Immer Wahlkampf und (Wahl)Regierungsperioden

Hi @all,
vieleicht braucht es auch kein eigenes Kapitel in der LDN und nur mein Bildungsstand ist heierbei zu gering :sweat_smile:

Ich verstehe zwei, warscheinlich getrennte aber dennoch sehr verwante, dinge in unserem Wahlsystem nicht, und würde mir antworten darauf wünschen. Also:

  1. Warum ist ständig und immer irgendwo Wahlkapf? Gerade in den letzten Wochen und Monaten ist mir das immer wieder aufgefallen, dass bei Problemen gesagt wurde: „geht grad nicht, ist ja bald Bayern- und Hessen- Wahl“.
    Aus der IT kenne ich das Problem des natürlichen Wachstums, ich vermute hier ist es das selbe. Irgendwann hat sich Bayern gegründet und es musste gewählt werden, dann kahm NRW und mit der Wiedervereinigung die Östlichen Bundesländer, usw…

Meine Frage lautet also: Ist meine „Vermutung“ hier korrekt? Kann das jemand mit mehr Wissen erklähren? Und, warum muss das noch so sein? Wäre es nicht viel schöner wenn man Landes- und Bundesregierung in einem geringeren Zeitlichen abstand wählen könnte, und die dann die 4 Jahre auch mal wirklich Arbeiten könnten? Oder spricht da was dagegen?

  1. Warum nur 4 Jahre? Das scheint sich ja Global auch irgendwie durchgesetzt zu haben. Gestern hab ich im Chaosradio gehört, dass ja schon bald wieder Bundeswahlkampf anstehn würde und daher die noch ausstehenden Gesetzesvorhaben JETZT durchgezogen werden müssen, denn eigentlich hätten die Parteien nur 3 Jahre zeit, danach ist wieder Wahlkpf…

Hier also meine Fragen dazu: Müssen es „nur“ 4 Jahre sein, oder könnte man sich nicht auch 5 oder 6 Jahre vorstellen? Gibt es Forschung dazu? Und warum haben sich die 4 Jahre so durchgesetzt?

Ich hoffe Ihr alle könnt auch zwischen den Zeilen lesen wo meine Bauchschmerzen damit liegen und diese ggf. sogar ausräumen, kann ja bessere Gründe als „natürliches Wachstum“ für geben, hoffe ich zumindest :upside_down_face:.

Vielen Dank für alle Zukünftigen Beiträge hierzu!

Zwei Kommentare:

  1. Landtagswahlen sind schon jetzt üblicherweise nur alle 5 Jahre, insofern gibt es das schon. Ich kann mir vorstellen, dass die bundesweite 4-Jahres-Legislatur auch daher kommt, dass das US-System einen großen Einfluss hatte, als die Bundesrepublik gegründet wurde, und da läuft es so. Ob das optimal ist, weiß ich nicht, ist aber wahrscheinlich auch schwer zu quantifizieren.
    Wenn nur etwa alle 6 Jahre gewählt wird, kann das dazu führen, dass jemand 23 ist und noch nie an der politischen Willensbildung teilhaben konnte, das ist eben auch ein Problem.
  2. Selbst wenn wir alle Landtagswahlen synchronisieren, führt das dauerhaft nicht weiter. Denn es kommt immer mal wieder vor, dass Wahlen vorzeitig ausgerufen werden wegen Misstrauensvoten oder Ähnlichem, und das würde dann dafür sorgen, dass die Termine natürlicherweise wieder auseinanderdriften.
    Man könnte sagen, es gibt in solchen Fällen eine verkürzte Legislatur bis zum nächsten regulären Termin… aber das sorgt dann ja auch wieder tendenziell für häufigeren Wahlkampf.

Man müsste erstmal die generelle Frage stellen, ob eine Verlängerung der Legislaturperioden sinnvoll ist.

Welche Ziele wollen wir damit erreichen?
Was bedeutet das für die Demokratie?
Welche Ausgleichsmechanismen müssen wir einsetzen, um das Minus an Einfluss des Wahlvolkes zu kompensieren?

Denn Fakt dürfte sein, dass das Leben heute schneller abläuft als vor 50 Jahren. Durch weltweite Instant-Kommunikation und den rasanten technologischen Fortschritt ändern sich Dinge schneller, als dies früher der Fall war. Vor diesem Hintergrund die Legislaturperioden zu verlängern halte ich zumindest für fragwürdig. Wenn das Ziel lediglich sein soll, dass die Regierung weniger von Wahlkampf getrieben ist, gibt es sicherlich bessere Maßnahmen, dieses Ziel zu erreichen.

In jedem Fall bräuchte es Ausgleichsmaßnahmen, denn wenn das Wahlvolk durch eine Verlängerung der Legislaturperioden noch längere Zeiträume über keine Einflussmöglichkeiten auf die Regierung hat, bedeutet das sonst einen maßgeblichen Rückgang der Intensität der Demokratie, was gerade in immer schnelllebigeren Zeiten sehr problematisch ist.

