Gentechnik - Herausforderung und Risiko in der Landwirtschaft

Ein Unterschied ist aber: nämlich in der Geschwindigkeit, in der neue Pflanzen zur Verfügung stehen. Konventionelle Züchtung hat so lange Zeiträume, in denen die Wirkung auf das Ökosystem beobachtet werden kann. In dieser Zeit könnten schon mehrere gentechnische Veränderungsschritte gegangen worden sein, eventuell mit Überkreuzwirkungen im System, dadurch eine unbeabsichtigte Dynamik in Gang setzend, die ausser Kontrolle geraten könnte. Man darf ja auch den Wettbewerb nicht vergessen, der das hohe Tempo noch mehr treibt, also noch höhere Wahrscherinlichkeit von unerwünschten Effekten.

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Grundsätzlich absolut einverstanden. Ich gehe zwar nicht unbedingt mit, dass man bei konventioneller Züchtung aufgrund der längeren Zeiträume der Entwicklung mehr Zeit hat, die Wirkung auf das Ökosystem zu beobachten, weil die Entwicklung ja weltweit parallel und nicht unbedingt sequenziell stattfindet. Aber was definitiv stimmt ist, dass mehr neue Pflanzenarten auch ein höheres Risiko bedeuten, dass potenziell gefährliche Arten entstehen.

Grundsätzlich steht man hier vor demselben Problem, wie bei jeder dringlichen technischen Entwicklung, dass man die Geschwindigkeit braucht, um ein Problem zu lösen, diese Geschwindigkeit aber auch Risiken birgt. Im vorliegenden Fall sind die dringlichen Probleme z.B. die Welternährungssituation, der Klimawandel und die Klimawandel-Folgen. Je schneller man ist, desto besser kann man die Probleme lösen, desto mehr Risiko geht man aber ein, dass die Technologien unausgereift oder ggf. gefährlich sind.

Ich will mir nicht anmaßen einzuschätzen, ob die aktuellen Zulassungsverfahren in ihrer Qualitätskontrolle in einem ausgewogenen Verhältnis zum Nutzen / der Dringlichkeit ihrer Entwicklung stehen. Aber sollte dieses Verhältnis durch eine signifikant steigende Anzahl an neuen Pflanzenarten ins Wanken geraten, gibt es eine einfache Lösung: Zulassungsverfahren verschärfen. Und der Logik folgend natürlich alle – mit oder ohne Gentechnik. Wie oben geschrieben braucht eine gentechnische Entwicklung vielleicht 2-3 Jahre, wo eine Züchtung 10-15 Jahre benötigt. Man kann also die Zulassungsverfahren durchaus verschärfen und sich deutlich mehr Zeit nehmen und ist immer noch schneller als bei konventioneller Züchtung.

Was in jedem Fall keinen Sinn macht ist, dass Forscher 10 Jahre lang völlig überflüssigerweise Pflanzenarten kreuzen. Dann sollen sie lieber 2 Jahre mit der Genschere basteln und 8 Jahre was anderes machen.

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Durchaus nicht. Die Modifikationen an Pflanzen durch Genomeditierung unterscheiden sich grob nicht von den Modifikationen durch Züchtung (Züchtung besteht schon seit sehr langer Zeit nicht mehr nur aus mendelscher Kreuzung). Nur dass die Ergebnisse der gentechnisch hergestellten Varianten schneller und zuverlässiger erzielt werden (und damit billiger), ist der Unterschied.
Die Dämonisierung der Gentechnik ist dieselbe esoterische Technologiefeindlichkeit, die wir in Europa und besonder in Deutschland an den Tag legen (siehe die Diskussionen um Glyphosat und um die sogenannte Bio-Landwirtschaft, nur um zwei Beispiele aus der thematischen Nachbarschaft aufzuführen).

Etwas anders sieht es bei der Transgenese aus, aber selbst hier werden mögliche Gefahren durch ideologischen Aktivismus maßlos übertrieben. Das beste Beispiel hierfür ist der ‚Golden Rice‘, dessen Markteinführung auf den Philippienen bis 2019 verzögert wurde.
Dies ist natürlich ein besonders krasses Beispiel, bei dem man den Aktivisten durchaus den Vorwurft machen kann, willentlich und ohne Grund vielen Menschen unnötig Leid zugefügt zu haben.

