Idee zur Schuldenbremse - KPIs für Politiker:innen

Ich gebe dir absolut recht, dass es hier hapert. Ich habe mich eine Zeit lang kommunalpolitisch in einer Kleinstadt etwas engagiert und verfolge das Geschehen dort noch heute. Da gibt es ganz viel Potential für Einsparungen, ohne dass es der Bürger nur im Ansatz merken würde.

Sobald es für irgendwas eine Förderung von 80-90 % gibt, dann wird es angeschafft, ob man es braucht oder nicht. Neues Stadtlogo, digitale Reklametafeln (die nur städtische Veranstaltungen bewerben, also keine Einnahmen generieren), etc.

Und bei großen Bauvorhaben ist das Problem, dass diese nur alle 20 Jahre in einer kleinen Gemeinde vorkommen und daher gar nicht die Erfahrung für sowas vorhanden ist.

Der Unterschied zwischen deiner Betrachtung und meiner ist nicht, dass wir den Handlungsbedarf zu Verbesserung unterschiedlich sehen, sondern dass du lieber eine Bewertung von Politikern als Instrument willst, ich lieber eine Änderung der Prozesse.

Gerade bei Großprojekten mit aufwändigen Ausschreibungen würde ich mir wünschen, dass nicht vorwiegend das örtliche Bauamt diese umsetzt, sondern dass es überregional Stellen gibt die nichts anderes machen als solche kommunalen Bauprojekte umzusetzen und damit über einen ganz anderen Erfahrungsschatz verfügen.

Es bräuchte auch viel mehr gemeindeübergreifende Planung und ggf. sogar gemeinsame Verwaltungen. Dass Projekte stillstehen, weil die einzige Kraft in einem Bereich 3 Monate krankgeschrieben ist könnte so z.B. auch verhindert werden.

Wie gesagt. Ob es sich gelohnt hat ist von vielen Faktoren abhängig und nicht immer auf eine Leistung einer Partei zurückzuführen. Bei Sportstätten für Profisport natürlich ganz eindeutig, aber auch bei vielen anderen Baumaßnahmen gibt es da ganz viele Faktoren die nicht direkt beeinflussbar sind.

Ich sage nicht, dass ein Kompromiss nicht mehr sinnvoll sein muss, sondern dass die Verantwortung nicht mehr eindeutig gegeben ist. Ist das Vorhaben jetzt gefloppt weil Partei A diesen Punkt unbedingt umgesetzt haben wollte oder weil Partei B jenen Punkt umgesetzt haben wollte oder weil Partei C unbedingt wollte, dass auf sonstewas verzichtet wird?

In der Gemeinde wo eins meiner Geschwister wohnt wurde der Ausbau der Kindertagesstätte z.B. jahrelang verzögert, weil man Angst hatte die Zahl der Kinder könnte nach kurzer Zeit wieder sinken oder es könnte einen Trend geben, dass Mütter diese wieder vermehrt länger zuhause betreuen. Erst als die Situation völlig aus dem Ruder lief wurde begonnen den Anbau zu bauen. Der aktuelle Zustand ist desaströs weil auch in den Nachbargemeinden zu wenig Betreuungsplätze sind.

Wenn wir Investitionen auf Wirtschaftlichkeit bewerten und zwar so, dass das einen Einfluss auf einzelne Politiker, aber auch Parteien hat, dann müssen wir auch ausgebliebene Investitionen mit bewerten. Ansonsten kommen wir in eine Situation in der nur das gemacht wird, was eine sichere Bank ist

Ich kenne solche Systeme und kenne aber auch die Problematik, dass eine eindeutige Zuordnung auch da oft nicht möglich ist und Abteilungen darum streiten wer jetzt z.B. für Mehrkosten verantwortlich ist.
Z.B. Abteilung A spart, sei es durch günstiger beschaffte Teile oder Fertigung mit einfacher zu fertigenden Toleranzen und ein paar Abteilungen später kommt es dann zu Problemen bei der Montage die teils Nacharbeit erfordern. Diese Nacharbeit wird dann aber nicht zwingend der Abteilung A in die Kostenrechnung geschrieben sondern bliebt in der eigenen Kostenrechnung. Am Ende findet Optimierung der Zahlen einzelner Abteilungen auf Kosten der anderer Abteilungen statt.

