Impfung von jungen Menschen über Kontakte

Meiner Meinung nach ist mit der Rücknahme von Einschränkungen für Geimpfte die Zeit der Solidarität jetzt vorbei.

Wir sitzen eben nicht mehr alle im selben Boot, in wenigen Wochen wird ein Drittel der Bevölkerung wieder halbwegs zur Normalität zurückkehren können und der Rest kriegt zwar ein Impfangebot, aber ist dann eben erst frühestens zum Ende des Sommers durch.

Der allgemeine Tonus (auch in der Sendung) ist ja „muss man aushalten“ und „sind Grundrechte, die man nicht aus Solidarität einschränken darf“, bis hin zur Verfassungsklage. Da tut man sich dann aber auch schwer mit moralischen Appellen, jetzt doch anderen den Vortritt zu lassen. Wofür?

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Was für eine Solidarität denn und mit wem? Die mangelnden Hilfen für für sozial schwache und die kulturindustrie? Die mangelnde Beratung und Therapie bei psyschichen Erkrankungen? Die Präsenzschule mit hohen Infektionsraten ? Die Kapitulation des Bildungsbetriebes vor der Herausforderung des Digitalbetriebes ? Diese gesamtgesellschaftliche Solidarität gab während der gesamten Pandemie nicht.

Die grundsätzlichen und älteren Probleme der jetzigen Systeme sind sicherlich kein Produkt der jungen Generation.

Das individuell moralisch Argument lässt sich ja noch nachvollziehen aber Solidarität oder Rechtstaatlichkeit wird als Argument wirklich absurd. Es geht mir nicht darum hier zu argumentieren, dass man ja machen könne was man will, aber als Vorwurf taugt es nur, wenn man alles ignoriert und sich nur auf die Impfung versteift (und selbst da. Wo ist denn die Solidarität alter Menschen mit jungen Frauen, wenn die sich AZ verweigern ?) und als gesamtgesellschaftliche Verantwortung wird es besonders lächerlich, wenn man sich die jetzige wie zukünftige Situation junger Menschen anschaut. Solidarität gerne aber nicht als nationaler Imperativ…

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In dieser Diskussion gefällt mir Dein sehr herablassender Ton gegenüber den Befürwortern der Priorisierung nicht. Bitte überdenke Deine Wortwahl.

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Gesellschaftlicher Frieden scheint wohl kein wesentlicher Wert zu sein. Auch die Kopplung der Aufhebung an Pflichten scheint wohl Niemandem einzufallen. Das könnte zum Bumerang werden, wenn jetzt eine Escape Mutation käme, dann dürfte man wohl kaum mit der Solidarität der sich jetzt verraten Fühlenden rechnen.

Kleiner Hinweis: Für kleine Kinder gibt’s (ohne zu Erkranken und zu Genesen) keine Aussicht auf einen freien Sommer. Nichtmal auf ein freies Weihnachten 2021. Für die geht es nicht um mal wieder schön Abendessen gehen (oder mit welchen anderen Trivialfreiheitsbeispielchen man sich die Situation aus der Außenbootperspektive Schönargumentieren kann)

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Den Beispielen kann ich gut folgen, nicht aber der Schlussfolgerung. Meiner Wahrnehmung nach gab es eine umfassende gesellschaftliche Solidarität zu Pandemiebeginn: Nämlich als klar wurde, dass zum Schutz einer Minderheit nun Alle deutliche Verhaltensänderungen zeigen müssten. Das wurde zum nationalen Imperativ und der hat bisher auch einigermaßen gut funktioniert (bspw. Maskendisziplin).

Sondern in welcher Form?

