Hürden für Bundestagswahl - was kann schiefgehen?

Mich würde mal interessieren, wie sich eine Partei zu einer Bundestagswahl aufstellen lassen kann und was dabei schiefgehen kann.

Die Grünen dürfen wohl im Saarland nicht antreten, während die Bremer AfD wohl doch noch zugelassen wird.

Hier übrigens der Hintergrund für die Grünen-Story (wenn ich es richtig verstanden habe, war erst ein Mann auf Listenplatz 1, wurde dann aber geändert und jetzt steht eine Frau ganz oben, sie dürfen aber nicht mehr antreten?): Saarland: Die Grünen wählen Jeanne Dillschneider auf Listenplatz eins - DER SPIEGEL

Ich finde das Ganze durchaus verwirrend und wäre froh, mal etwas über die (juristischen) Hintergründe und die Prozesse zu erfahren.

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Soweit ich das verstanden habe hat man nach einer für ungültig erklärten ersten Wahl eine zweite abgehalten, bei der, aus welchen Gründen auch immer, der Ortskreis des vormaligen Gewinners der Wahl nicht abgestimmt hat (ob selbst initiiert oder ob sie ausgeschlossen wurden scheint auch unklar).

Alles in allem ein echter Verkacker der Grünen.

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Das konnte ich auch nur verwundert lesen.
Einerseits natürlich wie die Grünen es nicht schaffen eine gültige Landesliste aufzustellen. Viel mehr aber wie einfach es anscheinend ist, Parteien von einer Wahl auszuschließen.

Wenn das in der Lage aufgegriffen wird, würde mich deshalb vor allem die gesetzliche Grundlage der Entscheidung interessieren.
Wodurch ergibt sich die Legitimation der Wahlleiter und der Wahlausschüsse? Und mit welcher Freiheit wird solch eine Entscheidung getroffen? Wer kontrolliert die Entscheidung?


Glaubt wirklich jemand, dass es demokratischer ist, 800.000 Wahlberechtigten die Möglichkeit zu nehmen die Grünen zu wählen, als eine Landesliste zuzulassen, bei der 40 Delegierte nicht abgestimmt haben.
Und diese Entscheidung wird von 10 Leuten (von denen 6 zugestimmt haben) gefällt? Die ursprüngliche Entscheidung von der saarländischen Wahlleiterin allein? Oder versteh ich da was falsch.

Vor allem geht es doch um die Zweitstimme. Da geht es 99% der Wähler doch um die Partei und nicht wer genau dann über die Liste im Bundestag sitzt.
Heißt jetzt nicht dass ich das okay finde wenn da so geschluddert wird, aber mit diesem Urteil schädigt man den demokratischen Prozess doch um ein Vielfaches mehr.

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Unter Deutscher Bundestag - Mediathek → Ausschussitzungen gibt es eine komplette Auzeichnung der gestrigen Sitzung des Bundeswahlausschusses. Alleine die Grüne Landesliste Saarland wurde anderthalb Stunden erörtert. (Letzter TOP, ungefähr ab Stunde 2:30.)

Zusammen mit dem übrigen Kontext, der in der Sitzung nicht erörtert wurde, aber in den vergangenen Wochen hier und da zu lesen war, stellt sich mir die Geschichte so dar:

Es gibt bei den Grünen im Saarland eine Art Lokalfürsten aus dem Kreis Saarlouis, der im Rest der Partei mittlerweile nicht mehr sonderlich wohlgelitten ist. Der Verband Saarlouis stellt aber rund ein Drittel der Delegierten des gesamten Landesverbandes, und mit deren Hilfe wurde er entgegen des Frauenstatuts auf Platz 1 der Landesliste gewählt. (Wichtig, weil das Saarland so klein ist, dass es bei allen wahrscheinlichen Wahlergebnissen nicht mehr als eine(n) Grünen-Abgeordnete(n) stellt.)

Das hat ziemlich viele Leute im Landesverband angepisst. Es hagelte Rücktritte und ein großer Teil des LVs (mit Unterstützung von außerhalb) wollte die Wahl nicht akzeptieren, auch weil es wohl Verdächtigungen gibt, dass die hohe Anzahl der Saarlouiser Delegierten nicht unbedingt auf einwandfreien Mitgliedsdaten basiert.

