Fehlende Lokalzeitungen und Stimmen für die AfD

Liebes Lage-Forum,

ich melde mich mit einem Themenvorschlag, von dem ich denke, dass es euch interessieren könnte. Es geht um folgendes:

In meiner Masterarbeit an der Uni Stuttgart in „Empirischer Politik-und Sozialforschung“ habe ich untersucht, ob es einen statistisch signifikanten Zusammenhang gibt zwischen der Präsenz und Anzahl von Lokalzeitungen in Gemeinden vor Ort und dem Stimmenanteil für die AfD.

Dazu habe ich Daten zur Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg verwendet, sowie die Präsenz von Lokalzeitungen eigenständig erhoben. Insgesamt konnte ich so einen Datensatz zu rund 1.100 Gemeinden in BW zusammenstellen und meiner Frage nachgehen.

Durch verschiedene statistische Modelle habe ich dann tatsächlich zeigen können, dass Menschen in Gemeinden ohne Lokalzeitung stärker für die AfD wählen, als Menschen in Gemeinden mit mindestens einer Lokalzeitung. In Zahlen ausgedrückt waren es 1.6 Prozentpunkte. Auch unter Berücksichtigung von weiteren Variablen wie Arbeitslosigkeit, Migrationsanteil, Wirtschaftsstärke der Gemeinden etc. ist der Effekt der Präsenz statistisch signifikant - dann noch bei 0.6 Prozentpunkten.

Meine Masterarbeit, die mit einer 1.3 bewertet wurde, zeigt also das, was Katapult, Correctiv und andere immer wieder betonen: Lokaljournalismus ist wichtig für die Demokratie und kann als Bollwerk gegen die AfD dienen.

Darum möchte ich die Frage stellen: Wäre das ein Thema für die LdN?

Meine Arbeit wurde bereits an mehreren Stellen aufgegriffen. Ich selbst habe meine Ergebnisse bereits in einem Artikel bei der KONTEXT:Wochenzeitung aus Stuttgart veröffentlicht, da ich hier neben meiner Tätigkeit als SWR-Reporter als Autor arbeite. Hier der Link zu dem Artikel, sowie ein Interview mit meinem Professor, der die Arbeit betreut hat:

Artikel Studie: Medienstudie: Keine Lokalzeitung – mehr AfD - Ausgabe 675

Artikel Interview: Lokalzeitung und AfD: Ohne Information wird's radikaler - Ausgabe 675

Erwähnung findet die Arbeit außerdem beim MDR: Kolumne: Das Altpapier am 6. März 2024 – Wie das Zeitungsschrumpfen Populisten hilft | MDR.DE

Beim bildblog: Keine Lokalzeitung – mehr AfD, Männerdominiert, Desinformation — BILDblog

Bei der Waiblinger Kreiszeitung: Fehlender Lokaljournalismus stärkt die AfD: Was eine Studie aus Stuttgart zeigt - Nachrichten aus Stuttgart - Zeitungsverlag Waiblingen

Im Podcast „Medien im Visier“: Spotify

Und demnächst beim Deutschlandfunk (media res) Und bei „Menschen machen Medien“, der Medienpodcast der ver.di.

Vielleicht wäre das Thema also auch was für die Lage :blush:

Bis dahin, beste Grüße

Maxim Flößer

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Absolut spannendes Thema!
Als gelernter Drucker, der auch jahrelang in einer Druckerei eines Regionalverlages + Zeitung gearbeitet hatte, konnte ich das Zeitungssterben aus der mittelbaren Entfernung miterleben.
Auch wie ein Zusammendampfen der Lokalredaktionen und der Übergang zu einem dpa-Printout, die Abo-Zahlen massiv verschlechtert haben. Selbst wir als Drucker haben damals schon gesagt, dass man sich im Gegenteil mehr auf das Lokale konzentrieren müsste, die Nachrichten aus aller Welt bekomme ich schneller, bunter und aktueller per Internet.

Ein Verlag in HH hat, ich glaube das ist einmalig, den umgekehrten Weg eingeschlagen. Aus einem absolut reinem Lokalmedium, zuerst ausschließlich Online, wurde eine Printproduktion gestartet, weil es der Wunsch vieler Menschen war.

In DE ist aber die Konzentration praktisch sämtlicher Regionalzeitungen auf ein paar große Verleger praktisch deren eigener Untergang bzw. der Untergang der Regionalpresse.

