Fregatte Hessen

Dass die Fregatte Hessen, wenn sie „leergeschossen“ ist, in den Hafen muss, ist nicht verwunderlich und geht unseren Verbündeten auch so. Die Hauptwaffe der Hessen gegen feindliche Flugzeuge ist die SM-2 und wird aus dem Vertical Launch System (VLS) verschossen. Diese auf See nachzuladen ist sehr umständlich und wird wohl in der Praxis generell nicht gemacht. Da die Bundesmarine keine Basis am Horn von Afrika hat, muss sie wohl nach Deutschland, wenn sie leer ist.

Viel besorgniserregender ist allerdings der Umstand, dass anscheinend die SM-2 bei der Marine sehr knapp sind, auch nicht so einfach nachbestellt werden können (trotz des Namens, sind die deutsche und niederländische Variante der SM-2 nicht „standard“). Wie viele genau vorhanden sind, ist mWn nicht öffentlich bekannt, bei der Beschaffungsstrategie der Bundeswehr in den vergangenen Jahren würde es mich aber nicht wundern, wenn genau so viele SM-2 vorhanden sind, um jede Fregatte einmal voll aufzumunitionieren.

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In Anbetracht der Tatsache, dass die BW jetzt schon seit Jahrzehnten auf Auslandseinsätze hin umgebaut wurde, finde ich es schon eine berechtigte Frage, wieso wir hier keine bessere Antwort haben als, „wir fahren nach Hause wenn die Munition alle ist“. Es gäbe ja durchaus einige befreundete Häfen auf dem Weg in die Nordsee. Es muss ja nicht gleich Ägypten, Israel oder die Türkei sein, Griechenland, Italien und Frankreich wären ja auch noch da).

Aber man muss ja nun schon seit 2 Jahren feststellen dass wir jährlich 10% des Bundeshaushaltes in eine „Armee“ stecken, die quasi für nichts zu gebrauchen ist. Wobei die Gesundheitsämter haben sie wären der Pandemie ja wohl ganz gut unterstützt…

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Ich denke, deutsche Basen im Ausland außerhalb der NATO wird es so schnell nicht geben. Auch innerhalb der NATO hat Deutschland im Ausland eigentlich nur Ausbildungseinheiten stationiert, richtige militärische Infrastruktur im Sinne des Nachschubs sucht man da auch vergebens.

Tatsächlich wäre eine NATO-Marinebasis in Italien oder Frankreich, welche von Mitgliedsstaaten für Aufmunitionierung, Wartung und Crewwechsel genutzt werden kann, vermutlich sinnvoll, sodass man alles, was man dort braucht, über Land dort hin bekommt. Aber das müssen letztlich die Strategen der NATO entscheiden… leider sind wir politisch noch meilenweit davon entfernt, sowas als europäisches Verteidigungsprojekt stemmen zu können…

Wie schon öfter gesagt, bin ich gegen dieses polemische Bundeswehr-Bashing. Ja, es liegt viel im Argen, aber zu behaupten, die Bundeswehr sei quasi zu nichts zu gebrauchen, ist einfach daneben. Unsere militärische Infrastruktur ist eben immer noch auf Landesverteidigung ausgelegt - in der Nordsee hätten wir die Probleme mit der Aufmunitionierung der Hessen nicht, so ein Schiff im roten Meer (oder auch nur Mittelmeer) einzusetzen war in der Vergangenheit eben nicht Teil des geplanten Aufgabenspektrums. Ebenso war die Bundeswehr in der Vergangenheit nicht darauf ausgelegt, wieder einen großen Landkrieg unterstützen (oder gar selbst kämpfen) zu müssen - und ich bleibe dabei: Das war auch gut so, denn diese Friedensdividende war es wert. Der Kurs, die Bundeswehr „klein zu sparen“, war daher zur damaligen Zeit nicht falsch.

Das Problem ist nicht, dass wir eine saftige Friedensdividende eingefahren haben, sondern das Problem ist, dass wir zu unflexibel sind, in angemessener Zeit auf die sich verändernde Sicherheitslage zu reagieren. Das muss sich ändern. Und dazu gehört jetzt auch, dass die Bundeswehr personell und materiell aufgestockt werden muss, um all die Mängel, die in der Vergangenheit auch schon existierten, aber nicht in’s Gewicht gefallen sind, nun abstellen zu können. Und auch die Rüstungskonzerne entsprechend von staatlicher Seite zu dirigieren, damit die EU ihre Lieferversprechen gegenüber der Ukraine auch einhalten kann.

Die Probleme sind letztlich alle politisch, nicht militärisch.

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Ich habe das gar nicht polemisch gemeint. Ich bin auch ziemlich nahe bei deinen restlichen Punkten.