Parteischiedsgerichte haben deshalb entschieden, dass die ursprüngliche Liste nicht eingereicht werden darf und eine neue Liste gewählt werden muss. Das offizielle Argument war wohl, dass bei der Wahl der Delegierten im Verband Saarlouis entgegen der Satzung die Parteiöffentlichkeit (aka. Grüne von außerhalb) ausgeschlossen waren und an der Beobachtung der Wahl gehindert wurden. Daher seien die Saarlouiser Delegierten nicht ordnungsgemäß gewählt und dürften deswegen nicht an der kurzfristig einberufenen erneuten Wahl der Bundestagsliste teilnehmen. Um im Verband Saarlouis eine neue Delegiertenwahl durchzuführen fehlte mittlerweile die Zeit, da nur noch wenige Tage bis zur Einreichungsfrist der Wahlunterlagen übrig waren. (Entsprechende Versuche sind allerdings auch nicht bekannt.)

Nach Auffassung des Bundeswahlleiters und der Mehrheit im Bundeswahlausschuss war nun dieser Satzungsverstoß bei der Wahl der Delegierten in Saarlouis nur ein geringer Mangel und kein Grund, praktisch ein Drittel der Parteibasis des Landesverbandes von der Teilnahme an der Aufstellung der Bundestagskandidaten auszuschließen. Dieses Vorgehen stelle im Gegenteil einen gravierenden Verstoß gegen das innerparteiliche Demokratieprinzip dar, und deswegen sei die Aufstellung der neuen Landesliste nicht gesetzeskonform gewesen.

Die Position der Grünen und der Ausschussminderheit war dagegen, dass Parteigliederungen sich nicht einfach über Satzungsbestimmungen hinwegsetzen dürften. Eine Delegiertenwahl, die nach Urteil der Parteischiedsgerichte unter satzungswidrigen Bedingungen stattfand, ist ungültig, und es liegt in der Verantwortung der Gliederungen, gültige Delegiertenwahlen abzuhalten. Dies dürfe dem Rest des Landesverbandes nicht angelastet werden, und bei eine Entscheidung gegen die Landesliste der Grünen würde unteren Gliederungen ermöglichen, Landesverbände praktisch in Geiselhaft zu nehmen.

Wie mittlerweile bekannt ist, hat sich die Ausschussmehrheit dieser Auffassung nicht angeschlossen und die Ablehnung der Landesliste bestätigt.

Ich würde das allerdings nicht der „Unfähigkeit“ der Grünen zuschreiben. Ich denke eher, dass sie diese Entscheidung sehr wohl einkalkuliert haben. Wie oben erwähnt, können die Grünen des Saarlandes aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr als einen Abgeordneten entsenden. Beide Seiten wollten eben unter keinen Umständen, dass dieses Mandat dem innerparteilichen Gegner zufällt und haben dies der Variante vorgezogen, eine gültige Liste mit einem ungewollten Spitzenkandidaten einzureichen.

So weit, so verständlich. Was mich aber an der Wahlausschusssitzung auf die Palme gebracht hat, war nicht die nachvollziehbare Entscheidung zu Lasten der Grünen, sondern wie meiner Ansicht nach klar das Gesetz gebrochen wurde bloß um der AfD doch noch die Teilnahme im Land Bremen zu ermöglichen!

Dazu muss man wissen, dass laut Bundeswahlgesetz einem Wahlvorschlag unter anderem die eidesstaatlichen Versicherungen vom Versammlungsleiter und von zwei von der Versammlung bestimmten Teilnehmern beigefügt werden müssen, die bestätigen, dass die Wahl korrekt durchgeführt wurde, geheim war, jeder Kandidat sich vorstellen durfte, usw.

Bei der AfD in Bremen war es nun aber so, dass eine dieser beiden von der Versammlung bestimmten Personen sich im Nachhinein einfach geweigert hat, diese eidesstattliche Versicherung abzulegen, vermutlich weil ihre bevorzugten Kandidaten nicht gewählt wurden. Als klar wurde, dass sie sich auch nicht umstimmen lässt, hat daher der Versammlungsleiter nachträglich einfach jemand anders bestimmt, und der hat dann die eidesstattliche Versicherung abgelegt.