Und so ist es auch in der Politik. Wer von anderen profitiert und nur deshalb kosten spart und wer andere von sich profitieren lässt ist nicht in allen Fällen präzise zu quantifizieren.

So ist das bei jeder Investition. Man muss daher vorab versuchen, das Risiko eines Fehlschlages zu minimieren. Und nochmal, nicht alle Investitionen werden erfolgreich sein. Das liegt in der Natur der Sache. Jedoch muss man es schaffen, die Mehrzahl der Investitionen mit Mehrwert zu implementieren. Das wird nur gelingen, wenn man Einzelne wirklich zur Verantwortung zieht.

Wenn drei Parteien verantwortlich sind, bekommt jeder ein Drittel des Erfolges oder Misserfolges zugewiesen. Ganz einfach. Wenn mehrere Parteien verantwortlich sind, werden sie sich bestimmt gemeinsam engagieren, dass es erfolgreich wird. Heute ist der schlechte Kompromiss ohne Folgen.

Smarte Idee. Also das Verhindern von Investitionen. Hier könnten die anderen Parteien den Geschäftsplan der Institution vorlegen und damit auch das Verhindern zu messen. Ich mag deinen Gedanken…

Das ist nicht das System von dem ich spreche. Es bringt nichts einzelne Arbeilungen gegeneinander auszuspielen, sondern man muss immer das Ganze bewerten.

In jedem Fall mag ich deinen Punkt. Mir geht es gar nicht um ein perfektes System, sondern einen besseren Anreiz zu schaffen, mit Steuergeldern und noch wichtiger mit Schulden verantwortungsvoller umzugehen. Deine Erfahrung aus der Kommunalpolitik müssen sich dringend ändern, wenn wir eine Zukunft in Deutschland haben wollen.

Sehr traurig zu lesen, was du da aus deiner Erfahrung beschreibst. Jetzt verstehe ich auch, warum unsere Schulden steigen. Traurig und echt bitter.

Hier mein Gedanke. Wenn man Politiker:innen transparent bewerten würde, ob sie verantwortungsvoll Steuergelder investieren, dann würde ich davon ausgehen, dass sich der Prozess sehr, sehr schnell von ganz alleine verbessert. Heute läuft das alles intransparent für die Mehrheit der Bürger:innen und daher gibt es keinen Druck etwas zu verändern oder verbessern. Was denkst du?

Gerade Kommunalpolitik ist da doch meist sehr transparent und trotzdem wird oft Geld für teure, später defizitäre Prestigeobjekte verschleudert und in vielen Kommunen geht es eher um persönliche Befindlichkeiten als um konstruktive Arbeit und gewählt werden die Leute meist trotzdem weiter.

Daher glaube ich auch nicht, dass eine Bewertung einzelner Parteien groß was ändern würde.
Ich bin auch allgemein ein Freund davon nicht Schuldige sondern Lösungen zu suchen.

Und meine Lösung ist eher die Prozesse zu optimieren.
Selbst Kleinstädte sind was das Budget angeht quasi mittelständische Betriebe und geführt werden sie oft eher wie eine Schul-AG.

Mein Vorschlag ist auch nicht Schuldige zu suchen, sondern eine Incentivestruktur zu definieren. Du siehst es aktuell als Bestrafung. Ich sehe es eher als eine Chance für Politiker:innen zu zeigen, dass sie ihren Job richtig gut machen und genau diese Prozesse anpassen, die du ansprichst.
Da du aus der Kommunalpolitik kommst und dich über die Missstände aufregst. Deshalb vermute ich, dass es dir sehr helfen würde, wenn Bürger:innen transparent sehen würden, dass du Prozesse änderst und verantwortungsvoll mit dem Geld umgehst.
Mit den richtigen Incentives werden die Prozesse sehr schnell geändert. Heute fehlt der Anreiz für Politiker:innen.

Aber diejenigen, die jetzt z.B. Kommunalpolitik betreiben sind ja nicht die gleichen, die es in der Hand haben diese Prozesse zu ändern.
Wenn z.B. Fördergelder vermehrt nach tatsächlichen Bedarf vergeben werden statt nach dem Windhundprinzip, dann muss das ja von der Seite erfolgen die die Fördergelder vergibt.
Und für die ist es natürlich einfacher und damit erstmal billiger nur nach dem Antragseingang sehen zu müssen statt eine echte Prüfung vorzunehmen.

