Hallo zusammen,
in letzter Zeit wurde ja viel über die hohen Impfquoten in Bremen im Vergleich zu anderen Bundesländern gesprochen. Viel wurde darüber geschrieben wie die Bremer das hin bekommen haben. Zwei Beispiele:
Sogar der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte meldete sich in einem Gastbeitrag für die Welt zu Wort und erläutert seine Erfolgsgeheimnisse:
Ich halte alles diese Maßnahmen und das Impfen an sich für ganz wunderbar, jedoch auch die Impfquote in Bremen für komplett überschätzt. Das scheint bisher nur noch niemandem so richtig aufgefallen zu sein. Oder, was ich besser fände: ich irre mich.
Das Problem liegt in der Meldung der Impfungen nach ImpfORT an das RKI. Der genaue Prozess der Datenübermittlung kann hier nachgelesen werden: GitHub - robert-koch-institut/COVID-19-Impfungen_in_Deutschland: Die COVID-19-Impfung kann einen Wendepunkt in der Kontrolle der COVID-19-Pandemie darstellen und erfährt daher hohes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit. Einführung und Umsetzung der COVID-19-Impfung gehen mit besonderen Herausforderungen einher, die bei der Impfdatenerfassung zu berücksichtigen sind. In diesem Kontext ist es Ziel des Projekts 'Digitales Impfquoten-Monitoring' (DIM), tagesaktuell, bundesweit die Impfquote zu erfassen und folgend aufbereitet darzustellen, um zeitnah den Verlauf der COVID-19-Impfkampanne zu analysieren, bei Bedarf nachzusteuern, und logistisch bzw. organisatorische Konsequenzen zu ziehen. <br><br>Das DIM-Projekt enthält Daten über den Verlauf der COVID-19 Impfungen in Deutschland. Die hier veröffentlichten Impfdaten aggregieren Daten aus drei Datenquellen: Neben dem Meldeweg über die DIM-Anwdung werden zur Erfassung der Impfquote auch Impfdaten niedergelassener Ärzt_innenpraxen durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Minimaldatensätze der Bundesländer (die noch nicht über das DIM melden) erfasst. . Ich bin darüber gestolpert, als ich mich im Rahmen meiner Dissertation mit den COVID-19-Daten auf Ebene der Stadt- und Landkreise beschäftigt habe. Ich forsche im Bereich der Regional- und Immobilienökonomie.
In allen Datensätzen zu den Impfungen des RKI (also Daten des Impfquotenmonitoring auf Ebene der Bundesländer und aller Impfungen auf Ebene der Landkreise File Finder · GitHub ) fließen ausschließlich Daten nach ImpfORT ein und nicht nach dem Wohnort des Geimpften. Für gewöhnlich pendelt die Bevölkerung in die nächst größere Kernstadt, viele haben dort auch ihren Hausarzt o.ä… So kommt es zum Beispiel dazu, dass im Stadtkreis Ansbach (zum Stand 1.12.2021) ca. 2,1 mal so viele ihre Zweitimpfungen (oder JJ-Impfungen) erhalten haben, als Menschen dort wohnen. Im Landkreis Ansbach dagegen gerade einmal 0,2 so viele. Die regionale Verflechtung sollte damit deutlich werden. In einer ersten Analyse sehe ich die umliegenden Kreise von Bremen auch mit einer regional eher unterdurchschnittlichen Anzahl an Zweitimpfungen bezogen auf ihre Bevölkerung. Bei einer Aggregation der Daten der Kreisdaten über die Bundesländer macht es dann für die Flächenländer kaum einen Unterschied für die Berechnung der Impfquote (da die meisten der in z.B. in Bayern geimpften auch in Bayern leben sollten). Dies ist dann die Impfquote wie sie das RKI offiziell ausweist. Für die Stadtstaaten und da insbesondere den Kleinsten - Bremen - sollte eine Berechnung der Impfquote über die Anzahl aller verabreichten Zweitimpfungen nach Impfort aber sehr wohl eine Rolle spielen. Auch unter Berücksichtigung von Bremerhaven. Immerhin hat Bremen eine Arbeitsplatzzentralität (Verhältnis aus Arbeitsplätzen am Arbeitsort zu Wohnort - ein Maß für die Anzahl der Einpendler) von 1,33. Zum Vergleich: Hamburg 1,3; Berlin 1,1; und Bayern: 1,02 [nach Daten des empirica Instituts]).
Ich weiß, dass es auch Daten darüber gibt, welche PLZ der jeweils Geimpfte hat. Diese sind allerdings nicht vollständig oder liegen noch nicht vor (siehe Link zu, RKI oben). Das heißt, sie können für Bremen noch nicht berücksichtigt worden sein. Aus meiner Sicht heißt das dann, dass die Impfquote in Bremen - wenn sie so wie für die anderen Bundesländer berechnet wurde - schlicht überschätzt wird, da vermutlich in Bremen einige Menschen geimpft wurden, die nicht dort wohnen. Ein Vergleich zu den anderen Bundesländer hinkt somit jedenfalls in jedem Fall.
Ich habe das Gefühl, dass dadurch leider im öffentlichen Diskurs ein falscher Eindruck ob der Bremer-Maßnahmen entsteht, den ich für politisch relevant halte. Nicht nur, dass die Datenverfügbarkeit in Deutschland mal wieder nur mäßig ist.
Vielleicht ist das ja auch für euch interessant. Leider habe ich ansonsten keine Idee, wie diese Erkenntnis Reichweite gewinnen kann, als sie euch anzudienen. Vielleicht irre ich mich auch einfach und ein anderer findigerer Lage-Hörer weiß mich zu berichtigen …
Alles Gute!
R.