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Danke fürs tone policing (dein Satz klingt viel weniger herablassend ^^) und das polarisieren meiner Position auf „für und gegen“ Prio. Das hab ich nicht geschrieben. Im letzten Teil steht sogar explizit dass das es nicht so verstanden werden soll. Ich weise lediglich darauf hin, dass die Priogruppen nicht so universell sind, wie behauptet und die Umsetzung längst nicht so strikt ist, wie behauptet. Dass man aus dieser ohnehin komplexen Lage nicht so einfach moralische Urteile treffen kann, sollte eigentlich evident sein. Entsprechend unverständlich wird dann dann der Vorwurf einer Unterwanderung der Rechtstaatlichkeit… Diese Begriff haben schon eine Definition, Kontext und Bezugsrahmen eine Überdehnung führt nur dazu das der Begriff selbst völlig nutzlos zur Projektionsfläche eigener normativer Prämissen und Emotionen wird.

Ich möchte noch einmal darauf zurück kommen, was der Hauptpunkt meines Posts war: Die Idee, die Gegenargumente für eine Impfung von jungen Menschen zum jetzigen Zeitpunkt noch einmal öffentlich ins Bewusstsein zu rufen.

Auch wenn ich nicht mit allen vorgebrachten Argumenten hier in dem Threat übereinstimme, denke ich, dass die wesentlichen Punkte ausgeschrieben sind. Anders scheint es mir im öff. Diskurs.

In den Diskussionen, die ich mit meinen jungen Bekannten führe, höre ich nicht, „Meine Eigeninteressen sind mir jetzt wichtiger“ oder „Ich verhalte mich jetzt unsolidarisch, aber das finde ich angesichts der Lage okay.“ Sondern ich höre: „Es gibt doch genug Impfstoff.“ „Die besonders Gefährdeten sind geimpft.“ Oder: „Ich nehme doch niemandem etwas weg.“
Die Logik dahinter ist, dass wenn etwas legal ist, das schon seine Richtigkeit haben wird. Wie gesagt, diese gewisse Bequemlichkeit sich Gedanken zu machen, lasste ich nicht insbesondere jungen Menschen an, sehe aber in dem Appell an junge Menschen, sich die Konsequenzen bewusst zu machen, besonders viel Sinn aufgrund ihres geringen Risikos.

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Letztlich sehen wir hier im Lage-Forum doch schon perfekt, was die Diskussion der vergangenen Tage in unserer Gesellschaft bereits losgetreten hat und vor allem noch lostreten wird. Auch wenn die Situation aus der juristischen Perspektive eindeutig zu sein scheint - durch die Lockerungen für Geimpfte hat das Rattenrennen auf die raren Impfdosen und die damit verbundenen Freiheiten nun endgültig begonnen.

Auf der individuellen Ebene kann ich es inzwischen nachvollziehen, wenn „Nicht-Priorisierte“ nun alle Schlupflöcher nutzen wollen, um Freiheiten schnellstmöglich zurück zu erlangen. Wie man als junger Mensch in den vergangenen Wochen eindrucksvoll erfahren durfte, scheint die in den vergangenen 15 Monaten propagierte „Solidarität“ ja doch nur eine Einbahnstraße gewesen zu sein.
Daher finde es in Anbetracht aller Umstände auch ziemlich fragwürdig, diese Solidaritätskarte nun ausgerechnet gegen diese Personen auszuspielen. Das sind nun mal die Geister, die Politik und Öffentlichkeit in den vergangenen Tagen und Wochen gerufen haben.

Btw: Wenn schon hier im zivilisierten Lage-Forum die Stimmung allmählich kippt, mag ich mir noch gar nicht ausmalen, was in der nächsten Zeit in der „echten“ Welt noch gesellschaftlich auf uns zukommen wird - und das nur, weil uns auf der Zielgeraden der Sommerurlaub wichtiger war, als der Zusammenhalt innerhalb der Zivilgesellschaft. Wirklich schade!

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Hier nochmal die Tone Police: Ich hatte dich „gebeten“, Deine Wortwahl zu „überdenken“. Ich habe nicht verstanden, worin dabei die „Herablassung“ bestehen könnte.