Das Gesetz ist da jetzt eindeutig, dass dieser Wahlvorschlag eigentlich nicht gültig sein kann, aber aus irgendwelchen Gründen wollte die Mehrheit im Wahlausschuss nicht so entscheiden und hat dann eine halbe Stunde herumgerätselt, dass das ja eine dumme Situation ist, dass eine einzelne Person so den Wahlvorschlag sabotieren kann, und dass ja gar keine Zeit mehr war um eine neue Aufstellungsversammlung durchzuführen, und dass das vom Gesetzgeber ja so gar nicht gewünscht gewesen sein kann, und deswegen hat die Ausschussmehrheit dann am Ende so abgestimmt, dass sie den Landeswahlausschuss Bremen überstimmt und die Liste doch zugelassen haben.

Für mich war das ein klarer Rechtsbruch, insbesondere weil bei allen anderen behandelten Fällen immer wieder auf die besondere „Normstrenge“ der Wahlgesetzgebung beharrt wurde, die unter keinen Umständen irgendwelche Toleranzspielräume zugunsten der Parteien zulässt.

Insbesondere steht die Entscheidung im starken Kontrast zur bestätigten Ablehnung der Landesliste der Piratenpartei, ebenfalls vom Landeswahlausschuss Bremen. Dort hatte die Versammlung u.a. die Versammlungsleiterin zu einer der beiden eidesstattlichen Versicherungen verpflichtet. Diese hat dann die EV sowohl in ihrer Eigenschaft als Versammlungsleiterin, als auch als von der Versammlung bestimmte Teilnehmerin abgelegt. Das wurde vom Wahlleiter moniert, es müssten zwei zusätzliche Versammlungsteilnehmer, insgesamt also drei sein, was sicherlich auch korrekt ist. In diesem Fall wurde die „Nachnominierung“ anderer Versammlungsteilnehmer aber – im krassen Gegensatz zur Entscheidung zugunsten der AfD – strikt ausgeschlossen, da diese ja nicht von der Versammlung bestellt worden seien. Die einzige Möglichkeit der Heilung wäre die Abhaltung einer (zeitlich kaum noch möglichen) neuen Aufstellungsversammlung gewesen, und das wurde dann vom Bundeswahlausschuss einstimmig so bestätigt.

Für mich völlig unverständlich, dass Mitglieder des Bundeswahlausschusses offensichtlich so viel Angst haben, dass die AfD mal wieder herumopfert, und die BILD das vielleicht noch unsachlich skandalisiert, dass sie zugunsten der AfD klar und eindeutig gegen das Gesetz verstoßen, und ich frage mich, ob Bundeswahlausschussmitglieder nicht „andere Amtsträger“ im Sinne des § 339 StGB (Rechtsbeugung) sind.

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Sehr gut zusammengefasst und erklärt!

Nach Sichtung der Ausschusssitzung kann ich Ihren polemische Kommentar zur Beschwerde der AfD nicht nachvollziehen und will ihm – wie ja bereits der Bundeswahlausschuss – diametral widersprechen.

Richtig ist: Der Bundeswahlausschuss hat hier eine Gesetzeslücke identifiziert.

Richtig ist: Der Bundeswahlausschuss hat mit 9 zu 1 (bei 1 Enthaltung) quasi einstimmig entschieden.

Richtig ist: Es wurde eine juristisch fundierte Debatte geführt.

Korrekt. Es ging darum, ob es irgendein Argument gibt der AfD ihren vom Grundgesetz zugestandenen Anspruch auf Partizipation an der Demokratie zu verwehren. Es wurde (fast einstimmig) festgestellt, dass die AfD wohl den bestmöglichen Weg gefunden hat trotz dieser Gesetzeslücke im Sinne des Grundgesetzes zu handeln. Insbesondere wurde betont, dass die AfD ihr Vorgehen auf Grundlage einer Entscheidung des Landeswahlausschuss NRW getroffen hat, wo dieses bei einem ähnlichen Fall genauso entschieden hat wie nun der Bundeswahlausschuss. Soll heißen, die AfD hat sich an der vorherrschenden Rechtspraxis orientiert.

