Gibt es nachhaltiges Wirtschaftswachstum?

Damit kommen wir ein wenig von der ursprünglichen Frage weg („gibt es nachhaltiges Wirtschaftswachstum“). Die würde ich derzeit mit Nein beantworten aber theoretisch mit „Ja“, wenn man „Nachhaltigkeit“ im Sinne der allgemeingültigen Definition versteht.

Was die Entwicklung des globalen Südens angeht: Eine offensichtliche Alternative wäre gewesen (und ist es immer noch), dass die Industrienationen die Kosten des weiteren wirtschaftlichen Wachstums dieser Länder auf sich nehmen. Etwa indem wir unsere Emissionen radikal nach unten fahren um den Entwicklungsländern „mehr Spielraum“ zu geben, der Zugang zu modernen Technologien ermöglicht wird und es für heute schon mögliche Nachhaltigkeit in der Wirtschaftsentwicklung großzügige finanzielle Unterstützung gibt.

Es ging um die Frage, ob Wirtschaftswachstum nachhaltig gestaltet werden kann. Kann daher deinen Kommentar nicht wirklich einordnen.

Ich verstehe die intellektuelle Anziehungskraft hinter solchen post-faktischen Debatten nicht. Wir hätten zwischen den 90ern und heute unsere Emissionen runterfahren sollen, um Chinas Aufstieg zu kompensieren? Muss man ausbuchstabieren, dass das niemals politisch oder gesellschaftlich in irgendeiner Form irgendwo mehrheitsfähig gewesen wäre?

Das ist, als ob man zurückblickt und erklärt, das Problem sei gewesen, dass niemand vor 20 Jahren industrielle Kernfusion entwickelt hat, oder wir einfach den Mars bevölkert und unsere Emissionen dort abgelassen hätten.

Alles nicht falsch, aber auch völlig hilflos und unnötige Feststellungen.

Das reale Wirtschaftswachstum war in einigen Nationen in Südeuropa für Teile der 2010er Dekade null oder vereinzelt sogar negativ. Inwiefern hat das dem Klima geholfen?

Warum sollten sich die Menschen in den Entwicklungsländern auf „kein Wachstum“ einlassen?

Wie soll man das technisch überhaupt umsetzen? Staatliche Produktionskontrollen?

Soll heißen: Es geht nicht.
Siehe bisheriges Wachstum. Wenn ich nicht alles völlig falsch verstanden habe, wurde doch angeführt, dass die CO2 Emissionen bei Industrieländern nicht zugenommen hätten, obwohl das Wirtschaftswachstum zugenommen hat. Daraus wurde gefolgert, dass nachhaltiges Wachstum möglich sei. Dem widerspreche ich.

Es sei denn, ich habe den Thread nicht verstanden :thinking:

Ich verstehe das so, das ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum theoretisch möglich oder zumindest denkbar wäre, sich aber weder national noch global (in absehbarer Zeit) verwirklichen liesse, weil unsere aktuellen „gewohnten“ Wirtschaftsmechanismen dem weitgehend entgegenstehen.
Also eher eine philosophische Diskussion, oder?

Dann habe ich nicht verstanden warum. U a. Deutschland hat Technologien entwickelt um Wohlstand zu vergrößern und gleichzeitig Emissionen zu reduzieren. Diese Technologien können auch in anderen Ländern (Industrie- wie Entwicklungsländern) verwendet werden um genau dasselbe zu tun. Einzige Voraussetzung ist, dass man das Wachstum tatsächlich nur so langsam zulässt, dass die Emissionen dabei nicht steigen. Das ist natürlich alles andere als trivial umzusetzen aber theoretisch möglich und vor allem eine Frage der Regulierung.

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Vielleicht trifft es „weniger schädlich als es hätte sein können aber immer noch schädlich“ etwas besser. Nachhaltig wäre Wachstum erst, wenn sie Umweltauswirkungen in geeigneter Art und Weise kompensiert oder bereits vermieden werden.

In den letzten 30 Jahren von nachhaltigerem Wachstum zu sprechen halte ich für falsch.

