Impfpflicht-Abstimmungsmodus - Gruppenanträge vs. Fakultatives Referendum

Man kann viele Aspekte der Impfpflicht diskutieren, mich interessiert der Modus des Zustandekommens.

Es wird schon fast über-betont, dass Impfen eine gesamtgesellschaftliche Thematik ist und Bedeutung hat.
Die Bundesregierung begründet die Entscheidung, keinen eigenen Gesetzesvorschlag einzubringen und ausschließlich auf Gruppenanträge zu setzen, mit der besonderen ethischen Tragweite dieser medizinischen Entscheidungen. Insbesondere Vertreterinnen der FDP ziehen Vergleiche zur Organspende-Entscheidung (siehe Sendung von Markus Lanz am 5. Januar).

Meine Gedanke ist: Wenn es doch wirklich eine so übergeordnet ethisch-moralische Frage ist, eine Impfpflicht einzuführen und man sich deshalb unter Aufhebung der Fraktionsdisziplin der „maximalen Legitimation“ im Bundestag bedienen möchte - warum führt man dann im Nachgang des Gesetzesvorschlags - egal wie er dann aussieht - kein fakultatives Referendum herbei?

Damit würde man einen Gesetzesvorschlag, der durch die professionellen Politiker abgewogen und beschlossen worden ist noch einmal der Bevölkerung zur Abstimmung freigeben.
Ich kann mir kaum ein Mehr an demokratischer Legitimation vorstellen.

Stattdessen wird meiner Meinung nach versucht, eine Verantwortlichkeit in der Regierung zu umgehen.

Gab es schon einmal ein Referendum in Deutschland?

Für viele die für eine Impflicht sind,
weil sie hoffen, dass damit sich die Chance erhöht, dass Covid-19 endlich endemischer wird und wir wieder zu so etwas wie Normalität (keine Kontakteinschränkungen, keine Masken, kein Abstand, kein Gedanken an Covidioten, …) zurückkehren können,
ist die aktuelle Diskussion um Regierungsentwurf vs. Gruppenanträgen, Orientierungsdebatte, Karnevals-Pause, … ein Rumgewürge und Rumgeeier sondergleichen.

Bei allem Respekt vor dem Parlament und dem Bundestagsabgeordneten, vor den ethischen Aspekten der Entscheidung: All das ist überhaupt kein Grund, „aus dem Quark“ zu kommen!

Vorbild für das Entstehen des Gesetzes könnte z.B. das Entstehen der Organtransplantationsgesetz sein. Hier gab es nach meiner Erinnerung 3 oder 4 Gruppenanträge, die meisten fraktionsübergreifend, und es wurde auch fraktionsübergreifend, sehr sachlich und ruhig diskutiert. Das Parlament hat sich nicht für den Entwurf entschieden, den ich am Besten fand, aber allein die Diskussionen waren in meinen Augen Höhepunkte des Parlamentarismus in Deutschland.

Regierung drückt sich? Kein Grund auch nur für einen Parlamentarier, sich nicht hinzusetzen, Eckpunkte für ein Imfpflicht-Gesetz zu konzipieren, in die Diskussion mit Mit-Parlamentarien zu gehen, auf diese Weise nach und nach ein Gruppenantrag zu entwickeln.

Vielleicht passiert das ja. Aber ich bin da skeptisch. Ich fürchte, die Partei- und Fraktionsführung von SPD und FDP hat Angst vor den lautstarken Wutbürgern, Covidioten und Impfverweigerern (und beugt sich damit einer sehr kleinen Minderheit, dem „Mob“, „der Straße“).

Dass die Unionsfraktionsführung angeblich (?) Mitglieder aus der eigenen Reihe „zurückgepfiffen“ habe, die offenbar die Arbeit an einem Gruppenantrag begonnen hatten, macht mich ebenfalls wütend.

Wenn der Bundestag sich nach einer sachlichen parlamentarischen Diskussion letztlich doch gegen die Impflicht entscheiden sollte, dann ist das eben so. Mit der Sorge über eine „Spaltung“ und der Frage, inwieweit die Impflicht tatsächlich zur „Endemisierung“ beiträgt, gibt es schließlich wirklich dringend zu diskutierende Zweifel. Aber sie müssen diskutiert werden. Und im Hinblick auf die sich aufheizende, gesellschaftliche Atmosphäre besser früher als später.

Ich denke, hier ist die Antwort einfach.ein Referendum kann so schnell nicht sinnvoll durchgeführt werden. Außerdem ist der Sachverhalt wirklich sehr komplex. Das bedeutet, hier gibt es viel Angriffsfläche für Populismus.

Wer versteht heute schon, was ein neuer Serotyp ist und für die Pandemie bedeutet? Dieser Punkt könnte bedeuten, dass die vollständige Durchseuchung mit Omikron, für die Immunität gegen Delta wenig bringt und dass wir ohne Impfpflicht nächsten Winter wieder das Murmeltier grüßen dürfen.
Bis die Abgeordneten das verstehen, wird schon noch genug Zeit vergehen.

2 „Gefällt mir“
  1. Weil es keinerlei gesetzliche Grundlage für so etwas auf Bundesebene gibt, d.h. die müsste erst geschaffen werden. Evtl. müsste dafür sogar das Grundgesetz geändert werden. Damit würde alles mindestens noch viel länger dauern und desweiteren wird sich aller Wahrscheinlichkeit sowieso keine parlamentarische Mehrheit dafür finden, jetzt ad hoc wegen einer einzelnen Frage unser repräsentatives politisches System fundamental zu verändern.

  2. Weil überhaupt nicht klar ist, was das Ergebnis dann am Ende zu bedeuten hat, insbesondere wenn die Beteiligung vielleicht nicht besonders hoch ist.