Statt Angst sehe ich hier die Achtung der Demokratie.

Es gab kein Gesetz, das gebrochen werden konnte, aber die Gefahr eine verfassungswidrige Entscheidung zu treffen.

Die Alternative wäre es gewesen ohne irgendwelche stichhaltigen Gründe die Beschwerde der AfD abzulehnen. Dann hätte die AfD nahezu sicher Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Hier hätte dann die sehr reale Gefahr bestanden, dass das Bundesverfassungsgericht der Beschwerde der AfD stattgibt. In der Konsequenz hätte die AfD erst recht darauf herumreiten können, dass sowohl Landeswahlausschuss wie auch Bundeswahlausschuss „Verfassungs-Beugung“ betreiben um die AfD bei der Partizipation an der Demokratie zu behindern.

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Falsch. Gesetzeslücke hieße, dass etwas nicht geregelt ist. Es ist aber exakt geregelt, dass die eidesstattliche Versicherung von zwei von der Versammlung bestimmten Teilnehmern abgelegt werden muss. Da gibt es keine Lücke, insbesondere angesichts dessen, wie der Wahlleiter während der Sitzung bei praktisch allen anderen Fällen immer wieder betont hat, wie streng die wahlgesetzlichen Vorgaben auszulegen sind, und dass es keinen Interpretationsspielraum gibt. Auch im parallelen Fall der Piratenpartei, wo eben keine Ersatzpersonen für die eidesstattliche Versicherung bestimmt werden durften. Das war im Grunde exakt derselbe Fall, bloß wurde genau andersrum entschieden.

Es gibt übrigens – wie ich aus eigener Anschauung weiß – eine triviale Lösung für das „unlösbare“ Problem, in das die AfD gelaufen ist, die aber im Wahlausschuss nicht zur Sprache kam: Die Formulare noch auf der Versammlung auszufertigen und unterschreiben zu lassen. Dann wäre die Versammlung nämlich noch problemlos in der Lage, auf so eine Weigerung zu reagieren und eine andere Person zu bestimmen.

„Quasi einstimmig“ ist Quatsch. Entweder ist es einstimmig oder mehrheitlich. Bei Enthaltungen könnte man noch darüber diskutieren, aber dann lautete die präzise Formulierung „ohne Gegenstimmen“.

In der auch von Ausschussmitgliedern, die später dafür gestimmt haben, klar dargelegt wurde, dass das Gesetz eigentlich gegen die AfD spricht, sie aber das Gesetz an der Stelle für falsch halten. Es liegt aber nicht in der Kompetenz des Wahlausschusses, Gesetze zu bewerten und dann selektiv nicht anzuwenden. Der Bundeswahlleiter kann allenfalls im Nachgang dem Gesetzgeber Anregungen geben, das Gesetz an der Stelle zu ändern, was ja auch diskutiert wurde.

Der Wahlausschuss hatte kein Problem damit, anderen Parteien diesen „vom Grundgesetz zugestandenen Anspruch auf Partizipation an der Demokratie zu verwehren“. Weil die Post getrödelt hat, weil es bereits 18:11 Uhr war oder weil nur von der Aufstellungsversammlung bestellte Personen die eidesstattlichen Versicherungen ableisten dürfen!

Immer war die Argumentation klar und eindeutig: Das Gesetz ist streng und formal, und es liegt alleine in der Verantwortung der Parteien, es bis ins Detail zu befolgen. Ist das bis zur Ausschlussfrist nicht passiert, geht das immer zu Lasten der Partei (außer offensichtlich bei der AfD). Einzige nennenswerte Ausnahme: Die zuständige Stelle zur Bestätigung der Unterschriften verzögert die Bearbeitung, was ja auch Sinn ergibt, da sich das komplett dem Einzugsbereich der Partei entzieht.

Dass eine Partei eine Person für eine Funktion bestimmt, die dann die Interessen der Partei verrät, liegt dagegen eindeutig im Verantwortungsbereich der Partei. Und der Wahlausschuss lag auch vollkommen falsch in seiner Analyse, dass er da eine singuläre Stelle im Gesetz gefunden hat, wo eine einzige böswillige Person die Wahlteilnahme sabotieren kann. Man stelle sich z.B. vor, die Vertrauensperson reicht die Wahlunterlagen nicht ein oder schreddert die Unterstützerunterschriften o.ä. Wenn man zu einer Wahl antreten will, sollte man eben darauf achten, wen man mit wichtigen Aufgaben betreut.

