Klingt erstmal wie gesagt zynisch, aber durchaus als realistische Annahme.
Auch der Ukraine scheint das klar zu werden. Die eigenen Kräfte schwinden, personell und materiell, auf die wiederholten Zusagen mit wenig Umsatz aus dem Westen mag man nicht setzen, und einen Rückzug der USA unter Trump aus Europa kalkuliert man ein. Also setzt man sich da schon mit Optionen wie Gebietsabtretungen und Zugeständnissen an Russland konkret auseinander.
Die Frage ist natürlich ob Russland bei der aktuellen Entwicklung noch Interesse an Verhandlungen hat und nicht schon primär auf die bedingungslose Kapitulation der Ukraine setzt.
Putin setzt ja wie auch China (und auch durchaus Trump) auf eine multipolare Welt mit Einflusszonen.
Nach Putins Vorstellungen gibt es dann eine „zweite Konferenz von Jalta“ bei der die Weltmächte USA, China und Russland die Welt unter sich aufteilen. Und man hält sich dann aus den Einflusszonen des jeweils anderen komplett raus. Da Putin Europa als russische Einflusszone betrachtet, bedeutet das, Russland bestimmt wer in Europas Staaten an der Regierung sitzt und welche Politik gemacht wird.
So wohl die Vision, die sich aus Putins Aussagen ableiten lässt.
Das wird einigen in Europa grad bewusst. Auch das ein Donald Trump diese Vision auch charmant findet, ggf mit anderen Vorstellungen für Asien.
Es ist für uns in Deutschland und für Europa günstiger, an der Seite der Ukraine in den Krieg einzutreten, um den Preis für Putin hochzutreiben und Entschlossenheit zu zeigen. Alles andere wäre Appeasement, das nach einer kurzfristigen „Friedensphase“ zu weiteren Aggressionen führen würde, weil Europa als durch Drohungen leicht einzuschüchternder und untentschlossener Spieler wahrgenommen werden würde.
Hast du dich mal mit dem Zustand Russlands befasst oder nur Behauptungen von Wagenknecht und der sogenannten Friedensbewegung aufgenommen. Wo genau ist Russland wirklich so viel stärker? Es finden schon wesentlich länger Zwangsrekrutierungen statt. Russland verliert überproportional viel an Material. Putin ist Bittsteller bei Xi und bei isolierten Staaten wie Iran und Nordkorea. Die Abhängigkeit Russlands ist mindestens so groß, vor allem weil Ihre „Verbündenten“ wirklich keine Freunde sind sondern wie Putin pure Egoisten, die Russland sofort für den eigenen Vorteil opfern werden.
Der Preis einer Niederlage ist doch schon deutlich: Massenvergewaltigungen an Frauen und Kindern, Deportationen, ein Genozid. Oder willst du das leugnen?
reicht nicht aus wofür? Du nennst Argumente dafür, dass Russland entschlossener und militärisch stärker ist. Aber das war nicht die Frage. Dass die Ukraine auf Unterstützung anderer Staaten angewiesen ist, um sich ausreichend gegen Russland verteidigen zu können, ist eine Binse. Die Frage war aber, warum „wir“ (wer auch immer das sein soll: wohlmeinende Menschen hier im Forum, die Bundesregierung, der Westen) es angeblich akzeptieren „müssen“, dass das Recht des Stärkeren sich durchsetzt. Diese Frage zielt ja gerade auf das Ausmaß der Unterstützung und deren Gründe ab. HIerzu hast du aber leider keine Gründe genannt.
Der Satz stimmt einfach nicht, weil es für Deutschland allein schon aufgrund des enormen politischen Preises gar nicht „günstiger“ wäre. Außerdem suggeriert der Vorschlag, dass eine Unterstützung der Ukraine, die so ausreichend ist, dass sie Putin unter Druck setzt, ohne einen Einsatz von Soldaten aus NATO-Ländern in der Ukraine gar nicht möglich wäre. Das ist aber bestenfalls eine These und in der Gegenüberstellung „alles andere ist Appeasement“ eine falsche Dichotomie, also vor allem ein rhetorisches Instrument.
All-in ist ja schonmal nicht ganz möglich. Russland muss zumindest immer so viel militärische Kapazität freihalten, dass man sich jederzeit an anderen Stellen auch verteidigen können muss.
Die Ukraine dagegen kann und muss dagegen tatsächlich weitestgehend All-In gehen.