Ich finde es aber vollkommen berechtigt, darauf hinzuweisen, dass es m.E. untragbar ist, 10% das Bundeshaushalts in eine militärische Organisation zu stecken, die politisch gewollt, nur Munition für 3 Tage Kampf hat, aber 0 - Null - Pläne für die zeitnahe Aufrüstung im Krisenfall.

Ich halte es wie du für vollkommen legitim die Friedensdividende einzustreichen. Ich erwarte aber einfach für >30 Mrd € pro Jahr, dass man dann (belastbare) Pläne hat, wie man im Notfall wieder zu Kräften kommt. Nur scheint es diese Pläne ja nie gegeben zu haben.

Wenn es sie gäbe, könnten wir die Ukraine ja mit ausreichend Artilleriemunition versorgen. Dann hätte der Kanzler auch etwas um von Taurus abzulenken, aber wir sind ja mal wieder relativ blank.

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Neben dem Problem der Munitionsknappheit gibt es laut Millitärbloggern wohl noch weitere, technische Probleme:

In dem Beitrag wird erwähnt, dass die Hessen am 27. Februar zwar erfolgreich eine Drohne vermutlich der Huthi-Milizen aus dem Jemen mit ihrer Bordkanone bekämpfte – aber zuvor der Versuch der Abwehr mit ESSM gescheitert war […]

Am 26. Februar hatte das Schiff eine unbekannte Drohne erfasst und zwei SM2-Abfangraketen darauf abgefeuert. Beide Flugkörper verfehlten das Ziel: eine MQ9 Reaper-Drohne der US-Streitkräfte, die offensichtlich ohne Abstimmung mit den US-Marineeinheiten in dem Seegebiet unterwegs war.

Der fehlgeschlagene Beschuss der Reaper ist natürlich „Glück“ für die Amerikaner, aber da die Huthi-Rebellen schon mehrmals Reaper abgeschossen haben, ist das auch kein so gutes Indiz für die Ausrüstung der „Hessen“.

Andererseits wissen wir nicht, wie viele Fehlschüsse die Huthi dafür brauchten, bis sie es hinbekommen haben, in fünf Monaten zwei von den Drohen abzuschießen. Und wie die Trefferquote aktuell aussieht. Und aus welcher Distanz mit welchen Waffen, welche etwaigen Abwehrkapazitäten die Drohnen hatten usw… Es sind einfach viele Gründe denkbar, warum es den Huthi gelang, zwei Drohen abzuschießen - und die Bundeswehr beim ersten Versuch keinen Erfolg hatte.

Das klingt blöd, aber für die Marine war das vermutlich das erste Mal in ihrer Geschichte, dass sie im Ernstfall auf ein echtes feindliches Flugobjekt mit diesen Waffen geschossen hat. Ein Land wie die USA oder Russland, die seit Jahrzehnten ihre Waffensysteme nicht nur in Übungen testen, sondern in meist fragwürdigen Kriegen, haben da natürlich aktuell einfach deutlich mehr Erfahrung.

Wie immer im Leben gilt:
Das Problem ist nicht, dass es Fehlschläge gibt - das ist normal. Wichtig ist, dass nun aufgearbeitet wird, warum die SM2 das Ziel nicht getroffen haben und entsprechend darauf einzuwirken, dass es in Zukunft funktioniert. Das ist laut verschiedenen Quellen geschehen (dh. der Fehler wurde identifiziert und behoben). Dass die Bundeswehr auf die Drohne geschossen hat war übrigens die Schuld der USA, das klassische „die linke Hand weiß nicht, was die rechte Hand tut“… in diesem Sinne hat die Bundeswehr hier zumindest korrekt gehandelt.

Ja okay, da hast du wahrscheinlich recht.

Das stimmt schon. Aber ich kritisiere hier ja auch nicht die Soldaten, die können ja durchaus alles richtig gemacht haben. Sondern es waren ja, so lese ich das zumindest, die Raketen, die am Ende nicht getroffen haben.
Das bringt mich eben zu der Kritik von @pintxo zurück, dass wir zwar viel Geld ausgeben, auch für moderne Waffen, aber im Ernstfall funktionieren die eben nicht so zuverlässig, wie man das erwarten würde.

Und da stellt sich für mich halt die Frage, brauchen wir eine andere Art der Beschaffung die solche Ausfälle verhindern kann oder müssen wir mit solchen Fehlern leben und der Bundeswehr z.B. soviel Geld geben, dass beim nächsten Mal vier oder sechs Raketen gleichzeitig starten können.

Angeblich hätte in diesem Fall wohl nichts genutzt, da das Feuerleitsystem der Fregatte wohl nicht für solche langsamen Ziele richtig eingestellt war. Ob das die tatsächliche Ursache war und jetzt wie behauptet abgestellt ist, werden wir wohl erst beim nächsten (berichteten) scharfen Schuss erfahren.

