Frage zur Regierung (Tauruslieferung)

Kann mir mal jemand sagen, wie das rein rechtlich in Deutschland mit der Exekutive funktioniert?

Wenn ich das richtig verstanden habe, sind eigentlich so ziemlich alle demokratischen Parteien FÜR die Lieferung von Taurus - von ein paar SPDlern und den die dreieinhalb Leuten bei der Linken mal abgesehen. Nur der Herr Bundeskanlzer ist dagegen…

Daher mal ganz blöd gefragt: Kann der Bundestag sowas nicht einfach beschließen? Da kann doch dann Scholz auch nichts gegen unternehmen, oder?
Wenn die CDU das z.B. einstreuen würde möchte ich sehen, dass sich bei so einer zentralen Frage alle dem Fraktionszwang unterwerfen.

Oder habe ich da grundsätzlich falsch verstanden?

Klar können sie, nur hat sich damit dann auch die Regierung erledigt. Wenn die Regierungsmehrheit gegen den Kanzler etwas beschließen würde, sagen sie damit ja hoch-offiziell, dass der Kanzler nicht mehr „die Macht“ hat.

Deswegen stimmen ja die Abgeordneten der Regierungsmehrheit (in der Regel) nicht mit Anträgen der Opposition, auch wenn sie inhaltlich damit übereinstimmen.

3 „Gefällt mir“

Die Antwort auf die Frage ist etwas komplexer.

Zuerst müsste man sich fragen, ob die Entscheidung über die Lieferung der Taurus unter die Richtlinienkompetenz des Kanzlers oder unter die Ressortkompetenz des Verteidigungs- oder Außenministeriums fällt. Denn wie du richtig sagst, ist die Frage nach Waffenlieferungen eine Handlung der Exekutive, nicht der Legistlative, daher: Der Bundestag muss dem nicht zustimmen - nur, wenn deutsche Soldaten entsandt würden, müsste der Bundestag zustimmen.

Und bei diesen Exekutiv-Entscheidungen kommt es eben darauf an, wer laut Grundgesetz die Letztverantwortung hat. Es gibt gute Argumente für eine Richtlinienkompetenz des Kanzlers, gerade wenn man die Frage so hoch aufhängt, wie Scholz es tut. Denn wenn er argumentiert, dass er darin einen möglichen Kriegseintritt Deutschlands sieht (was mMn wie gesagt keine haltbare Position ist!) spräche vieles dafür, dass es sich um eine zentrale Entscheidung von großer Tragweite handelt. Sieht man es etwas realistischer als Scholz spricht vieles dafür, es als Entscheidung des Verteidigungs- oder Außenministeriums oder gar beider Ministerien im Kollegialprinzip zu sehen.

Das ist letztlich die rechtliche Antwort, wenn es wirklich hart auf hart käme, welche das BVerfG im Rahmen eines Organstreitverfahrens entscheiden müsste, wenn hier ein Streit eskalieren würde.

Tatsächlich jedoch hat @pintxo natürlich Recht, dass wenn es dazu kommt, dass sich die Regierung über so eine Sache nicht einigen kann und so eine Entscheidung vom BVerfG klären lassen muss, das eine Bankrott-Erklärung der Regierung wäre. Die Union würde sofort einen Rücktritt der Regierung wegen Handlungsunfähigkeit fordern und ich fürchte, ich müsste ihr da sogar Recht geben. Kurzum: die tatsächliche Klärung findet im Dialog innerhalb der Regierung statt.

1 „Gefällt mir“

Google ist dein Freund :wink::
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/FAQ/Aussenwirtschaft/faq-ruestungsexporte.html

Aber das kann ja nicht davon abhängig sein, wie wichtig das Thema dem Kanzler gerade ist. Wenn Scholz es jetzt „hoch aufhängt“, ob für das Schei**haus im Reichtstag jetzt vierlagiges statt dreilagiges Klopapier bestellt werden soll, fällt das ja da dadurch auch nicht automatisch in seinen Verantwortungsbereich.

Aber könnte der Bundestag das jeweilige Resort (Kanzler/Verteidigungsminister) nicht trotzdem überstimmen?

1 „Gefällt mir“

Ich habe die Eingangsfrage so verstanden, ob der Bundestag hier den Kanzler nicht „überstimmen“ kann. Grundsätzlich könnte der Bundestag das, nur muss die Exekutive ja die vom Bundestag „gewünschte“ Handlung vornehmen, der Bundestag selber kann das ja nicht.

Wenn sich nun die Exekutive weigern würde, bleibt nur das konstruktive Misstrauensvotum, ergo, die Abwahl der alten Exekutive durch Wahl einer neuen.

Da der Kanzler zumindest Teile der SPD hinter sich hat, dürfte das nur mit zusätzlichen Stimmen aus der Opposition zu machen sein, also eher unwahrscheinlich dass die Ampel daran ein Interesse hat.

