Frakturschrift = rechts?

Liebe Lage,
in der letzten Folge (270) hat Ulf eine Verbindung zwischen Frakturschrift und Rechten gezogen, die ja tatsächlich gerne solche Schrifttypen verwenden (aber auch ganz andere Leute, etwa die Volksbühne). Historische interessant ist in diesen Zusammenhang, dass Adolf Hitler selbst diese Schriften 1941 untersagt und als jüdisch und nichtdeutsch bezeichnet hat. S. im Einzelnen …

LG
Gnaeus

Zeiten ändern dich! :wink:

Schau dir rechte Meme- und Werbekultur an. Nicht alles was die Nazis verboten haben ist heute nicht rechts. Fraktur schirft wird heute oft als alte und damit besonders deutsche Schirft gesehen.

Der eigentliche Grund dürfte übrigens gewesen sein, dass das einheimische Personal in den besetzten Gebieten schlicht Schwierigkeiten hatte das zu lesen.

Tatsächlich ist der Fraktur/Antiqua-Streit ein sehr interessanes kulturgeschichtliches Kapitel (nicht nur) zwischen 1933 und 1945. Die wichtigsten Gründe für das Verbot der Fraktur-Lettern dürften gewesen sein:

  • Die klaren Formen der Antiqua-Lettern (Antiqua-Schrift besteht nur aus Halbkreisen und Linien), die der brutalistischen Nazi-Architektur entgegen kamen. (Fraktur hingegen hat über 50 verschiedene Linienformen und Schnörkel).

  • Die geringe Verbreitung von Frakturlettern in Ausbildungseinrichtungen und z.B. bei der Produktion von Schreibmaschinen.

  • Goebbels Vorsatz, die (deutschsprachige) Auslandspropaganda der Nationalsozialisten möglichst breitenwirksam aufzustellen.

Es gibt zum Fraktur/Antiqua-Gegensatz übrigens eine großartige literaturwissenschaftliche Studie: Susanne Wehde. Typographische Kultur. Eine zeichentheoretische und kulturgeschichtliche Studie zur Typographie und ihrer Entwicklung. Tübingen 2000.

Wenn man es z.B. gewohnt ist, deutschsprachige Originalliteratur aus dem 18. Jahrhundert zu lesen, die ja nahezu vollständig in Fraktur gedruckt wurde, dann versetzt die Aussage „Das klingt nach Frakturschrift“ natürlich jedes Mal einen leichten Stich, wenn damit auf rechtes Gedankengut abgestellt werden soll. Verständlich finde ich es aber freilich trotzdem.

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Nur davor wurde sie eben auch viele Jahre (ich denke von Anfang an) von den Nationalsozialisten eingesetzt. Fraktur hat sich innerhalb Europas in Deutschland länger erhalten und damit galten die verwendeten Schriften als deutsche Schrift, waren also zum Beispiel auch mit deutschen Migranten assoziiert. Und irgendwann war dann deutsch mit Nazi assoziiert, insofern ist das mehr eine internalisierte Außenperspektive, die man da fühlt, falls man diese Gefühle gegenüber Frakturschrift hat. Der von @less_ink erwähnte schon vor der NS-Zeit wesentlich länger währende Antiqua-Fraktur-Streit ist wohl heute ziemlich unbekannt.

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Ich finde es erstaunlich, dass hier eine Diskussion aufkommt, die Fraktur-Schrift im Zusammenhang mit Nazis diskutiert. Entstanden ist das Thema ja wohl durch die Aussage von – glaube ich – Philip Banse, der die Bezeichnung „Heimat“ im Zusammenhang mit dem Ministerium des Innern als „nicht das richtige Signal“ empfand und die ihn an Fraktur erinnert.
In der gleichen Lage (270) kam die Frage auf, wie man der AfD die Attraktivität nehmen könnte.
Dazu gehört – aus meiner Sicht – vor allem, einen so umfassenden, vielschichtigen und großen Begriff wie „Heimat“ nicht in die rechte Ecke zu schieben.

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Oh ja die vielen schichten von Heimat von grau bis braun alles dabei. Ich glaube die Autor_innen von „eure Hemat ist unser Albtraum“ sehen das etwas anders. "Heimat ist da wo man soch aufhängt " hab leider vergessen von wem das Zitat ist Bernhard? Achternbusch ?

Auch nen schönes Lied zum Thema George brassens La ballade des gens qui sont nés quelque part

Es war Herr Buermeyer: 270 / 6m28s.

Vielen Dank für Eure zahlreichen und spannenden Antworten!

Den Link wollte ich im Ausgangsbeitrag noch einfügen, s. dort unter der Überschrift Nationalsozialismus

(nur für diejenigen, die nicht dazu kommen die zitierte Monographie zu lesen)

Ja klar, das ist faktisch einfach so. Vielleicht war die Verwendung durch die Volksbühne so in etwa ein Versuch positiver cultural apropriation.