Ja, ich glaube, man muss damit leben, dass beim ersten scharfen Einsatz nicht alles wie am Schnürchen läuft. Auch wenn man „train as you fight“ beherzigt, ist ein realer Einsatz dann doch etwas anderes als eine Übung.

Kann natürlich sein. Ist aber irgendwie auch keine Erklärung, die einen so richtig glücklich macht.

Üben in Friedenszeiten und ein echter intensiver Krieg sind immer noch zwei Dinge.

Wir sind damals mit dem Schützenpanzer Marder ein bis zweimal die Woche rumgefahren, auf Übungen auch mal ein oder zwei Wochen am Stück. Dann mussten wir einmal im Monat die Gummipolster von den Ketten klopfen und wechseln.
Die Ukraine fährt täglich seit Monaten mit dem Marder unter Gefechtsbedingungen, da sind die Polster im Wochentakt runtergefahren.
Nur gibt es davon nicht soviel auf Vorrat, so das die Bundeswehr gar nicht soviel liefern kann.
Weiß man dann erst, wenn es soweit ist…

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Finde nur ich es seltsam, dass anscheinend nirgendwo mal jemand überlegt hat, was man an Produktionskapazitäten bräuchte, wenn die sprichwörtliche Kacke mal am Dampfen ist?

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Man ist die letzten 20 Jahre davon ausgegangen, das es gar nicht mehr zu großen dampfenden Haufen kommt. Maximal zu kleinen internationalen Durchfallerscheinungen wie Mali oder so.

In solchen Zeiten und einer politischen Stimmung ewigen Friedens traut sich kein Politiker, die Hand für mehr Munition oder Rüstungskapazitäten zu heben. War gesellschaftlich nicht gewollt. Naiv, aber nachvollziehbar.
Fällt uns nun auf die Füße

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Ich würde behaupten, dass es nicht nur am Geld liegt.

Ich hab das damals ja schon mal ausgeführt: Der Aufbau einer Industrie in Deutschland, die im Ernstfall genug Munition dauerhaft produzieren kann wäre ebenso wie das Vorhalten hinreichender Vorräte in Friedenszeiten extrem teuer. Munition hat eine begrenzte Haltbarkeit und wenn man die riesigen Vorräte dauerhaft hätte, die es bräuchte, im Ernstfall zehntausende Granaten pro Tag verschießen zu können, wären alleine die Kosten für die ständige Neuanschaffung und fachgerechte Entsorgung überlagerter Munition extrem, extrem hoch.

Russland hat diese Probleme dahingehend nicht in dem Ausmaß, weil deren Reglementierungen für die Lagerung von Munition deutlich lockerer sind. Wenn da mal eine überlagerte Granate im Geschütz explodiert und zwei Soldaten mitnimmt löst das in Russland nur ein Schulterzucken aus, bei uns wäre das ein riesiger Skandal. Das sind letztlich Mentalitätsfragen - und wir wollen sicherlich nicht auf die russische Mentalität im Hinblick auf den Wert von Menschenleben degradieren… Auch die Mentalität im Hinblick auf den Umbau zur Kriegswirtschaft ist in Russland eine andere: Wenn Putin sagt, ihr produziert jetzt Granaten, wird das getan - es ist eben keine Demokratie. Wenn hier die Politik einem zivilen Unternehmen vorgibt, nun Kriegsgüter zu produzieren, kann man sich erstmal auf einen jahrelangen Rechtsstreit und Streitigkeiten um die Entschädigung einstellen. Was solche Dinge betrifft sind Diktaturen leider effizienter.

Das Folgeproblem ist dann: Wohin mit der ganzen Munition, die „bald abläuft“? Wie gesagt, die Entsorgung ist massiv teuer. Einer der Gründe, warum die Amerikaner mMn so viele Kriege im Ausland geführt haben, ist mMn genau das: Altmunitionsentsorgung und Übung für die Truppen. Wenn man dabei noch ein paar unbeliebte Regime ausschalten kann, umso besser.

Wenn wir ein friedfertiges Land sein wollen, welches nicht regelmäßig große Kriege führt, werden wir damit leben müssen, dass massive Munitionsvorräte extrem teuer sind und wir keine echte Erfahrung haben werden, wenn es zum Ernstfall kommt. Aber deswegen kann die Forderung ja auch nicht sein, ständig „Abenteuer“ im Ausland zu suchen, wie es die USA und Russland tun…

Die große Frage bleibt weiterhin: Wie flexibel ist die deutsche Wirtschaft im Ernstfall? Wenn es wirklich zum „ganz großen Krieg“ kommen würde, würden wir es schaffen, effizient auf Kriegswirtschaft umzustellen? Wenn ja, gewinnen wir jeden Krieg gegen Russland im Handumdrehen, einfach weil wir so viel mehr Wirtschaftsleistung haben.