Die Antwort auf beide Fragen liegt in der richterlichen Unabhängigkeit - und die halte ich auch für sehr wichtig, auch wenn sie, wie im Falle des Hamburger Landgerichts insbesondere im Hinblick auf Urheberrechtssachen, oft zu problematischen Situationen führt.
Die Gerichte entscheiden im Rahmen des geltenden Rechts. Nur wenn sie sich wirklich deutlich davon entfernen, also in eklatanter Weise das geltende Recht missachten oder brechen, können daraus Konsequenzen erwachsen (siehe den Prozess gegen den Weimarer Familienrichter, der in der ersten Instanz wegen Rechtsbeugung verurteilt wurde, weil seine Argumentation, warum das Familiengericht zuständig sein soll, einfach offenkundig unhaltbar war und der Verdacht sehr stark wiegt, dass er diesen Fall gar „mit konstruiert“ hat. In solchen Extremfällen werden Richter zur Rechenschaft gezogen)
Richter stets zu „bestrafen“, wenn ihre Urteile in höheren Instanzen gekippt werden, wäre ein Fehler, ebenso wie es ein Fehler wäre, Politiker zu bestrafen, deren Gesetze vom BVerfG kassiert werden. Der Grund ist in beiden Fällen der gleiche: In den Rechtswissenschaften ist fast alles umstritten, die Fälle, in denen Politiker ein Gesetz erlassen oder Richter ein Urteil fällen, sind immer Fälle, in denen es zumindest denkbar ist, dass dieses Gesetz oder diese Rechtsprechung vor den höchsten Instanzen Bestand haben werden. Es sind grundsätzlich immer die Grauzonen, die vor Gericht landen, nicht die Schwarz-Weiß-Fälle. Und es kann nun mal kein Politiker oder Richter dafür bestraft werden, dass er eine vertretbare juristische Position einnimmt, auch wenn diese Position später von den höheren Instanzen zurückgewiesen wird. Gerade auch, weil der Richter in der unteren Instanz ja nicht mal weiß, wie die nächste Instanz entscheiden wird.
So lange sich der Richter daher innerhalb des zulässigen Interpretationsspielraums bewegt wäre es fatal, ihn dafür zu bestrafen, nicht richtig vorhergesehen zu haben, welche Position die höheren Instanzen schließlich wählen werden. Selbst wenn es schon Urteile des OLG gibt muss es einem Richter am Amts- oder Landgericht sogar möglich sein, gezielt anders zu entscheiden, wenn der Richter zu der Überzeugung kommt, dass die aktuell dominante Rechtsprechung der höheren Instanzen nicht richtig ist. Selbst in diesem Fall sollte man das dem Richter nicht zum Vorwurf machen, eben weil wir kein Case Law in Deutschland haben, weil die Urteile der nächsten Instanz daher nicht bindend, sondern allenfalls leitend sind (dh. der Amtsgerichts-Richter sollte sich am Urteil des OLG orientieren und ebenso urteilen, wenn er nicht wirklich gute Gründe hat, das anders zu sehen, aber er muss nicht).