Und das mit der Transparenz auf kommunaler Ebene ist doch heute schon weitgehend gegeben. Alles was getrickst wird würde auch nicht von solchen Bewertungssystemen aufgedeckt werden, da die ja auch nur die Zahlen die vorhanden sind berücksichtigen. Und alles andere ist schon heute weitgehend transparent, dazu muss man sich nur mal in eine Stadtratssitzung setzen. Und trotzdem kommen da in vielen Kommunen Sitzung für Sitzung Entscheidungen raus über die man nur den Kopf schütteln kann. Und dennoch werden sie immer und immer wieder gewählt. Denke je größer die Stadt und je weniger persönliche Geschichten reinspielen, desto geringer wird das Problem, aber in Städten unter 25k Einwohnern ist Transparenz eh schon da und den meisten bei der Wahl egal.

Und ich kann auch nicht vom Stadtrat oder selbst Bürgermeister einer Kleinstadt verlangen Prozesse auf Effizienz zu optimieren. Da fehlt es meist an Expertise. Reformen müssen auf anderem Weg in die Wege geleitet werden.

PS: Es gibt natürlich auch viele sehr engagierte Kommunalpolitiker und auch Kommunen in denen da Parteiübergreifend gute Arbeit geleistet wird. Das soll kein Pauschalangriff werden.

Verstehe deinen Punkt.

Ich würde mich aber gerne mal von der Kommunalpolitik lösen und lieber diskutieren, ob ein Incentive System auf Bundesebene nicht generell zu neuen und besseren Prozessen führe.

Aus meiner Sicht müssen wir dort anfangen, damit die Weichen gestellt werden und sich der Von dir angesprochene Mindset beim Geldausgeben ändert.

Again, es gibt sicherlich sehr gute Politiker, die nicht nur auf Stimmenfang unterwegs sind, sondern auch das Land verbessern wollen.

Freu mich auf eure Kommentare und Ideen.

Ich arbeite in der IT, hier sind KPIs an der Tagesordnung. Weswegen ist das so? Weil die meisten davon sehr einfach gestrickt sind und technische Daten abgreifen, die faktisch sind. Damit kann man dann arbeiten.

Menschen und damit auch Politiker, und noch schlimmer, die Komplixität der Welt und die Abwägungen, machen es meiner Meinung nach zumindst extrem schwieirig hier KPIs zu erstellen, die dann nicht super unterkomplex sind und die Wirklichkeit gar nicht abbilden.

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Verstehe deinen Punkt. Ich denke aber, dass man relativ leicht mit gaengigen KPIs eine Investition bewerten kann, d.h. ich bin ganz zuversichtlich, dass man wie in der IT einfach KPIs definieren kann.

Darauf will ich hinaus.

Deshalb rede ich vorwiegend von kommunalen Themen, weil die noch einfacher zu bewerten sind.

Und für eine Bewertung müsste man ja erstmal verschiedene Faktoren Gewichten, und schon da wird man sich nicht einig sein. Wie werden soziale oder kulturelle Fragen bewertet, wie hoch darf ein Defizit sein bevor es negativ bewertet wird. Da hat sicher die Linke eine grundsätzlich andere Auffassung als die AfD.

Und wie bewertet man z.B. nicht eingetretene Ereignisse. Hochwasserschutz z.B. wo es um Jahrhundertereignisse geht.

Am Ende sehe ich andere Wege Transparenz herzustellen als geeigneter an. Denn dann kann jeder selbst anhand eigener Kriterien bewerten.

Verstehe euch. Ich sehe das Problem aber eher an anderer Stelle, was mir seit der letzten Lagefolge klarer geworden ist.

Politiker:innen haben gar kein großes Interesse an Investitionsentscheidungen, weil der Vorteil den Regierungen der Zukunft zu gute kommen wird. Deshalb werden eher konsumtive Ausgaben (Mehrwertsteuerkürzungen, Rentenerhöhungen) vorangetrieben, die direkt einen Effekt haben.

Deshalb brauchen wir aus meiner Sicht ein Anreizsystem, dass diese notwendigen, langfristigen Investitionen attraktiv macht. Wenn also heute eine Entscheidung einer Partei oder einer Politiker:in zu Mehrwert in der Zukunft führt, so sollte das der Person aber auch der Partei langfristig zugerechnet werden.

