Liebes Lage Team,
Euer Podcast bietet wertvolle Einblicke in komplexe Themen und regt zu wichtigen gesellschaftlichen Diskussionen an.
In diesem Zusammenhang möchte ich Euch ein Anliegen vorstellen, das viele Menschen betrifft, jedoch oft nur am Rande der öffentlichen Aufmerksamkeit behandelt wird: die Ungerechtigkeit der aktuellen gesetzlichen Regelung des Elternunterhalts ab einem Bruttojahreseinkommen von 100.000 Euro.
Die derzeitige Rechtslage verpflichtet Kinder, ihre Eltern finanziell zu unterstützen, wenn diese pflegebedürftig werden und ihre eigenen Mittel nicht ausreichen. Die Regelung, wonach nur ab einem Bruttojahreseinkommen von 100.000 Euro eine Unterhaltspflicht besteht, mag auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, birgt jedoch erhebliche Ungerechtigkeiten und Widersprüche, die durch die aktuelle Rechtsprechung und insbesondere das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) noch verschärft werden. Es kommt hierunter zu verheerenden Fehlanreizen.
Ein zentraler Kritikpunkt ist die starre Einkommensgrenze von 100.000€ Brutto / Jahr.
Unter dieser Grenze wird kein (null!) Unterhaltsanspruch fällig, darüber sofort der komplette Unterhaltsanspruch. Die Grenze berücksichtigt weder die individuelle finanzielle Belastung durch eigene Kinder, Kredite, Vermögen oder regionale Unterschiede in den Lebenshaltungskosten.
So kann es vorkommen, dass eine Person mit einem Jahreseinkommen über 100.000 Euro netto deutlich weniger verfügbares Einkommen hat als jemand, der knapp darunter liegt, dennoch aber allein wegen des Überschreitens der Grenze zur Zahlung verpflichtet wird.
Besonders problematisch erscheint dies vor dem Hintergrund des BGH-Urteils (Beschluss XII ZB 6/24 vom 23.10.2024), das die Berechnungsgrundlage und die Zumutbarkeitskriterien in einer Weise festgelegt hat, die kaum Raum für individuelle Lebensumstände lässt.
Dies führt zu einer erheblichen Ungleichbehandlung, da die Verpflichteten oft gezwungen sind, in die eigene Altersvorsorge oder andere essentielle finanzielle Mittel einzugreifen.
Es kommt zu einem schlagartigem und dramatischen Reallohn Verlust, da der Eigenanteil einer vollstationären Pflege regelmäßig über 2000€ (netto) pro Monat beträgt.
Ein möglicher Lösungsansatz wäre, lediglich das Einkommen oberhalb der 100.000-Euro-Grenze für die Berechnung der Unterhaltspflicht heranzuziehen.
Eine solche progressive Berechnungsgrundlage wurde von einer Vorinstanz vor dem BGH-Urteil (OLG München – Az.: 2 UF 1201/23 e – Beschluss vom 06.03.2024) bereits angewandt. Hier wurde ein monatlicher Selbstbehalt von ca. 5500€ netto / Monat (enstpricht etwa 100.000€ brutto / Jahr ) festgelegt. Dies würde die finanzielle Belastung der Betroffenen gerechter gestalten und Anreize für weitere Beförderungen und Gehaltssteigerungen erhalten.
Dadurch könnte sichergestellt werden, dass nur der Teil des Einkommens, der tatsächlich als überschüssig gilt, zur Deckung des Elternunterhalts herangezogen wird.
Mein persönliches Beispiel ist wie folgt: Ich bin Arbeiterkind, Assistenzarzt im 1. Jahr an einer Uniklinik, meine Mutter seit einiger Zeit aufgrund eines Schlaganfalls in vollstationärer Pflege. Dank dem ärztlichen Tarifvertrag kann ich exakt absehen, dass ich spätestens in 5 Jahren unterhaltspflichtig werde und wie viel Reallohnverlust es schlagartig für mich bedeuten wird (Eigenanteil momentan bei etwa 2400€/Monat, Tendenz steigend).
Eine mögliche Konsequenz wäre eine Arbeitszeitreduktion, um knapp unter der 100.000€ Grenze zu bleiben. Damit wäre die universitäre Karriere aber natürlich auch beendet.
Ich danke für Eure Aufmerksamkeit und würde mich freuen, wenn Ihr dieses Thema in einer der kommenden Episoden aufgreifen könnten.
Vielleicht hilft ja auch, dass sämtliche MdBs und Minister (Einkommen > 100.000€) von der aktuellen Regelung benachteiligt sein werden ![]()
GaLiGrü aus München
Lorenz
PS: Es gibt zahlreiche Artikel und Reddit /r/finanzen Beiträge zu dem Thema
BGH entscheidet zur Höhe des angemessenen Selbstbehalts beim Elternunterhalt – DATEV magazin