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Was die o.g. Bemerkung der Moderation angeht: ich kann es verstehen, dass ein Thread nach so einer Bemerkung einiges Misstrauen genießt. Das ist schade. Zum Teil ist das aber auch meine Schuld, weil ich mit dem ersten Polemik-geladenen Beitrag ziemlich mit der Tür ins Haus gefallen bin. Zu dem Zeitpunkt hat mich die Schizophrenie, mit der einige Gruppen wissenschaftlichen Erkenntnissen gegenüber stehen einfach ziemlich aufgeregt. Insofern war eine Rüge grundsätzlich gerechtfertigt, denn die Form hat dem Anliegen eher geschadet.
Ich appelliere daher an alle, die meinen Beiträgen aus welchen Gründen auch immer nicht über den Weg trauen: informiert euch über dieses wichtige Thema bei einem unabhängigen Experten oder Wissenschafts-Kommunikator eures Vertrauens.

Ohne Wertung. Unsere Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung hat in einem Gastbeitrag im Handelsblatt klar Stellung bezogen.

https://amp2.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-wir-brauchen-biotechnologisch-veraenderte-pflanzen-die-fuer-den-klimawandel-geruestet-sind/29231030.html

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Ich würde mir auch eine entsprechende Stellungnahme von Cem Özdemir wünschen. Die bleibt leider aus. Weiterhin ist der Kurs der Regierung zur neuen geplanten EU-Richtlinie unklar. Scheinbar auch der innerhalb der Grünen. Hier gibt es viel Schweigen und vereinzelt ablehnende Stimmen [1].
Unter diesen Stimmen findet sich auch Steffi Lemke. Wäre vielleicht mal eine interessante Frage fürs Lage-Interview gewesen vor dieser wegweisenden Entscheidung.

[1]

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Noch einmal, die Aussage dass „Öko-Landwirte“ auf solche Pflanzen warten wird durch die von ihnen verlinkten Artikeln nicht gegeben/bestätigt.
Vielmehr versucht man in der „Öko-Landwirtschaft“ das Microklima zu verändern.

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Danke das stimmt. Ich habe das Interview jetzt tatsächlich nicht in der Doku gefunden. Muss eine andere gewesen sein.
Grundsätzlich wird der Großteil der Öko-Landwirte weiterhin gegen Gentechnik sein, denn aktuell ist die Gentechnik-Freiheit hier ein Qualitäts-Label und Gentechnik ist verboten. Es gibt aber inzwischen einige auch sehr prominente Ausnahmen, wie z.B. Urs Nighli:

Kurzes Update:
Am Mittwoch (24.01.) soll der Umweltausschuss des EU Parlaments über den Entwurf abstimmen, in dem neue Gentechnik Verfahren (also im Prinzip Crispr-Cas9) von den bisherigen (sehr scharfen) Sonderregelungen für gentechnisch veränderte Pflanzen ausgenommen werden soll.
Dazu gibt es auch einen neuen, von 1000 Wissenschaftlern und 35 Nobelpreisträgern unterzeichneten offenen Brief gegen
„die Dunkelheit wissenschaftsfeindlicher Panikmache“ in der Debatte. Sie werben nochmal für das Potenzial in Sachen Ernährungssicherheit, Biodiversitätsschutz und Klimaschutz.
Nach meinem Wissensstand blockiert Özdemir weiterhin die geplanten Lockerungen.

Edit: nicht das Parlament stimmt ab, sondern zunächst nur der Umweltausschuss über den Entwurf

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Ich halte das Thema auch für wichtig. Wissenschaftler versuchen hier auch vermehrt Aufklärungsarbeit zu machen. Inzwischen informiert auch das öffentlich rechtliche vermehrt über das Thema. Daher würde ich es begrüßen wenn auch die Lage das Problem mal thematisieren würde.
Bei vielen aus meinem Bekanntenkreis, die sich bisher gegen Crispr-Cas in der Pflanzenzucht ausgesprochen haben, liegt das nämlich weniger an ideologischen Barrieren sondern eher an Uninformiertheit. Solange diese in der Bevölkerung ausgeprägt ist, kann mit dem Narrativ, dass Crispr-Cas gefährlicher als konventionelle Züchtung ist, Politik gemacht werden, die dann in Brüssel zu entsprechenden Entscheidungen führt.
Nicht falsch verstehen: Extensive Züchtung von Pflanzen birgt Risiken. Es ist eine faire Position zu sagen, ich will weder Crispr-Cas noch diese Form der Züchtung. Das muss man dann mit den daraus resultierenden Einschränkungen abwägen und dazu stehen. Nur der riesige Unterschied, der zwischen Crispr und konventioneller Züchtung gemacht wird ist halt wissenschaftlich nicht haltbar.
In jedem Fall wird das Thema vor dem Hintergrund Biodiversitäten-Verlust, Klimawandel und Ernährungssicherheit immer wichtiger. Es ist noch überhaupt nicht klar, was uns die neuen Verfahren hier wirklich helfen könnten, aber das Potenzial ist wohl signifikant. Es rein aus Uninformiertheit bzw. Desinteresse zu verschenken hielte ich für unverantwortlich.