Ich empfinde dagegen solche Formulierungen wie …

… als wertend, und zwar herablassend. Meine Bitte habe ich geäußert. Die Entscheidung dafür oder dagegen überlasse ich selbstverständlich Dir.

Ich kann die Annahme, dass es bis heute eine „Zeit der Solidarität“ hatten und „wir“ (wen auch immer das miteinbezieht) bis heute „alle im selben Boot“ saßen, beim besten Willen nicht nachvollziehen.
Die Coronapandemie hat bestehende soziale Ungleichheiten enorm verstärkt, anstatt sie zu verringern. Ärmere Menschen sind einem mehrfach höheren Infektionsrisiko ausgesetzt und sterben dementsprechend sehr viel häufiger an Covid. Grundsätzlich lässt sich sagen: je bescheidener die Arbeitsbedingungen, destto schlechter die Möglichkeit, sich zu schützen und desto höher das Risiko. Zudem wurden Hochaltrige - also die mit dem höchsten Risiko - bis Jahresende nicht ausreichend geschützt und sind deshalb zu Zehntausenden gestorben. Und auch nach der Impfung werden sie häufig bis heute eines Großteils ihrer sozialen Kontakte beraubt. Zudem wurden Millionen Menschen mit der Dreifachbelastung aus Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice quasi allein gelassen. Während die einen zu weit in der 150m2-Wohnung bequem vom Laptop aus arbeiten, müssen die anderen aus dem Haus gehen, um ihren Job nicht zu verlieren, während in der 3-Zimmer-Wohnen fünf Kinder gleichzeitig lernen und sich gegenseitig erziehen sollen. Seit wann sitzt der Besitzer einer Gewerbeimmobilie im selben Boot wie der Pächter einer Kneipe, die seit über einem Jahr kaum noch Einnahmen hat? Seit wann sitzt der Lieferando-Fahrer, dessen Einkommen auf 0ß sinkt, wenn er nicht mehr fährt, im selben Boot, wie das Architektenehepaar, dass sich das koreanische Essen nun liefern lässt, weil es sicherer ist? Das sind nur einige Beispiele, von denen sich sicherlich noch zig mehr aufzählen lassen würden.
In Deutschland haben wir mehr als ein Jahr gebraucht, um überhaupt zu merken, dass eine Pandemie je nach sozialer Lage sehr unterschiedliche Auswirkungen hat. Aber die Spargelstecher:innen schicken wir natürlich weiter in „Arbeitsquarantäne“. Und der große Aufschrei über fehlende Solidarität richtet sich natürlich nie gegen eine Gruppe, der man selbst angehört und erfolgt auch nicht in Empathie mit jenen, die wirklich mehr zu leiden haben. Nein, er ertönt, wenn man sich selber im Nachteil wähnt, weil es irgendjemand jetzt eine Impfung ein paar Wochen oder Monate eher erhält und man sich selber ja eigentlich für berechtigter hält.

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Ich verstehe den Gedanken sehr gut. Wundert Sie das alles denn aber? Ich bin auch noch in den Zwanzigern, warte ebenfalls noch (sofern nichts übrig bleibt), aber habe auch Verständnis dafür wenn Kollegen jetzt Angebote frühestmöglich wahrnehmen, selbst wenn man streiten kann ob sie wirklich in die Priogruppe passen in der sie und ich verordnet sind.

Für viele geht es doch längst nicht mehr um den Gesundheitsschutz, sondern eher um den Sommerurlaub. Wenn die individuellen Freiheitsrechte statt Bevölkerungsschutz in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt werden, fangen viele Menschen dort das Meiste für sich herauszuholen, während andere unzufrieden sind weil sie das Gefühl haben, dass die Situation ungerecht sei weil sie sich selbst solidarisch verhalten.