Das ist nicht die Frage. Die Frage ist: kann es Wachstum mit Negativemissionen geben? Auch Du scheinst das zu verneinen. Damit ist die Frage beantwortet.
Die nächste Frage ist dann: fährt man den Planeten gegen die Wand oder tut man was dagegen.
Der einfachere Weg ist Ersteres. Und spart viele Diskussionen.
Der schwierigere ist, da nun Frage eins geklärt ist, sich weltweit dieser Antwort zu stellen und zu akzeptieren, dass man diese Lösung auch nur weltweit angehen kann.

Du hast gefragt (nachdem du vorher die Wirtschaftsentwicklung der 1990er diskutiert hast):

Ich habe dir geantwortet. Wenn du jetzt sagst

Was soll dann die erste Frage? Natürlich ist die Geschichte so gelaufen, wie sie gelaufen ist. Aber es hätte einen anderen Weg gegeben, den auch konstant von diversen Menschen spätestens seit den 1990er Jahren gefordert wurde (Stichwort globale Gerechtigkeit).

Wenn es dir darum geht, was man jetzt tun könnte, dann habe ich diverse Dinge im Laufe dieser Diskussion schon auf den Tisch gepackt. Im Großen und Ganzen liegen die technischen Lösungen alle auf dem Tisch. Ihre Umsetzung ist aber mit Kosten verbunden und diese Kosten müssten eben auch heute vor allem wir (also die Industrienationen) tragen. Weil wir die einzigen sind, die das Kapital dafür haben. Weil wir die historische Verantwortung für den Klimawandel tragen. Weil wir am meisten zu verlieren haben.

Hilflos ist an der Diskussion nur die beständige Weigerung jener, die abwechselnd sagen „alles nicht mein Problem“ und „aber aber China.“

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Ich will mich nicht über Begrifflichkeiten streiten. Aber natürlich sind wir heute noch nicht klimaneutral und keine Regierung der Welt hätte uns da hin gebracht. Tatsache ist, dass es seitens verschiedenster Organisationen unterschiedlichster Interessensgruppen wissenschaftlich geprüfte und detailliert durchgerechnete Szenarien gibt, die ökonomisch und technisch umsetzbare Pfade aufzeigen, wie wir bis ~2045 unsere Wirtschaft so reformieren, dass sie nachhaltig ist und trotzdem wächst. Die Pfade übererfüllen wir an manchen Stellen, verfehlen sie an deutlich mehr Stellen, aber der Grund warum wir letzteres tun hat nicht mit technischer oder ökonomischer Machbarkeit sondern mit fehlendem politischen bzw. gesellschaftlichem Willen zu tun.
Natürlich gibt es Unwägbarkeiten wie z.B. die Entwicklung von Power to Gas oder Carbon Capture and Storage Technologien. Aber wenn diese sich auch nur ansatzweise ähnlich entwickeln wie Erneuerbare in den letzten 20 Jahren, dann sehe ich technisch sehr optimistisch in die Zukunft.
Sehr langfristig müssen wir uns natürlich über Vereinbarkeit von Wachstum und Nachhaltigkeit Gedanken machen wie ich schon erläutert habe. Spricht auch nichts dagegen damit heute schon zu beginnen. Aber in den nächsten ~30 Jahren halte ich es für die primäre Aufgabe unsere derzeitige globale Wirtschaft zu dekarbonisieren auf Basis der gesellschaftlich konsensfähigen Pfade. Alles andere gefährdet nach meiner Einschätzung eher die Energiewende.
Edit: Rechtschreibung

Hättest Du da Quellenangaben dafür? Ich würde mir genau das gerne mal anschauen, hab’s aber noch nie gefunden.

Vielleicht beantworten die dann auch meine Frage: Wenn es diese Wege wissenschaftlich tragfähig gibt, welche politischen und gesellschaftlichen Argumente sollte es denn dagegen geben?

Am besten finde ich in dem Kontext die Fraunhofer Studie, die verschiedene Pfade unter der Betrachtung unterschiedlicher gesellschaftlicher Verhaltensweisen beleuchtet [1].
Die Energiewende ist in allen Szenarien möglich, ist aber natürlich für ein Suffizienz-Szenario mit z.T. sinkenden Verbräuchen mit deutlich geringeren Investitionen verbunden.

Ein mögliches Argument gegen einen Pfad mit Wirtschaftswachstum as usual ist somit, dass die Gesamtkosten für die Energiewende aufgrund des gestiegenen Bedarfes höher wären als wenn es dieses Wachstum nicht gäbe.

[1]