Eine Klage vor dem Verfassungsgericht wäre auch eine (eher theoretische) Option wie von @Daniel_K erwähnt, aber das läuft am Ende alles auf einen Regierungswechsel hinaus.

Nö, rechtlich käme es darauf an, wie die urteilende Instanz (also das BVerfG) das Thema bewertet. Ich habe nur ausgeführt, wie man zu beiden Sichtweisen (Richtlinienkompetenz und Ressortkompetenz) argumentativ gelangen kann und welche Position Scholz vermutlich vertreten würde.

Theoretisch kann der Bundestag der Regierung immer in den Rücken fallen oder Dinge vorschreiben, aber hier gilt letztlich das gleiche wie oben: Wenn der Bundestag, in dem es eine Regierungsmehrheit gibt, seine eigene Regierung auflaufen lässt, ist das i.d.R. das Ende der Regierung.

Der Punkt ist doch: Wenn es den Regierungsparteien wichtig ist, werden sie das parteiintern klären und dann regierungsintern durchsetzen. Wenn das nicht gelingt, weil es Abweichler in den Regierungsparteien gibt und dann die Opposition im Bundestag der Regierung die fehlenden Stimmen geben muss, ist die Regierung praktisch handlungsunfähig. Dazu wird es keine Regierung kommen lassen.

Genau das hat die Union ja mit ihrem Antrag zu Taurus versucht - und Strack-Zimmermann hat mit der Union gestimmt. Anton Hofreiter hat dazu hingegen das passende gesagt, als er sagte, dass dieser Antrag der Union nur das Ziel hat, die Regierung zu spalten, und es faktisch nur zwei Möglichkeiten gibt: Der Antrag wird nicht angenommen oder er wird angenommen und danach gibt es keine funktionierende Bundesregierung mehr.

2 „Gefällt mir“

Kannst du sicher ausschließen, dass da nicht auch einige Gratismut zeigen? Oder der Bundeskanzler bzw. ein Teil seiner Minister eine Rolle spielen um glaubhaft die Lieferung aktuell zu versagen, aber unberechenbarer für die Zukunft zu sein. Würde das Nein zu Taurus von der gesamten Bundesregierung geteilt, dann könnte Putin ganz sicher davon ausgehen, dass das System quasi nie geliefert wird. Wenn es nur die Person am Knopf ist,… Ja die kann schnell durch ein Misstrauensvotum ausgetauscht werden.

Ehrlich gesagt verstehe ich aber nicht diese Fixiertheit auf die Taurusdebatte. Alle Experten sind sich einig, dass Taurus allein kein Gamechanger ist. Und alle sind sich einig, dass Deutschland im europäischen Vergleich recht fleißig liefert. Und doch halten wir uns krampfhaft an diesem Waffensystem fest und skandalisieren die Entscheidung eines Bundeskanzlers, bei dem bekannt ist, dass er bei Druck noch abweisender wird.

Was soll das bringen? Wir zerfleischen uns doch sinnlos selbst.

Vielleicht würde allein schon ein entsprechender Antrag ausreichen, um das Thema zum Kippen zu bringen…
Scholz muss sich doch darüber im Klaren sein, dass er da argumentativ auf verlorenem Posten steht.

Ich denke nicht, dass es in der Debatte wirklich um Taurus geht. M.E. geht es darum, dass der Kanzler und Teile der Regierungsmehrheit (vor allem der SPD), nach wie vor auf ihre „Peace-First“ Logik setzen. Und offensichtlich nicht getan wird was andere Teile der Regierung (allen voran Strack-Zimmermann und Hofreiter) für notwendig erachten, nämlich eine wirkliche „Zeitenwende“, mit a) deutlich stärkerer Unterstützung der Ukraine und b) einem ernsthaften und schnellen Aufbau von funktionsfähigen Streitkräften, was vor allem bedeuten würde Produktionskapazitäten für Munition aufzubauen.

Taurus ist dann nur der Kondensationskern an dem sich die Debatte leicht führen lässt.

Was ich an der ganzen Taurus Debatte noch am allerwenigsten verstehe, ich dass die Bundesregierung m.E. durchaus glaubwürdig sagen könnte Taurus beinhaltet so wichtige Technologie, die können/wollen wir nicht aus der Hand geben. Und da wir, aus historischen Gründen, nicht die Zielsteuerung, und damit Kontrolle über die Technologie selber übernehmen können, können wir der Ukraine die Technologie nicht geben.

Das wäre ein rundes Argument, mit dem die meisten Leben könnten. Genauso geben wir der Ukraine ja nur ältere Leoparden, und nicht die aktuelle Generation, ist doch am Ende das selbe Argument.

Stattdessen gibt man Putin noch die Oberhand in dem man Russland ganz offen zeigt dass man Angst vor ihm hat. Und begründet das mit der Angst als Kriegspartei betrachtet zu werden.

