihnen auch ein paar ihrer besten Fachkräfte da lassen“? Warum überlässt du diese Entscheidung nicht einfach diesen Menschen selbst? Warum soll ein Tunesier weniger gut entscheiden können, ob er besser in Kenia oder in Deutschland arbeitet als ein Spanier oder Franzose?

Natürlich können wir gerne gleichzeitig auch Bildungsprojekte in den Herkunftsländern finanzieren. Daran wird uns niemand hindern. Aber wenn wir es mit einer „Beziehung auf Augenhöhe“ wirklich ernst meinen, dann müssen wir den Ländern des globalen Südens und den Menschen dort schon die Souveränität zugestehen, Entscheidungen zu ihrem Leben zu treffen. Warum müssen wir das immer alles besser wissen?

Trifft sich gut, denn bedingungslose, regelmäßige Geldzahlungen gehören (ähnlich wie Rücküberweisungen) zu den effektivsten Mitteln der Entwicklungshilfe. Wie man es dreht und wendet: einem armen Menschen Geld zu geben und diesem Menschen die Verwendung dieses Gelds selbst bestimmen zu lassen ist die beste Art der Entwicklungshilfe. Und eine der (für alle Seiten) besten Möglichkeiten, das für diese Transfers nötige Geld zu generieren, ist Menschen aus den betroffenen Ländern die Möglichkeit zu geben, gut bezahlten Jobs nachzugehen. Und die gibt es nunmal vor allem bei uns.

Wir reden hier über Volkswirtschaften. Und wenn eine so große Zahl von Menschen so viel Geld aus dem Ausland erhält, dass dies inflationäre Effekte entwickelt, dann kannst du mit extrem großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass dieser Zahlungszustrom unterm Strich für diese Gesellschaft positiv ist. Die negativen Effekte von hohen Einnahmen von Rohstoffexporten (von denen nur wenige Menschen direkt profitieren) sind dagegen ziemlich gut belegt.

Und warum soll das nur der top ausgebildete Tunesier entscheiden dürfen, aber nicht der durchschnitts Tunesier?
Weil das ist nämlich der springende Punkt. Wir versuchen mit Punktesystemen oder ähnlichen rauszufiltern, dass nur die besten hier herkommen. Wir lassen den Heimatländern nicht die Wahl Leute hierherzuschicken. Wir planen aktiv Werbung für uns zu machen. Ich hab nichts dagegen, dass Tunesier nach Deutschland kommen, aber dann halt bitte aus allen Bildungsbereichen, um einen Brain Drain zu verhindern. Und zu deiner Argumentation mit Bevormundung, es ist ja wohl eine größere Bevormundung nur Fachkräfte zuzulassen, als allen eine Chance zu geben.
Wenn jetzt z.B. Kenia ankommen würde und sagen würde: „Ihr habt so tolle Universitäten und wir würden gerne unsere Fachkräfte dort ausbilden lassen, dafür könnt ihr gerne welche bei euch behalten (wenn diese auch bleiben wollen)“ dann wäre das vollkommen ok für mich, weil dann wäre es ja Kenias Entscheidung und nicht unsere.

In dem Artikel geht es um Cash transfers (an arme Menschen). Sowas ist quasi eine Umverteilung von oben nach unten, da sich das relative Verhältniss der Vermögen ändert. Arme geben ihr Geld eher fü Konsum aus, als Reiche, dadurch steigt der Konsum, was die Nachfrage nach Produktivität steigert und somit mehr jobs schafft. Die, die in dem Fall benachteiligt wären, wären die Reichen (weshalb die in der Regel gegen solche Maßnahmen sind und lieber CDU/FDP wählen).
Bei Rücküberweisungen ist es nicht der Fall, dass nur arme Menschen die Rücküberweisungen bekommen. Im Gegenteil profitieren vermutlich vor allem „wohlhabende“ Familien von Familienmitgliedern im Ausland, da diese sich eine bessere Bildung für ihre Kinder leisten können. Das würde dann genau konträr zu dem Effekt gehen, auf den du hier heraus willst.

Das gilt glaube ich nur, wenn man es bedingungslos an alle verteilt und selbst dann würde ich es bezweifeln, weil gute Investitionen in Infrastruktur eine deutlich bessere Entwinklungshilfe sein können.

Wenn es nach mir ginge, würden wir großzügige Einwanderungsregeln haben, die grundsätzlich Menschen aller Einkommensgruppen nutzen könnten. Ich habe an keinem Punkt gesagt, dass nur Fachkräfte von Migration profitieren sollten. Wer hier einen sozialversicherungspflichtigen Job findet, sollte auch ein Visum kriegen und ich würde grundsätzlich auch Visa zur Arbeitssuche an alle interessierten Menschen ausstellen, solange diese Menschen sich während der Arbeitssuche selbst finanzieren können und die Herkunftsländer bei Abschiebungen umfassend kooperieren.

Aber solange wir uns nur dazu durchringen können, „Fachkräften“ den Zugang zu gewähren (und der Rest sich über das Mittelmeer kämpfen muss), bleibe ich dabei: Ob und wer von denen kommt, sollen Bitteschön die betroffenen Menschen selbst entscheiden. Wir müssen uns da nicht zum Verwalter der Interessen afrikanischer oder asiatischer Staaten machen. Dazu sind die selbst in der Lage.

Nein, es ist hilfreich immer allen Mitgliedern einer wie auch immer geographisch begrenzten Community Transferleistungen zukommen zu lassen, weil das Neidgefühlen entgegen wirkt. Auf die wirtschaftlichen Effekte hat das aber keine Auswirkungen, der einzelnen Person ist auch geholfen, wenn nur sie Geld bekommt.

Um die Diskussion insgesamt etwas konkreter werden zu lassen: ich habe mit Menschen aus 10+ unterschiedlichen afrikanischen Staaten studiert, in diversen afrikanischen Ländern gelebt und gearbeitet und berufsbedingt immer wieder mit Afrikanern, die im westlichen Ausland leben und arbeiten zu tun gehabt. Die Art und Weise wir du hier „Brain Drain“ diskutierst, passt weder zur Wahrnehmung der „Daheimgebliebenen“, oft wirtschaftlich verarmten Menschen, noch zu den Expats in Ausbildung oder im Beruf. Die sind sich alle ziemlich einig, dass westliche Industrienationen allen Afrikanern mehr Chancen und bessere Bedingungen zur Arbeitsmigration bieten sollten (von den Problemen durch Rassismus in unseren Ländern mal ganz abgesehen).

Würden diese Menschen sich wünschen, dass sie mehr Chancen im eigenen Land haben? Klar. Aber das steht für niemanden dort im Widerspruch zur Forderung, gleichberechtigt die Angebote des globalen Arbeitsmarkts wahrnehmen zu können.