Nein. Einer selber demokratieverachtenden Partei Spielräume zuzugestehen, die anderen Parteien verwehrt werden, ist im Gegenteil ein klarer Verstoß gegen die Chancengleichheit der Parteien.

Was soll daran verfassungswidrig sein, wenn die AfD sich an die gesetzlichen Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes halten muss? Ist das Bundeswahlgesetz jetzt verfassungswidrig? Das hat nicht einmal der Bundeswahlleiter behauptet.

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Verschriftlichtes Zitat des Bundeswahlausschusses (kam so auch wiederholt mündlich vor):

Allerdings konnte der Bundeswahlausschuss der AfD auch nicht aufzeigen, was sie anders hätte machen können, um den Mangel zu beseitigen. Insofern liege eine Gesetzeslücke vor. Die Partei sei einen „gangbaren Weg“ gegangen, weshalb ihrer Beschwerde bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung stattgegeben wurde.

Bei 8 zu 1 ist „quasi einstimmig“ definitiv weniger suggestiv als „mehrheitlich“. Letzters suggeriert, dass es eine knappe Mehrheit war von z.b. 6 zu 5. Und dies ggf. eine kontrovers diskutierte Entscheidung war. War es aber nicht. Nur das von Die Linke vorgeschlagene Ausschussmitglied hat dagegen gestimmt, sei es nun aus politischen oder fachlichen Gründen (das sei hier auch nicht relevant).

Die Debatte wurde absichtlich im Abstrakten gehalten. Es wurde damit begonnen, was man eigentlich macht, wenn der Unterschriftengeber vor dem Unterschreiben verstirbt. Hier wurde hergeleitet, dass eine strikte Auslegung der gesetzlichen Regelungen offensichtlich nicht mit den Grundsätzen der Demokratie vereinbar wären.

Es ist ja gerade der Auftrag des (Bundes-)wahlausschusses zu ermitteln, ob die Partei gegen gesetzliche Regel verstoßen hat oder eben nicht (da eine Gesetzeslücke vorliegt oder wie im Falle der Bremer Freien Wähler genügend Mitschuld bei der Landeswahlleitung gesehen wurde).

Ob das Anmeldungsprozedere generell robuster gegen Verstöße wie dem der Piraten gestaltet werden sollte, ist eine andere Debatte. Übrigens wurden auch die Beschwerde der Freien Wähler zugelassen. In dem Fall ist sogar in der Tat der Unterschriftengebende verstorben.

Das sehen Sie so, aber der Bundeswahlausschuss nicht (in diesem Punkt sogar wohl einstimmig).
Man stelle sich vor die CDU dürfe in NRW wegen so etwas nicht antreten. Etwa 30 CDU Abgeordnete weniger im Bundestag und damit wäre vermutlich eine andere Regierung an der Macht. Weil eine einzige Person von Industrievertretern bestochen wurde oder als V-Mann inländischer oder ausländischer Geheimdienste frühzeitig eingeschleust wurde. Die Legitimation der Bundestagswahl wäre hinfällig. Eine wehrhafte Demokratie kann nicht einer einzigen Person so viel Machtfülle zugestehen.

Das Bundeswahlgesetz ist nicht verfassungswidrig, aber ein Ausschluss der Bremer AfD von der Bundestagswahl könnte es sein.

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Das ist aber falsch. Alleine im Bundeswahlausschuss wurden zwei alternative Möglichkeiten aufgezeigt: Die Versammlung wiederholen oder die Person juristisch zwingen, entweder die EV abzulegen oder die Verweigerung so zu begründen, dass sie sich auf ihren Inhalt bezieht. Das kommt ja noch dazu. Warum die Frau die Unterschrift verweigert hat, wurde gar nicht versucht zu eruieren, sondern die Darstellung der AfD, es wäre weil ihre bevorzugten Kandidaten nicht gewählt wurden, wurde als gegeben hingenommen. Ist zwar jetzt nicht unwahrscheinlich, aber vielleicht stimmt das ja gar nicht.