Da würde ich die Mehrheitsverhältnisse gerade in der SPD-Fraktion aber anders einschätzen. Und sei es auch „nur“, weil viele SPD-Abgeordnete Angst haben, dass ihre Basis sonst in Scharen zum BSW rennt.
Ein deutliches Zeichen dafür ist m. E. der Bundestagsbeschluss von letzter Woche, bei dem sich die Koalition ja gerade nicht dazu durchringen konnte, die Lieferung von Taurus direkt zu erwähnen. Stattdessen einigte man sich auf eine Kompromissformel, die alles und nichts bedeuten kann.

2 „Gefällt mir“

Es geht um’s Prinzip. Die Debatte ist symptomatisch für Deutschland.

Wer WERDEN Taurus am Ende liefern! 100-pro!
Da habe ich nicht den geringsten Zweifel dran. Genauso wie wir Munition geliefert haben, Waffen geliefert haben und Panzer geliefert haben.

Aber anstatt dass wir die Ukraine aber jetzt mit allem an Material beschmeißen was wir auftreiben können, zögern wir natürlich alles wieder raus, sträuben uns mit Händen und Füßen dagegen, nur um am Ende dann trotzdem zu liefern.

…DANN wenn wir mit dem Rücken zur Wand stehen!
…DANN wenn es nicht mehr anders geht!
…DANN wenn das Kind im Brunnen kurz davor ist an Altersschwäche zu sterben!
…DANN wenn es ein Vielfaches der jetzigen Kosten verschlingt!

Das ist einfach vollkommen irrational. Irgendjemand WIRD am Ende Waffen liefern. Irgendjemand WIRD sich damit eine goldene Nase verdiene. Die Frage ist doch nur, ob deutsche Unternehmen da partizipieren werden, oder nicht.

Wir haben in unseren Kasernen eh zu großen Teilen nur alten Schrott stehen, der nur noch von der oliv-grünen Farbe zusammengehalten wird. Warum das nicht nutzen und den alten Kram in die Ukraine geben?
Die Ukraine profitiert. Die Bundeswehr profitiert, deutsche Unternehmen profitieren, und die Regierung kann sich am Ende auch noch selbst dafür feiern.

Ich kann nicht mit einem Begriff wie „Zeitenwende“ um mich werfen mich aber so verhalten, als wäre der Konflikt nur irgendein x-beliebiger Bürgerkrieg in irgendeinem x-beliebigem Staat…

2 „Gefällt mir“

Da gehe ich auch von aus. Aber nur mit offizieller Rückendeckung der Nato.

Die Frage bleibt bestehen, und die kann niemand beantworten: Wäre es anders gekommen, wenn Deutschland sofort „alles“ geliefert hätte was gefordert wurde? Hätte Russland sich dann zurückgezogen? Wäre der Krieg in andere Bereiche der Welt ausgebreitet worden? Wären die Fronten noch härter und China und andere würden Russland heute massiver unterstützen? Alles Fragen, auf die wir ohne Zeitreise-Maschine keine Antwort bekommen werden.

Da bin ich wieder 100% bei Dir. Das ist typisch Scholz. Behauptungen aufstellen und diese dann überhaupt nicht einhalten. Siehe auch „Die MWST Senkung in der Gastronomie, die nehmen wir NIE mehr zurück“.

1 „Gefällt mir“

Angesichts der überzogenen Erwartungen an die ukrainische Offensive 2023 wäre das erhoffte Wunder vermutlich ausgeblieben. Aber es geht auch nicht um „alles“ - auch das Timing spielt einfach eine wichtige Rolle. Während in Deutschland ein Dreivierteljahr über die Lieferung von Kampfpanzern diskutiert hat, hatte Russland ausreichend Zeit, um sich im Süden der Ukraine buchstäblich einzumauern.
Es lässt sich ziemlich sicher sagen, dass die Ukraine im Herbst 2022 - kurz nach der Befreiung der Region Charkiw, als die russischen Streitkräfte ziemlich überrumpelt und desolat waren - deutlich weiter hätten vorstoßen können, wenn sie das militärische Gerät zur Verfügung gehabt hätten, was sie seit Februar 2022 gefordert haben und was sie dann ab Frühjahr 2023 bekamen. Ähnliches gilt für Flugabwehrsysteme, die die Ukraine schon lange vor 2022 haben wollte. Wären diese im gleichen Ausmaß im Herbst 2022 und nicht erst im Frühjahr/Sommer 2023 geliefert worden, hätten die russischen Angriffe auf zivile Infrastruktur in ukrainischen Städten wesentlich weniger erfolgreich sein können.
Und das betrifft jetzt wie gesagt allein die frühere Lieferung von dem, was dann später eh geliefert wurde.

1 „Gefällt mir“