Wobei man ja auch das Verhalten Deutschlands sehr wohl kritisieren kann.
Das ist doch bei jedem Verteidigungskrieg so. Man kämpft so lange bis man entweder den Gegner militärisch besiegt hat oder bis der Angriff für diesen zu teuer wird, wobei teuer nicht nur auf das Geld abzielt, sondern ggf. auch auf den politischen Preis.
Und es gibt die Möglichkeit, dass verschiedene Faktoren zusammenkommen die Russland z.B. dazu bewegen eine Lösung zu akzeptablen Bedingungen im Rahmen von Verhandlungen umzusetzen.
So sehr die Leute in Russland aktuell auch hinter den Fantasien ihrer Regierung stehen, ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein Konflikt bei dem es nur marginale Fortschritte gibt über kurz oder lang auch zunehmend kritische Stimmen erzeugt. Ich glaube nicht, dass es einen raschen Umsturz gibt oder so, aber alleine schon wenn das Risiko steigt, dass sich eine Opposition bildet, egal ob von Hardlinern oder moderaten Kräften könnte zur Bereitschaft führen hier einen Punkt zu finden den man als Sieg verkauft.
Wenn dann noch die Aussicht auf einen Sieg sinkt, z.B. wenn trotz Trump (so er denn Präsident wird, womit ich jetzt aber mal rechne) die Unterstützung auf einem so hohen Level bleibt (vor allem aus Europa), dann muss irgendwann eine Lösung gefunden werden.
Afghanistan hat ja auch nicht die Größe und Stärke der Sowjetunion gehabt und konnte sich dennoch ausreichend verteidigen.
Ja, könnte man sagen, aber dafür sprächen gerade mehrere Gründe meiner Meinung nach:
Die Bevölkerung in Deutschland wäre dafür nicht bereit.
Die Bundeswehr ist so eingeschränkt handlungsfähig, dass es Jahre braucht, um überhaupt so etwas zu erwägen. Das betrifft die moderne Kriegführung wie Drohnen und Digital Warefare, aber auch die klassische Ausstattung von Helikoptern, Panzern, Gewehren und vor allem Munition. Deutschland ist hier extrem vulnerabel gerade.
Man kann die Ukraine kann als Proxy agieren lassen, bei Deutschland würde schnell der Nato-Bündnisfall greifen, also braucht es eine Abstimmung unter Verbündeten.
Das höchste wären Black Ops-Einsätze wie Sabotage oder gezielte Aktionen, aber auch hier: womit?
Das, was du schreibst, kann man nicht genug hervorheben. Europa wird in diesem Szenario nicht als Akteur, sondern als Einflusszone betrachtet. Das alleine ist ein gruseliges Szenario, denn sobald so etwas passiert, wird man leider Teil von „Verhandlungsmasse“.
Unter einer Regierung Trump II wird das dann sehr deutlich: Ihr bekommt noch 3 Jahre, dann müsst ihr euch um euch selbst kümmern:
Die USA hat andere Interessenzonen, u.a. Taiwan (Werkbank und Chipindustrie).
Europa ist weder militärisch, technologisch noch von den Rohstoffen her ausreichend interessant. Das Interesse der USA in Europa war als Wall gegen die Sowjetunion wichtig. Nun ist es eine unselbständige Belastung.
Wir als USA haben nicht mehr die Ressourcen, um uns um alles zu kümmern. Gemessen an eurer Wirtschaftskraft könnt ihr mehr machen. Wenn nicht, ist das euer Problem, aber fangt dann nicht an zu jammern.
Übrigens sagt Trump das nur deutlich. Diese drei Punkte gehen aber weit als Konsens über die Parteigrenzen Demokraten/Republikaner hinaus. Für sie sind die Europäer immer mehr Kostgänger denn Verbündete. Das sieht man z.B. auch daran, dass der Atomausstieg hier auch wenig Verständnis fand und als fahrlässig gesehen wird (u.a. Interview Grenell). Tenor: Wer dich solche teuren Eskapaden leisten kann, der kann auch für seine eigene Verteidigung verantwortlich sein.
Das mag uns nicht gefallen, aber diese Perspektive eines Verbündeten, auf den wir uns zu 100% militärisch verlassen, könnte uns bald brutal auf die Füße fallen, auch im Fall Ukraine.