Mal abgesehen davon, dass ich den Beitrag schon sehr self-promo-mäßig finde: Einen Zusammenhang zwischen Mediennutzung und Wahlverhalten gibt es sicher, aber mir ist nicht ganz klar, was du genau gemessen hast. In dem Kontext-Artikel schreibst du mal von „Lokalzeitung vor Ort“ und mal von „eigene Lokalpresse“. Was verstehst du genau darunter? Sind das eigene Zeitungen (die gibt es ja in vielen Bundesländern gar nicht auf Gemeinde-, sondern eher auf Landkreisebene) oder beziehst du da auch einzelne Seiten von regionalen Zeitungen mit ein, die sich auf eine Gemeinde oder einen Ort beziehen? Wie groß muss der Umfang der Berichterstattung auf Gemeindeebene sein? Erfasst Du auch Anzeigenblätter, die kostenlos verteilt werden?

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Ich würde gerne nach Ursache und Wirkung fragen.

Steigt der Anteil der Stimmen für die AfD, weil die Lokalzeitung fehlt?

Oder steigt er, weil die lokale Wirtschaft den Bach runtergegangen ist - was dann ebenfalls zum Ende der Lokalpresse geführt hatte?

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Das wüsste ich auch gerne. Der Rückschluß wenig Lokalzeitung → viel Afd ist ein mMn sehr schwierig zu beweisen. Kannst du die Masterarbeit verlinken?

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So ging es mir auch beim Lesen. Ich erlebte, wie in meiner Heimatstadt (schwäbische Kleinstadt) aus den „Kreisnachrichten“ mit Redaktion vor Ort 2-3 Kreis-Seiten der überregionalen Zeitung wurden. Zwei völlig unterschiedliche „Lokalzeitungen“ und nicht zu vergleichen mit Anzeigenblättern (hauptsächlich Werbung) und Gemeindeblättern (hauptsächlich Amtshinweise und Vereinsmeldungen), wie ich sie kenne.

Lieber @Maximowitsch,

vielleicht möchtest du uns ja einen Einblick in die Methodik der Auswertung geben? Da bleiben deine Artikel doch sehr vage und was du als signifikant bezeichnest ist völlig unklar. Schließlich kann ich Signifikanz mit 99.9%, 99.5 %, 95% oder auch mit 66% Konfidenzintervall berechnen. Welche Tests hast du verwendet oder und welche statistischen Modelle nutzt du? Passen Testsund Modelle zueinander? Diese Fragen lassen sich hier nicht nachvollziehbar beantworten.

Üblicherweise, wenn man öffentlich so mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten hausieren geht, legt man heutzutage auch den Quellcode seiner Auswertung bei Github oder auf einem ähnlichen Portal offen, so dass andere die Ergebnisse überprüfen können. Auf einen Verweis auf die Note würde ich an dieser Stelle eher verzichten. Eine 1,3 in der Abschlussarbeit ist eine hervorragende Note, Gratulation dazu. Aber ehrlich gesagt ist sie nicht außergewöhnlich. Üblicherweise hat man schon mit der nächsten Abstufung einer 1,7 kaum noch eine Chance auf eine Stelle in der Wissenschaft.

Andere haben auch schon auf darauf hingewiesen, dass auch die Kausalität nicht klar ist. Ist der Niedergang einer Region der Grund für Unzufriedenheit vor Ort und Lokalpresse? Oder ist tatsächlich der Rückzug der Lokalpresse der Grund. Sozioökonomische Faktoren als Datengrundlage dürften das nur bedingt abbilden können. Und du schreibst ja selbst, dass sich unter deren Einbeziehung der Effekt stark reduziert, von 1,6% auf 0,6%. Was bleibt wohl übrig wenn man wesentlich mehr Features in die Analyse mit einbezieht. Vom Lesen her wirkt es als hättest du eine sehr schwache Korrelation nachgewiesen, keine Kausalität. Akademisch kann da wert dahinter liegen. Realpolitisch sind selbst 0,6 % hingegen eher ziemlich unbedeutend und wohl andere Faktoren weit dominanter.

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Kann man irgendwo die Arbeit im original Lesen? Mich interessiert auch, wie du für andere Faktoren kontrolliert hast. Deprivation ist ja eine populäre Laienerklärung für Extremismus, wird in der Forschung aber als Nachrangig angesehen.