Formen der Landwirtschaft

Ich habe eine Frage an Leute, die sich mit Landwirtschaft auskennen: Und zwar wird ja immer über zwei verschiedene Formen der Landwirtschaft berichtet, die kaum etwas gemeinsam haben und die völlig unvereinbar sind: konventionelle und biologische Landwirtschaft. Beide haben verschiedene Vor- und Nachteile.
Gibt es eigentlich eine dritte Form, die in der Mitte zwischen beiden Formen ist und versucht, von beiden Formen jeweils das Beste zu übernehmen?

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Das ist ein interessantes Thema zu dem ich hier schon ein bisschen eine Meinung kundgetan habe, aber tatsächlich wenig Ahnung von der aktuellen Situation habe.
Bevor hoffentlich hier ein etwas besser informierter Teilnehmer fundierteres schreiben kann würde ich nur kurz skizzieren was mir Landwirte und andere aus der Branche in den letzten Jahren so grob erzählt haben:

Im großen Stil lohnt es sich wohl in der Regel nicht ohne Biosiegel große Schritte zu mehr Nachhaltigkeit zu machen, weil man den Ertrag mindert, aber keine höheren Preise aufrufen kann. Ausnahme bei Tierhaltung mit den verschiedenen Haltungsformen, die z.B. im Supermarkt mittlerweile ausgezeichnet werden, aber das ist ja alles weiter auf niedrigem Niveau.

Vorwiegend findet man solche nachhaltigeren Formen ohne Bio daher eher bei Direktvermarktern. Die können ihre Kunden dann recht gezielt von den Vorzügen ihres Tuns überzeugen.
Bei Milch ist es glaube ich so, dass z.B. die Molkerei Berchtesgadener Land ihren Bauern strengere Auflagen macht als es allgemein zulässig wäre, auch bei den Produkten ohne Biosiegel.

Ebenso gibt es solche Mischformen wohl wenn es um spezielle Produkte geht, also z.B. Wein, Schnaps aus Obst von Streuobstwiesen, spezielle Rassen oder Haltungsformen bei Tieren (z.B. Schweine in Waldgehegen).

Einige der Infos sind aber schon ziemlich alt, daher möchte ich nicht ausschließen, dass sich einiges geändert hat, auch wenn man davon nichts hört.

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Ich meinte nicht ‚wo krieg ich die meisten Subventionen‘ oder ‚was passt am besten zu irgend welchen abstrakten Ideologien‘, sondern ‚was ist agrarmäßig am sinnvollsten‘. Also eben nicht das, was durch irgendwelche zufälligen Umstände, sondern durch Fakten bestimmt wird.

Stichwort Direktvermarkter: Es gibt durchaus eine Methode als Biobauer hohe Erträge zu erzielen und dabei vor allem den Boden zu verbessern. Der bekannteste Pionier auf diesem Feld ist Jean Martin Fortier (siehe das Buch „Bio-Gemüse erfolgreich direkt vermarkten“). Entscheidend ist, den Boden mit vielen verschiedenen Gemüsen kleinteilig zu bewirtschaften. Keine großen Felder sondern schmale Pflanzstreifen. Dadurch kann sich ein Bodenmikrobion entwickeln, das die Pflanzen widerstandsfähiger, ertragreicher und vor allem schmackhafter macht. Und zwar so sehr, dass keine herkömmlichen Pflanzenschutz- oder Düngemittel gebraucht werden. Mit geschickter Fruchtfolge können außerdem mehrere Ernten im Jahr eingefahren werden.
Falls Ihr ein SZ-Abo habt, hier noch ein Link zum SZ-Archiv mit einem Artikel über Bauern, die nach den Vorgaben von Jean Martin Fortier erfolgreich wirtschaften:

Das meine ich schon auch. Aber am Ende muss ein Bauer von dem was er tut gut leben und da gibt es aktuell die Wege hoher Ertrag durch konventionellen Anbau auf der einen Seite oder hohe Preise durch Bio auf der anderen Seite. Das dazwischen wird, wie mir erklärt wurde, immer schlechter abschneiden als eine der beiden ganz oder gar nicht Wege.

In anderen threads sprach ich mich daher für ein Siegel für nachhaltige Landwirtschaft aus. Meine Vorstellung ist dabei weiter den Ertrag zu maximieren, aber nur bis zu dem Punkt an dem die Nebenwirkungen deutlich zunehmen.
Sowas müsste aber eben entweder per Gesetz zum Standard werden oder per Siegel oder Ähnliches eine Auszeichnung erhalten die dafür sorgt, dass für derlei Produkte mehr gezahlt wird als für solche aus konventioneller Landwirtschaft.

Wenn ich das richtig verstehe ist das aber dann sehr arbeitsintensiv und daher für viele nicht Landwirte wohl kaum einfach umzusetzen. Bleibt daher dann auch wieder eine Nische für Direktverkauf.

Edit:
Da bei uns ja nicht Land sondern eher Arbeitskräfte der begrenzende Faktor sind wäre das wohl kaum ein Modell wie eine Landwirtschaft im großen Stil nachhaltiger als die konventionelle aussehen könnte.

Ob es eine dritte so grobe Kategorie gibt, weiß ich nicht. Diese beiden Kategorien sind ja eigentlich auch schon zu grob, um wirklich ein sinnvolles Bild der Wirklichkeit zu zeichnen.
Vielleicht könnte integrierte Landwirtschaft ein Stichwort sein, unter dem Du fündig wirst, habe das Konzept aber noch nicht ganz nachvollzogen. Das ist auch eine recht abstrakte Kategorie.

Ansonsten gibt es eine Reihe von Unterscheidungen und Merkmalen mit Bedeutung für die Nachhaltigkeit, die zu bio/konventionell quer liegen, also in beiden mehr oder weniger verwirklicht werden können (sicher mit Tendenzen in die eine oder andere Richtung):

Tierfrei/tierarm vs. hohe Tierdichte
Nasse Bewirtschaftung von Mooren
Humusaufbauende (regenerative) Landwirtschaft
Regionalität & Saisonalität
Agroforste (& Hecken)
Permakultur & Marktgärten (s. Bsp. von @Distelfink45)
Urban Farming, Vertical Farming, Dachgärten
Essbare Stadt

Hier gibt es überall weiteres Potential (Reihenfolge folgt dem grob), naturverträglich Nahrungsmittel und Rohstoffe zu erwirtschaften. Sicher wird es nicht die eine Lösung geben, die allein die für die Einhaltung der planetaren Grenzen nötigen Verbesserungen bringt, das sind alles Bausteine. Und aus allen gibt es total faszinierende Beispiele, Erkenntnisse und Techniken, die den Post sprengen würden.

Dafür, was davon eine Chance hat, sein Potenzial zu entfalten, ist dann natürlich der von @pbf85 angedeutete politische, rechtliche, ökonomische sowie kulturelle Überbau oder Rahmen entscheidend.

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