Wenn man es mit der Argumentation, dass die Ukraine auch Europa verteidigt ernst meint, dann ist eine direkte Intervention Deutschlands in dem Konflikt eigentlich nur Konsequent. Die von dir genannten Gründe, warum das problematisch ist, sind aber alle korrekt. Es ergeben sich meiner Ansicht nach aber trotzdem Potenziale, die ich auch für grundsätzlich politisch vermittelbar halte:
Die EU könnte (auf Antrag der ukrainischen Regierung) über der Westukraine eine Flugsicherheitszone erklären, an deren Durchsetzung sich die deutsche Luftwaffe und Flugabwehr beteiligt. Deutsche Kampfjets würde dann in diesem Bereich dafür sorgen, dass keine russischen Kampfflugzeuge oder Raketen in diesen Luftraum eindringen. Das Risiko wäre relativ begrenzt und es würde die ukrainische Luftabwehr und Luftwaffe frei machen, sich auf das Frontgebiet zu konzentrieren.
Die Bundeswehr könnte es deutschen Soldaten freistellen, sich Freiwilligenverbänden unter ukrainischem Kommando anzuschließen und könnte diese Freiwilligenverbände durch Training und Ausrüstung unterstützen. Völkerrechtlich wären das ukrainische Soldaten, die Teilnahme wäre absolut freiwillig und es würde der Bundeswehr helfen realistische Kampferfahrung zu sammeln.
Ja, aber die Bevölkerung ist im Moment auch kaum bereit zu Waffenlieferungen, wenn das das Kriterium ist, haben wir ohnehin ein Problem. Ein Kriegseintritt lässt sich meiner Meinung nach effektiver kommunizieren und hat das Potenzial, mehr Unterstützung zu erhalten.
Das halte ich für Unsinn. Die Bundeswehr ist um Welten besser aufgestellt als es die ukrainische Armee bei Kriegsbeginn war.
Der Bündnisfall würde wohl nur auslösen, wenn Russland Angriffe auf deutschem Boden durchführt. Sicherlich ist Abstimmung gut, aber die kann ja auch passieren, ich sehe nicht, warum das ein Gegenargument sein soll.
Die Bundeswehr hat aber ja Aufgaben die sie erfüllen muss und ein Einsatz in der Ukraine käme quasi bei diesen Aufgaben noch obendrauf.
Wenn also die Bundeswehr aktuell so aufgestellt ist mit viel Improvisation und auch nicht unerheblichen Abstrichen die bestehenden Aufgaben zu erfüllen, dann kann man mit diesem Zustand nicht auch noch weitere Aufgaben erfüllen.
Die Ukraine hatte ja nach dem russischen Angriff alle Kapazitäten auf die Verteidigung an dieser Front gesetzt.
Man sollte bedenken, das die Bundeswehr seit den späten 90ern ziemlich konsequent auf Auslandseinsätze mit eher leichtem Gerät getrimmt wurde. Landesverteidigung sah man da eher als kaum noch relevant und hat da viele Kapazitäten abgebaut, u.a. Die Heeresflugabwehr komplett.
Wir müssen diese neuen Prioritäten erst wieder aktivieren und hochfahren.
Dazu gehört auch noch viel Naterual und Munition.
Es ist natürlich wahr, dass ein Kreigseintritt logistische Herausforderungen bedeutet. Aber wir haben auch den Vorteil, dass es im Gegensatz zur Lage der ukrainischen Armee nicht nötig ist, von heute auf morgen von 0 auf 100 zu gehen, sondern der Einsatz in der Ukraine könnte nach und nach verstärkt werden. Dass hat auch den Vorteil, dass man die Bundeswehr zielgerichtet da stärken kann, wo es konkret im Einsatz nötig ist, statt eine allgemeine und ausufernde Vorbereitung auf akstrakte „Verteidigungsfähigkeit“ zu unternehmen.
Weiß nicht, was du damit sagen willst. Eine Unterstützung der Ukraine wäre doch ein Auslandseinsatz?
Aktuell scheitert man ja schon weitestgehend am Beheben der aktuellen Probleme.
Also das was man so von der Ukraine mitbekommt hat mit leichtem Gerät ziemlich wenig zu tun. Man würde das wohl dann als Laie doch eher als „schwere Geschütze“ bezeichnen als als „leichtes Gerät“.
Dementsprechend wäre ein Einsatz mit Kampfpanzern, Artillerie etc. dann doch schon gewaltig anders als die Auslandseinsätze der vergangen Jahre.