Bei Investitionen kann man relativ einfach prüfen, ob das Versprechen realisiert wurde. Es fängt an, ob das Projekt im Budget geblieben ist. Da fällt mir leider der Berliner Flughafen ein. Man kann darüberhinaus die Payback-Zeit vor und nach der Investition messen und vergleichen. Das sind einfache KPIs, die man ergänzen könnte, um den Nettobarwert (NPV) oder das Kapitalverhältnis (PVI). Das sind ebenfalls bei Investitionen gängige KPIs, die ja auch von den Parteien selber gar nicht erhoben werden sollen. Das kann ein unabhängiges Institut, dass einen Partei-übergreifenden Standard definiert und diese Werte langfristig misst. Ich habe auch keine Angst vor den Kosten dieses Instituts, da die Ausgaben in Investitionen diese Prüfung locker decken sollten. Selbst, wenn 1000 Mitarbeiter:innen dort arbeiten würden.

Ich sage nicht, dass die Aufgabe einfach ist. Jedoch müssen wir unsere Regierungen auf eine langfristigere Sichtweise heben und gleichzeitig die Ausgaben von Steuergeldern professionalisieren. Sonst sehe ich Deutschland (wie viele andere Länder auch) in einem Schuldenberg ersticken. Und - again - Schulden müssen zurückbezahlt werden… hier auch wieder eine langfristige Sichtweise. Wenn wir so weitermachen… und die Beispiele aus der Kommunalpolitik oben machen das sehr anschaulich… dann werden wir Klimawende, Digitalisierung usw. nicht vorantreiben und unseren Wohlstand aufs Spiel setzen.

Finde ich als reiches Land sehr umprofessionell… auch wenn ich aktuell nicht in Deutschland wohne.

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Das sehe ich absolut so.

Ein Beispiel was ich oft sehe betrifft Eisstadien. Da war ich lange in ganze vielen in Europa. Während in Deutschland jedes einzelne komplett individuell geplant ist und enorm hohe Kosten im Bau verursacht sind die Stadien in Skandinavien oder Osteuropa oft aus einem Baukasten und tauchen in ähnlicher Form an verschiedenen Orten auf.
Damit spart man natürlich in Planung und Bau, der Bürgermeister hat aber natürlich kein komplett individuelles „Denkmal“.

Gleiches bei Schulen. Statt einem Baukasten der günstig an die jeweiligen angepasst werden kann, gibt es immer wieder komplett individuelle Planungen und am Ende wird lieber nicht oder Jahre später gebaut als einfach zweckmäßig und günstig zu planen.

Oder gibt es sowas bereits verbreitet und ich habe es nur nicht mitbekommen.

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Sehr interessantes Beispiel. Echt cool, von deiner Erfahrung zu lernen.

Wenn man messen würde, ob sich ein Eisstadium im Nachgang gerechnet hat, dann gehen die Baukosten natürlich dramatisch in solche KPIs ein. Wenn ich das Stadion mit weniger Geld und gleicher Auslastung realisieren kann, dann würde dieser Poliker:in besser darstellen, als der von dir genannte Bürgermeister, der ein Denkmal wollte.

Smarter Investieren wie du es mit deinen Beispielen forderst, muss sich für unsere Parteien und Politiker:innen lohnen.

Deine Beispiele bestätigen mich darin, dass wir den Erfolg von Investitionen langfristig messbar machen müssen und Parteien belohnen, die besonders schlau (z.B. Baukasten statt Denkmal) investieren.

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Man könnte ja anfangen Projekte nicht absolut zu bewerten, sondern mit gleichartigen Projekten innerhalb Deutschlands oder gar Europas.

Und bei schlecht gehenden Projekten dann analysieren warum das Projekt schlechter lief als vergleichbare. Vielleicht gibt es ja auch handfeste Ursachen dafür die auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind. Vielleicht liegt es aber auch an Punkten die man hätte anders lösen können.
Daraus können dann auch andere mit einem vergleichbaren Projekt lernen, sodass jedes weitere Projekt dann eigentlich immer effizienter werden müsste, statt dass jedes Projekt wieder bei Null beginnt.

Gute Idee. Das unabhängige Institut könnte alle Projekte für Interessierte zugänglich machen. Somit würde man vorab wissen, ob es ein solches Projekt bereits gegeben hat oder ob das das Denkmal des Bürgermeisters werden soll.