Facebook gegen Regierung

Hallo Lagemacher,

ich will mal wieder ein Thema vorschlagen, aber erstens glaube ich, dass Ihr das Thema auch ohne meinen Vorschlag aufgreifen würdet, zweitens bin ich auch so hochzufrieden mit Eurer Themenauswahl (ok, abgesehen davon, dass auch ich mittlerweile coronamüde bin - aber das wird ja nichts daran ändern, dass Themen rund um Corona weiterhin so wichtig sind, dass wir sie halt duchstehen müssen, auch wenn sie uns keinen Spaß machen).

Mich lässt zur Zeit ein Thema mit vielen Fragezeichen in Augen und Ohren vor Radio und Fernseher sitzen: Der Machtkampf zwischen Facebook und der australischen Regierung. Dürfen wir hinnehmen, dass eine Plattform, von der viele abhängen, wichtige Informationskanäle wie z.B. Wetterberichte sperrt, um sie als Druckmittel für ihre wirtschaftlichen Interessen einzusetzen? Oder müssen wir das hinnehmen, weil wir nicht selber vorher vermieden haben, dass diese Abhängigkeit gar nicht entsteht? Sind wir also selber schuld? Aber kann man ein „selber schuld“ als Argument verwenden, um jemanden absichtlich zu schädigen?

Ich wäre gespannt, wie Ihr das seht, und welche Aspekte die Sache noch hat!

Ich finde beides Recht legitim.

Zum einen Facebook verdient Geld mit dem Produkt anderer, die halt jetzt einen Teil vom Kuchen haben wollen.

Berechtigte Forderung in meinen Augen.

Das Facebook die halt nicht bezahlen will und sie somit von ihrer Plattform verbannt ist für mich auch völlig okay.

Clevere Leute können jetzt in die Lücke springen und mit eigenen Lösungen Facebooks Reaktion ausnutzen, heißt dann aber auch, wenn diese Leute gute Lösungen anbieten und die Leute zu ihnen wechseln, wird Facebook am Ende weniger „systemrelevant“

Für mich eigentlich perfekte Lage die Vormachtstellung von Facebook anzugreifen.

Wenn ich es richtig verstanden habe, dann verbannt Facebook aber nicht die Inhalte, für die es künftig bezahlen müsste, sondern die von Regierungsinstitutionen, also praktisch die Seiten seiner Verhandlungsgegner, um ein eher wohlwollendes Gesetz zu erpressen.
Aber das ist nur mein Eindruck, den ich nicht belegen kann.

Nein, Facebook verbannt alle Nachrichteninhalte in Australien; dazu weltweit alle Inhalte australischer Zeitungen. Das Gesetz ist ja schon abgeschlossen und Facebook hätte sonst Deals machen müssen.

Genau das wird nicht passieren. Zwei Gründe:

  1. Social Media ist eine der wenigen Branchen, indem große Unternehmen effizienter arbeiten als kleine. (Stichwort: negative Grenzkosten). Deswegen werden kleine Unternehmen da nicht drauf einspringen können.
  2. Das australische Gesetz verlangt, dass Social Media Deals mit den Verlägen aushandelt. Die ist sehr schwierig für kleine aufstrebende Player, gerade weil eigentlich die ganze australische Medienlandschaft in den Händen von Ruppert Murdochs News Corp liegt.

Man muss die Sachen abwägen. Einerseits verbessert Facebook sein Produkt (die „Timeline“) indem dort journalistische Inhalte angezeigt werden. Andererseits profitieren die Verläge davon, dass sie da kostenlos platziert werden. Andere Marken zahlen viel Geld, um Werbung auf Facebook zu schalten. Man muss grundsätzlich erstmal abwägen, wer hier wem die Rendite abnimmt. Ein Problem ist natürlich in der Marktmacht Facebooks (und auch Googles, die ja gekuscht haben).

Facebook ist grundsätzlich bereit Kompromisse in dieser Hinsicht einzugehen. In Frankreich gibt es Deals mit News-Kanäles ab. Weltweit bezahlt Facebook einen Obulus an die Verläge die in Facebook News aufgenommen wurden.

In meinen Augen hat Facebook hier wohl richtig gehandelt. Das australische Gesetz ist Mist. Dort sollen die Parteien Vorschläge für einen Deal vorlegen, und eine Behörde entscheidet welcher Vorschlag angenommen wird – ohne Kompromiss! Das ist zu riskant – zu welchen Gunsten wird die australische Behörde wohl entscheiden, wenn der australische Medien-Mogul sich mit den amerikanischen Tech-Riesen streitet? Das geht auf Lasten der kleinen Verläge. Google hat ja einen Deal mit News Corp gemacht. Damit haben die Australier ein wenig Rendite von Silicon Valley abgeschöpft, der Journalismus verliert aber.

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Die (im wesentlichen) gleiche Situation hatten wir 2013, als das Leistungsschutzrecht 2013 eingeführt wurde [1]. Damals sollten Suchmaschinenbetreiber (allen voran natürlich Google) aus dem gleichen Grund an Presseverlage Geld dafür bezahlen, dass man deren Inhalte bei den Suchanbietern finden kann. Long story short, Google hat die Muskeln spielen lassen und die Inhalte rausgeworfen – mit der Konsequenz, dass die VG Media eingeknickt ist und „gegenüber Google eine widerrufliche ‚Gratiseinwilligung‘ in die unentgeltliche Nutzung ihrer Presseerzeugnisse […]“ erteilt hat [2].

Das eigentliche Problem ist doch, dass das freie Internet immer mehr durch Plattformen verdrängt wird – weil es „so schön einfach ist“. Für viele heute ist Facebook das Internet und diese Personen wissen garnicht, dass es auch außerhalb dieser walled gardens Internet gibt.

[1] Leistungsschutzrecht für Presseverleger – Wikipedia
[2] Leistungsschutzrecht: Axel Springer streitet weiter mit Google - DER SPIEGEL

Das hier fasst es eigentlich recht gut zusammen: :grinning:

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