FDP Blockade von Buschmann bezüglich geplanter EU Regelung zu sexualisierter Gewalt an Frauen

"Sowohl Deutschland als auch Frankreich lehnen das ab, auch der juristische Dienst des Europäischen Rates teilt diese Einschätzung. Das Bundesjustizministerium, das in dieser Angelegenheit für Deutschland federführend ist, sprach zuvor auf Anfrage von ZEIT ONLINE von „erheblichen Zweifeln“. Das Strafrecht fällt in die Kernkompetenz der Mitgliedsstaaten.

Da würde mich eine Einschätzung von unserem Lieblingsverfassungsrechtler Ulf interessieren. Grundsätzlich sticht EU Recht nationales Recht, aber was ist, wenn Kernkompetenz Strafrecht Sache der Mitgliedsstaaten ist?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es daran scheitert, denn das muss die EU Kommission ja gewusst haben, als sie den Vorschlag gemacht hat.

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Worum geht es da überhaupt? Überall liest man von dem Brief, aber nicht was in der Richtlinie eigentlich drin steht.

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Ich bin froh, dass das Thema durch den Brief wieder Aufmerksamkeit erlangt. Im Oktober letzten Jahres hatte das ZDF einen Artikel diesbezüglich veröffentlicht und Compact eine Petition gestartet, wodurch ich auf das Thema aufmerksam wurde. Doch danach herrschte absolute Stille, keine Artikel, keine Diskussionen. Das Argument von Bundesjustizminister Marco Buschmann, bzw. von seinem Ministerium, sind mir absolut unverständlich und ich wäre sehr Dankbar für einen juristische Erklärung der Sachlage.

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Bin kein Rechtsexperte kann also nicht beurteilen, in wie weit Buschmann da einen Punkt hat. Aber so wie ich es verstehe geht es prinzipiell die Mitgliedsstaaten davor zu schützen, dass die EU ihnen das Strafrecht vorschreiben kann. Negativbeispiel wäre, wenn auf einmal Rechte überall gewinnen und dann Homosexualität in der ganzen EU strafbar machen und Deutschland sich nicht dagegen wehren kann. (Davor könnte es evtl. noch anderen Schutz geben, dass aufgrund der Menschenrechte es nicht möglich ist Homosexualität zu verbieten)

Aber hier kann mich gerne jemand korrigieren, der sich besser auskennt.

Guter Einwand. Mit Blick auf die Europawahlen und dem Rechtsruck wird immer mehr in diese Richtung argumentiert, dass Rechte die Mehrheiten dann für ihre Agenda missbrauchen.
Aber auch darauf ist die EU mit unabhängigen Instanzen ja vorbereitet. Hier kann auch die Afd mit absoluter Mehrheit nicht die Monopolstellung des BverfGs aushebeln. Ebenso können Rechte sich nicht über den EuGh hinwegsetzen. Insofern dürfte so ein eventuelles Vorhaben gegen Homosexuelle nicht durchsetzbar sein, wohingegen der Einsatz gegen sexualisierte Gewalt an Frauen ja ein erstrebenswertes Ziel ist.