Worauf gründet diese Einschätzung? Bei der letzten Umfrage die ich kenne (Polibarometer vom April 2024) wollten nur 22 Prozent weniger Unterstützung, 31 Prozent gleich viel und 42 sogar noch mehr.
Auch hier fände ich gut zu erfahren, nach welchen Kriterien und aufgrund welcher Informationen du diese Bewertung vornimmst oder ob es einfach nur ein Bauchgefühl ist.
Nein, der Bündnisfall tritt auch ein, wenn Russland einen NATO-Verbündeten angreift. Deshalb heißt er ja Bündnisfall. Und dieser Angriff muss auch nicht mit Bodentruppen („auf deutschem Boden“) stattfinden.
Ist die Sache mit dem Bündnisfall nicht deutlich differenzierter? Es ist ja auch keinesfalls genau definiert welche konkreten Maßnahmen der Bündnisfall zur Folge hätte.
Nun ja, nach dem Somalia-Einsatz Anfang der 90er und den Einsätzen auf dem Balkan war der Ansatz der Bundeswehr eher der friedenssichernder Auslandseinsätze. Also keine kampfeinsätze, sondern eher Präsenz zeigen, Gesprächsführung mit Einheimischen, Schulen und Brunnen bauen. Die Idee gab es anfangs ja auch in Afghanistan.
Also man geht dann eher von „Rebellen“ oder bewaffneten Gruppen wie den Taliban aus. Die aber weder Panzer noch Luftwaffe oder größere Artillerie haben.
Daher hat die Bundeswehr dann weniger auf Kampf- und Schützenpanzer oder Flugabwehr gesetzt, weil es bei diesem angenommenen leichten Gegner nicht notwendig war.
Die anfangs eingesetzten Leopard und Marder Schützenpanzer waren eher Verlegenheitslösungen, weil man nichts anderes hatte.
Dann lag der Schwerpunkt auf dem klassischen Wolf (Mercedes G-Klasse), und aktuell auf Boxer und Fennek.
[Spähwagen Fennek – Wikipedia]
Auch die Ausbildung im VN-Ausbildungszentrum Hammelburg damals hatte andere Schwerpunkte als die klassische Landesverteidigung.
Mit so leichten gepanzerten Fahrzeugen und ohne mobile Flugabwehr kämpft man kein konventionelles Gefecht.
Da braucht es eher das Mindset wie im Kalten Krieg, wo man noch die Verteidigung gegen anstürmende mechanisierte Regimenter geübt hat oder den Kampf der verbundenen Waffen.
Also wir müssen da gedanklich weg von Florett und Spaten hin zu Schwert und schwerem Knüppel, wenn wir von einer Beteiligung der Bundeswehr in der Ukraine sprechen wollen.
Zudem finden wir kaum Freiwillige (oder zumindest zuwenig) für den Dienst in der Bundeswehr, wie sollen wir dann nennenswerte Freiwillige für einen Realen Kampfeinsatz in der Ukraine unter ukrainischer Flagge finden?
Die taktische, materiellen, rechtlichen und politischen Anforderungen an eine Evakuierung deutscher Staatsbürger aus dem Sudan, eine Friedensmission unter UN-Mandat im Libanon oder eine Sicherungsmission in Mali oder Afghanistan unterscheiden sich aber fundamental von einem Stellungskrieg zwischen zwei hochgerüsteten Nationalstaaten.
Auslandmissionen der Bundeswehr umfassen in der Regel ein paar Dutzend bis ein paar hundert Soldaten. Wenn es überhaupt ernsthafte Gegner gibt, dann haben die in der Regel nicht die Kapazität, z.B. ein gut gesichertes Feldlager ernsthaft zu gefährden. Die größte Gefahr geht oft nicht von direkten Angriffen, sondern asymmetrischer Kriegsführung durch Sprengfallen, Selbstmordattentäter usw. aus.
Die Situation in der Ukraine ist eine grundlegend andere. Deutsche Soldaten müssten dort unter gegnerischer Artiellerie- und Lufthoheit kämpfen, eingebunden in eine breite und tiefe Front. Während es bei Auslandseinsätzen primär um die Reduzierung der Gefahr für Leib und Leben geht, werden in so einem Konflikt eigene Verluste nicht nur hingenommen, sondern zum Teil sogar fest eingeplant um bestimmte taktische und strategische Ziele zu erreichen. Das sind grundlegend unterschiedliche Realitäten, auf die sich die Bundeswehr mittels passender Ausrüstung, Ausbildung und Doktrin auf jeden Fall vorbereiten muss.