So hart das klingt, wenn man sich dafür entscheidet nicht um die derzeit knappen Impfstoffe zu konkurrieren, muss einem bewusst sein, dass niemand es danken wird. Für das Individuum hat es nur Nachteile nicht geimpft zu sein. Und wenn das eigene Gefühl das richtige zu tun nicht genug ist, ist man wahrscheinlich besser bedient jede Gelegenheit zu einer Impfung zu nutzen und wenigstens die eigene Psychohygiene zu schützen. Das ist vielleicht nicht schön aber zumindest absolut menschlich…

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Laut Politbarometer ist inzwischen eine Mehrheit der Deutschen für eine generelle Aufhebung der Impfpriorisierung. Dies ist meiner Meinung nach ebenfalls der fehlenden Kommunikation darüber geschuldet, dass in einigen Bundesländern noch nicht mal damit begonnen wurde Priogruppe 3 zu impfen.

Stattdessen wird ja hauptsächlich über Freiheiten für Geimpfte diskutiert, was eben zur Folge hat, dass viele so argumentieren werden, dass bei einer Rücknahme von Einschränkungen für Geimpfte eben auch jede:r die Möglichkeit haben sollte, schnellstmöglich einen Impftermin zu erhalten. Dass so bei der aktuellen Impfstoffknappheit nur das Hauen und Stechen befeuert und Risikogruppen benachteiligt würden, wird in der Argumentation ausgeblendet.

Corona-Impfung

Zwar sind weiterhin die meisten unzufrieden mit dem Impffortschritt, nach 80 Prozent im April geht dieser Anteil jetzt aber auf 62 Prozent zurück. 35 Prozent (Apr.: 18 Prozent) meinen, dass es bei uns mit dem Impfen gut läuft. Eine deutliche Mehrheit der Befragten (70 Prozent) spricht sich dafür aus, die bisher geltende Impfreihenfolge nach Alter und Gesundheitsgefährdung aufzuheben, so dass sich dann alle, die das möchten, impfen lassen dürfen. 28 Prozent sind für die Beibehaltung der Priorisierung.

Die Politik hat riesen Anreize geschaffen bzw. zugelassen.

Dazu gehört, dass Leute jetzt glauben, alle anderen würden 900 Praxen anschreiben (Übertreibung). Dieser Gedanke erhöht das Konkurrenzgefühl. Da will man sich nicht abgehängt fühlen. Eine selbsterfüllende Prophezeiung. #dankegesundheitsminsiter

Es ist echt ein großes Glück, wenn man sowohl von COVID weniger bedroht ist als auch nicht so stark im Berufs-, Familien- und/oder Alltagsleben eingeschränkt ist wie viele andere.


edit: In RLP z. B. entfielen auf die Priogruppe 2 bisher rund 56 Prozent aller vergebenen Termine, auf die Priogruppe 1 etwa 42 Prozent.


edit: Bereits im März hat übrigens Prof. Leisner-Egensperger die Priorisierungsverordnung kritisiert:

Leisner-Egensperger: Die Impfpriorisierung ist dann weitgehend Geschichte. Und das ausgerechnet in dem Moment, in dem sie zum ersten Mal nicht mehr verfassungswidrig wäre.

Durch die aktuellen Entscheidungen und deren Kommunikation hat sich jetzt glaube ich die fear of missing out bei vielen/den meisten jungen Menschen in Prio Gruppe 4 durchgesetzt.

Wenn ich jemanden erzähle, dass ich mich unangenehm fühle, wenn ich mich jetzt um einen Impftermin bemühe obwohl meine Verwandten (über 60, Rheinland-Pfalz oder Ende 50, Baden-Württemberg) noch kein Impfangebot haben, ernte ich Kopfschütteln. Ich solle es doch auch einfach versuchen möglichst schnell einen Termin zu bekommen. Das Eine habe mit dem Anderen nichts zu tun.

Ich glaube das ist auch kein Einzelphänomen. Wenn man sich anschaut, was in Freiburg passiert ist. 2000 bis 3000 junge Leute, die bereits nachts am Impfzentrum stehen um eine Astta Zeneca Dosis zu bekommen.

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