Ich habe den Eindruck, diese Debatte, auch in der medialen Wahrnehmung, krankt enorm daran, dass es eben um Sexualstrafrecht geht. Dazu haben die meisten Menschen sehr schnell eine sehr starke Meinung. Daher möchte ich dafür plädieren, diesen Aspekt (ob man allgemein der Meinung ist, Strafen im Deliktsbereich mit Sexualbezug sollten höher ausfallen) einmal außer Acht zu lassen und einfach sachlich zu betrachten, worin sich eigentlich die deutsche und französische Ablehnung des Richtlinienentwurfs begründet.
Dazu ist es in meinen Augen erforderlich, sich einmal die Konzeption der EU als Rechtssetzungsorgan vor Augen zu führen. Die sieht grob umrissen so aus: Verschiedene europäische Staaten waren und sind der Meinung, dass dem Interesse aller am besten dadurch geholfen ist, rechtliche Regelungen in bestimmten Bereichen gemeinsam statt jeder für sich zu treffen. Zu diesem Zweck haben sie die EU gegründet. Damit die EU ihrem Auftrag nachkommen kann, haben die Staaten bestimmte Regelungskompetenzen an die EU übertragen, das bedeutet: Statt der Nationalstaaten bestimmt nun die EU, welche Regeln in diesen Bereichen gelten sollen. Diesen Kompetenzübertragungen mussten und, wenn sie erweitert werden, müssen die nationalen Parlamente zustimmen, denn: Es handelt sich um die Übertragung von Hoheitsgewalt, die im Ausgangspunkt bei den nationalen Parlamenten liegt, die diese ihrer demokratischen Legitimation ausüben. Aufgrund dieser demokratischen Legitimation ist es essentiell, dass die EU auch wirklich nur die Hoheitsrechte ausübt, die ihr von den nationalen Parlamenten übertragen wurden. Tut sie das nicht, handelt sie schlicht undemokratisch. Das ist abzulehnen, und zwar aus Prinzip, im Interesse der Demokratie und der Gewaltenteilung. Auch dann, wenn man das Anliegen im konkreten Fall gut finden sollte.
Die Frage, ob eine solche Kompetenz der EU in dieser Causa vorliegt, dürfte recht eindeutig mit Nein zu beantworten sein. Den Kompetenzen der EU ist es gemein, dass sie überwiegend Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Zusammenhang betreffen. Wo diese Komponente bei der Definition und den Mindeststrafen des Tatbestandes der Vergewaltigung zu finden sein soll, scheint mir doch mindestens begründungsbedürftig zu sein.
Insofern finde ich es unehrlich und unfair, so zu tun, als stünde Marco Buschmann (von dem ich keinesfalls ein Fan bin) hier aus reiner Boshaftigkeit oder aus patriarchalem Eifer dem Schutze der Frauen in Europa im Weg. Den Unterzeichnerinnen des offenen Briefs wird man wohlwollend unterstellen können, sich schlicht nicht informiert zu haben. Jedenfalls fände ich es wirklich bedenklich, würde ernsthaft die Position vertreten, für die „gute Sache“ könne man schon auch mal demokratische Spielregeln ignorieren. Die Gegenseite dankt es.

Hier noch ein aktueller Beitrag zu dem Thema von Tatjana Hörnle, Strafrechtsprofessorin am MPI in Freiburg: Keine Blockade, sondern eine Frage der Kompetenz – Verfassungsblog

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Ich wäre sehr vorsichtig mit sowas. Es geht hier um die Freiheit von Menschen, da sollten keine Fehler passieren. Ähnlich wie mit der Todesstrafe, bei der selbst wenn es in 99.9% die „richtigen“ treffen sollte, sind die 0.1% Fatal.
Das Steuerrecht zeigt zum Beispiel sehr gut, wie schwer es ist Gesetze komplett wasserdicht zu machen. Oder ein anderes Beispiel, früher hieß es immer, das deutsche Grundgesetz ist so sicher, dass Nazis an der Macht nie wieder so einen Schaden anstellen könnten. Jetzt wo die AFD 20% hat fällt den Politikern auf einmal auf, dass man das Bundesverfassungsgerichtsgestz doch mal mehr absichern müsste.

Das Problem ist, wenn das schief läuft gäbe es keinen sicheren Hafen mehr in ganz Europa.

Ich hab noch keine wirkliche Meinung zu dem Thema. Aber auch wenn ich wirklich kein Freund der FDP bin, finde ich es ungünstig, dass mit dem Schutz der Frauen hier evtl. ein Grundprinzip der EU aufgehoben wird. So klingt es jetzt so, als sei Buschmann hier gegen Frauen, was aber sehr wahrscheinlich gar nicht der Fall ist, sondern es ihm hier wirklich ums Prinzip geht.

Ich würde es vielleicht besser finden, wenn es möglich wäre, statt das über die EU zu regeln, besser es über einen internationalen Vertrag zu regeln.

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Ich würde gerne darauf hinweisen, dass ich Marco Buschmann keine Boshaftigkeit unterstellt habe, sondern lediglich auf seine Blockade, sogar in Verbindung mit Frankreich und Unterstützung rechtlicher Bedenken durch den juristischen Dienst des Europäischen Rates, hingewiesen habe und mich eine Einschätzung von Ulf dazu interessieren würde.
Aber ja, man könnte es … schnell als … „fdp bashing“ interpretieren. So war es aber nicht gemeint…

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Sorry, falls das so rüberkam, dich hatte ich gar nicht so verstanden, als ob du irgendjemandem etwas unterstellen wolltest. Die Bemerkung war eher auf den offenen Brief bezogen, der sich ja so las, als würde das Vorhaben blockiert, weil man Vergewaltigungen gar nicht so schlimm fände.
Deine Frage zu dem Thema ist völlig berechtigt und auch keinesfalls „FDP-Bashing“ (bei dem ich sonst gerne dabei bin, zB Blockade der Lieferkettenrichtlinie aktuell). Ich fände es auch gut, wenn das Thema kurz in der Lage angesprochen würde, einfach, um dem falschen Eindruck entgegenzuwirken, der mir in der Berichterstattung vorzuherrschein scheint.

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