Eine dritte Möglichkeit hab ich oben erwähnt, nämlich gleich auf der Versammlung unterschreiben lassen.

Im übrigen ist da wiederum auf den Fall der Piratenpartei zu verweisen. Auch da hat der Bundeswahlausschuss keine Möglichkeit aufgezeigt, den Mangel zu beseitigen. Weil es eben laut Gesetz keinen Weg gab. (Außer die Versammlung zu wiederholen.)

„Mehrheitlich“ suggeriert nicht, dass es eine besonders knappe Mehrheit war.

Mal abgesehen davon, dass man auch hier die Unterschrift direkt nach der Wahl der Liste ableisten kann, und die Gefahr dann einfach nicht gegeben ist, ist die Kandidatin hier nicht verstorben. Deswegen läge dieser theoretische Fall doch deutlich anders. Wenn eine Person plötzlich verstirbt, ist das ein Akt höherer Gewalt. Wenn eine Parteiversammlung dagegen irgendeine dahergelaufene, nicht vertrauenswürdige Person mit einer wichtigen Aufgabe betraut, liegt das ja wohl in der Verantwortung der Partei.

Im Falle der Freien Wähler war es aber gerade so, dass die Partei unmittelbar im Anschluss an die Versammlung hat unterschreiben lassen. Sie hatten bloß die falschen Formulare, weswegen die Person dann nicht die Liste als ganze, sondern jeden einzelnen Wahlgang eidesstattlich versichert hat. Das ist in Summe inhaltlich deckungsgleich, der Vorgang wurde also eidesstattlich versichert, aber der Landeswahlleiter bzw. seine Mitarbeiter hat das richtige Formblatt eingefordert und das war dann nicht mehr möglich, weil die betreffende Person erst schwer erkrankt war und dann verstarb.

Das ist eine interessante Frage: Warum passiert sowas wohl der AfD und nicht der CDU? Ist das Zufall oder findet sich in der CDU vielleicht einfach nicht dieselbe Verachtung demokratischer Prozeduren? Für die CDU ist die korrekte Verfassung der Wahlteilnahme vielleicht die Vorbereitung auf den Höhepunkt der Demokratie und nicht irgendein lästiger Papierkram, den man bis wenige Wochen vor Fristablauf aufschiebt und dann vom Praktikanten zusammen stümpern lässt.

Dass die gesetzliche Regelung einer einzigen Person eine besondere Macht verleiht, ist einfach falsch, wenn man als Partei nicht durch eigenes Versäumnis diese Machtausübung erlaubt.

Davon abgesehen würde es für so einen Industrieverband oder Geheimdienst viel mehr Sinn ergeben, jemand als Vorsitzenden oder zumindest als Vertrauensperson einzuschleusen, denn da könnte dieser die Wahlteilnahme noch viel einfacher sabotieren, aber so einen langfristig eingeschleusten Deep-Cover-Agenten durch so offensichtliche Sabotageaktion zu verbrennen wäre sowieso nicht die schlaueste Idee.

Und wie oben schon beschrieben – ich kenne die Bestimmung mit den eidesstattlichen Versicherungen. Vor einiger Zeit war ich in einer kleineren, aber doch nicht ganz kleinen Partei über mehrere Jahre hinweg auf Landesebene die Person, die praktisch hauptverantwortlich die Wahlteilnahmen organisiert hat, war Wahlleiter auf Versammlungen, Vertrauensperson usw. Ich bin kein Jurist, aber trotzdem war mir nach Lektüre der Unterlagen und der Gesetze selbstverständlich klar, dass die eidesstattlichen Versicherungen ein Single Point of Failure sind und deswegen unbedingt noch auf der Versammlung selber abgehandelt werden müssen. Ob das nun eine sinnvolle gesetzliche Regelung ist, hat alleine der Gesetzgeber zu entscheiden. Die AfD ist voller Juristen, die das auch sehen müssten, wenn es sie interessieren würde. Sie verlassen sich halt darauf, dass niemand sich trauen wird, ihnen die Wahlteilnahme zu verwehren, egal wie schlampig sie die Formalitäten erfüllen. Und wenn doch, verlieren sie in Bremen ja sowieso nur wenige Stimmen und können wiederum einen Opfermythos draus drehen.