Als Ausgleichsmechanismus fällt mir hier nur direkte Demokratie ein, der ich generell skeptisch gegenüber eingestellt bin, nicht erst seit dem Brexit und dem Minarettverbot in der Schweiz. Denn gerade direktdemokratische Abstimmungen sind besonders durch Populismus gefährdet. Dazu kommt, dass jede direktdemokratische Abstimmung - wie man in der Schweiz sehen kann - ein kleiner Wahlkampf ist, daher: die Parteien kämpfen i.d.R. jeweils für eine der Optionen.

Einzig Bürgerräte wären ein Ausgleichsmechanismus, aber hier sollte man erst Mal im kleinen austesten, wie sich diese auf die Demokratie auswirken. Ohne Ausgleichsmechanismus jedenfalls lehne ich eine Verlängerung der Legislaturperioden ab.

In Schweden wird alles gleichzeitig gewählt.

Hat in meinen Augen den Nachteil, dass Kommune und noch mehr Region viel zu gering wahr genommen werden.

Was ich einen guten Kompromiss fände, wäre Bundestag und Kommunalwahlen synchronisieren und dann ähnlich wie die MidTerms in den USA die Länderparlamente in der Halbzeit der Regierungslegislarur wählen.

Damit hat man dann nur alle 2 Jahre Wahlkampf, aber eben auch alle 2 Jahre die Möglichkeit auf die Bundespolitik Einfluss zu nehmen, da der Bundesrat ja nunmal ein Gewicht hat.

Müssen irgendwelche Wahlen verschoben werden, kann man darüber nachdenken ob man eine Kürzere Periode 2-3 Jahre wähle oder wenn eigentlich schon im letzten Jahr von 5 Jahren um danach dann wieder den Synchrotermin zu haben

Herzlich willkommen LukasKeks,

Es tut mir leid, aber ich verstehe Deine Vemutung nicht wirklich, besonders, was das Wahlkampfproblem mit natürlichem Wachstum zu tun hat.
Aber nein, es hat sich nicht ein Bundesland nach dem anderen gegründet und es musste gewählt werden.
Bayern wurde zwar von Napoleon als Königreich (in etwa in den heutigen Grenzen) gegründet und die anderen Bundesländer haben unterschiedliche Geschichten. Spät wurden Baden-Württemberg 1952 aus verschiedenen kleinen Ländern zusammengefasst und das Saarland 1956 aus dem französischen Protektorat entlassen. Und dann noch die neuen Bundesländer, die in der DDR zentraler geführt wurden und ganz besonders Berlin, dass aus den ost- und Westteilen wieder zusammengeführt wurden.
Aber das es in den bundesländern freie Wahlen gibt, ist nicht langsam gewachsen, sondern hat im Wesentliche 3 große Ereignisse.
1918 Gründung der Weimarer Republik, 1949 Gründung der Bundesrepublik Deutschland und 1989 freie Wahlen in der DDR, zusammen mit 1990 Eingliederung der neuen Bundesländer in die Bundesrepublik. Dass ständig irgendwo gewählt wird, liegthauptsächlich daran, dass die Bundesländer ihre Wahlen autonom abhalten und es immer wieder verschiebungen gibt, entweder durch normale Auswahl des Wahltermins etwas früher oder später als genau 4 Jahre oder durch vorgezogene Neuwahlen irgendwann.
Zu der Frage, ob es Sinn macht, nur alle 5 oder sechs jahre zu wählen kann ich nicht viel sagen, aber viel ändern an den häufigen Wahen im föderalen System mit einer Bundesrepublik und 16 Bundesländern würde sich nicht irgendwo ist immer noch Wahlkampf.
Ich weiß auch nicht ob es Untersuchungen darüber gibt, ob es etwas bringen würde, wenn die Bundesrepublik und alle Bundesländer zur gleichen Zeit wählen würden, Ausnahmen wären dann vorgezogene Neuwahlen, die dann aber nur für eine kurze Wahlperiode oder in Ausnahmen einer längeren Wahlperiode bis zum (über-)nächsten regulären Wahltermin gehen würde. Dann hätten wir tatsächlich nur alle 4, 5 oder 6 Jahre Wahlkampf, vielleicht mit anderen Problemen, aber wohl auch mit höherer Wahlbeteiligung auf Landesebene. Zumindest wäre das eine Überlegung wert.
Eine ganz andere Frage ist wie man das politische Handeln von den Wahlterminen entkoppeln könnte. Eine Idee, die ich gehört hatte, war mehr direkte Demokratie, nicht wie in der Schweiz, aber zumindest inspiriert durch das Schweizer System. Dem Podcast hatte ich leider nur halb zugehört und kann das jetzt weder genauer ausführen , noch auf die Kürze den Link dazu liefern. Vielleicht kann jemand anderes aushelfen.