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Ich halte Gentechnik für durchführbar. Die Erfahrung zeigt aber auch, dass industriell veränderte Pflanzen etwas nach sich ziehen:

Die Abhängigkeit des Bauern von einem Konzern.

Jedes Jahr wird neues Saatgut erforderlich, da aus der alten Ernte keines verwendet werden darf.
Diese Art der Pflanzen lässt sich meist nur in Kombination mit einem Pflanzenschutzmittel anbauen.
Kleinbauern geraten in Abhängigkeit.

Wenn man im Gesetz für gentechnisch veränderte Pflanzen das Gemeinwohl zur Bedingung macht, bin ich dabei. Ansonsten lieber Finger weg.

Die Frage ist ob die Situation früher, als zwar Abhängigkeit beim Saatgut kleiner war, aber dafür Erträge niedriger und vor allem Risiken durch Wetter, Schädlinge etc. erheblich größer waren, wirklich besser war.

Kein Gemeinwohl bei der aktuellen Form der „Züchtung“, aber doch bei Gentechnik? Die Logik erschliesst sich mir nicht.
Wenn dann noch Haftungsrisiken dazukommen wäre das wohl ebenso das aus für kommerzielle Gentechnik.

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Züchtung ist bereits etablierte Vorgehensweise. Das macht im Grunde genommen jeder der langfristig wirtschaftet. Bezahlung und Patente sind standardisiert und werden nicht hinterfragt.

Gentechnik soll erlaubt werden, u.a. um für Versorgungssicherheit zu erhöhen. Daher der Gemeinwohlgedanke.
Wenn die „ach so guten Pflanzen für die Menschheit“ aber Patentschutz und wirtschaftlichem Gewinnstreben unterliegen (meist mit Profitmaximierung) sehe ich nicht, dass sie diesen Dienst auch leisten werden. Gemeinwohl könnte vielleicht auch vermeiden, dass solche Pflanzen in Regionen angebaut werden in die sie einfach nicht gehören (auch das gibt es heute schon klassisch: Tomaten in Spanien).

Züchtung ist aber ja nicht das was man mehrheitlich klassisch unter diesem Begriff versteht.

Der Vorteil der Gentechnik wäre ja vor allem, dass man auch sehr schnell und gezielt vorgehen könnte, während man aktuell ja quasi künstlich viele Mutationen erzeugt und diese dann selektiert. Zumindest wenn ich das Prinzip nicht falsch verstehe.

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Das ist richtig. Gentechnik könnte schneller sein, aber Gentechnik kann auch Dinge die Züchtung nicht kann.
Genome zweier Arten vermischen wird mit Züchtung nicht möglich sein.
Ich bin ja hat nicht gegen Gentechnik. Ich sagte nur, wenn ein neuer Regulierungsrahmen geschaffen wird sollte in der Nahrungsmittelproduktion das Gemeinwohl leitend sein.

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Vielleicht reden wir auch gar nicht von so verschiedenen Dingen. Gemeinwohlorientiert kann in diesem Fall ja sehr breit interpretiert werden je nachdem ob man es nur auf einzelne Aspekte bezieht oder auf den gesamten Rahmen in dem das stattfindet.

Vorsicht - darum (Transgenese) geht es beim neuen EU Gesetz nicht. Es geht nur um die Gleichstellung von Züchtungen, die sowohl auf konventionellem Weg als auch mittels Genschere erreicht werden können.

Der wesentliche Unterschied zwischen einer Züchtung mit Crispr-Cas und auf konventionellem Weg, ist, dass die Crispr-Variante schneller und günstiger ist. Die Pflanze ist am Ende dieselbe. Führt auch zu der absurden Situation, dass Firmen Pflanzen mit Crispr erzeugen und dann auf konventionellem Wege nachzüchten. Es ist schlicht absurd die zwei Verfahren bzgl. Zulassung unterschiedlich zu behandeln. Es gibt zig Möglichkeiten den Markt in einer Form zu regulieren, um den Nutzen für’s „Gemeinwohl“ zu verbessern. Technischen Fortschritt zu verbieten, weil er bestimmten Akteuren mehr nutzen könnte als anderen, klingt für mich jedenfalls sehr abenteuerlich.

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Dachte es wäre auch gezielter. Damit würde die Wahrscheinlichkeit von unerwünschten Nebeneffekten ja gegenüber heute sogar sinken.

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Ich würde es so formulieren: dadurch dass es gezielter ist, ist es auch schneller. Du kannst natürlich 100 Jahre an einer Pflanze herum züchten, um alle unerwünschten Effekte zu eliminieren. Effektiv gesehen akzeptiert man halt bei der konventionellen Züchtung im Gegensatz zur Genschere irgendwann das Ergebnis auch wenn es noch unerwünschte Nebeneffekte hat.

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