Ein parteiübergreifendes Gremium aus Volljuristen und zwei Bundesverwaltungsrichter sehen das so, Sie sehen das anders. Dürfen Sie ja und können hier ja auch Ihre juristische Einschätzung darlegen.

Mir ging es schlichtweg darum den Bundeswahlausschuss vor Ihrem Vorwurf der Parteilichkeit zu verteidigen. Denn der geht nicht gegen die Sache sondern wiederholt polemisch gegen die AfD – nehmen wir beispielsweise Ihre letzte Verleumdung, dass die AfD die Unterlagen „vom Praktikanten zusammen stümpern lässt“.

Zur Sache wurde vom Bundeswahlausschuss bereits alles gesagt und ich habe keine Lust mehr Ihren ad hominem Argumenten zu begegnen. Für mich ist diese Debatte hier nun beendet.

Sie gehen halt null auf Argumente ein, sondern beschränken sich darauf, dass a) eine Verweigerung der Wahlteilnahme der AfD in Bremen verfassungswidrig wäre – ohne das in irgendeiner Form zu begründen – und dass b) der Bundeswahlausschuss als Expertengremium sowieso Recht hat, selbst wenn er in einer einzigen Sitzung absolut gegensätzliche Entscheidungen trifft und in der Zusammenfassung behauptet wird, Lösungsmöglichkeiten, die während der Sitzung öffentlich aufgezeigt wurden, hätte es gar nicht gegeben.

Ich kann nicht viel zur juristischen Debatte beitragen, aber sehe hier zwar oberflächlich ähnliche aber doch grundsätzlich andere Umstände in den beiden Fällen.
Bei der AfD wurde zunächst formell richtig gehandelt und erst im Anschluss gab es ein Problem um eine Person die sich geweigert hat ihrer Aufgabe nachzugehen. Diesem Problem wurde adäquat und offenbar dem Sinne des Gesetzes entsprechend begegnet.

Bei den Piraten wurde, nach deiner Schilderung, ohne Not von der Norm abgewichen und damit ist der Ausschluss selbstverschuldet.

Genau das ist eben nicht der Fall. Die Versammlung soll die Leute aus ihrer Mitte bestimmen, die die EVen ablegen, damit nicht irgendwelche Vorstände oder Versammlungsleiter sich jemanden handverlesen herauspicken, der vielleicht nicht so auf faire Wahlen achtet. Es ist also genau das Gegenteil von „im Sinne des Gesetzes“, wenn im Nachhinein von irgendeinem Funktionsträger eine andere Person bestimmt wird.

Im übrigen ist es auch selbstverschuldet, die EV nicht unmittelbar im Anschluss an die Wahl, noch während der laufenden Versammlung eingeholt zu haben, denn dann hätte auch die Versammlung im Zweifelsfall noch die Chance gehabt, jemand anderes zu bestellen.

Was die Piraten angeht, sehe ich das genauso. Selber schuld.

[Hervorhebung von mir, Disclaimer: Ich hab das Video nicht gesehen, sondern nur die Diskussion hier.]
Ist das denn tatsächlich klar und sollte nicht mindestens diese Person angehört werden?

Die Idee von der ganzen Sache ist es doch, dass die Versammlung Vertrauenswürdige Personen bestimmt die die Korrektheit der Wahl bestätigen. Wenn das diese Personen nicht tun wollen, dann muss es doch einen Fallback-Mechanismus geben der irgendwie diese Personen oder eben die Versammlung (das entsprechende Organ) einschließt.

So wie es jetzt vom Wahlausschuss zugelassen wurde macht es das ganze doch wirklich zu einer völlig absurden Formsache, die bei einer potentiell nicht ordnungsgemäß abgelaufenen Wahl dem Vorstand des entsprechenden Organs ermöglicht eine Liste einzureichen.

  • Diese Anmerkung ist jetzt erstmal ohne den konkreten Bezug zur AfD (über deren Nichtzulassung ich keine Träne weinen würde) zu verstehen.