Europäischer Zusammenhalt in der Coronakriese

Lieber Ulf, Lieber Philip,
ich mag euren Podcast und schätze eure wöchentliche Darstellung zu vielen Themen. Es gibt jedoch ein Thema, dass ihr in Nebensätzen immer wieder anschneidet, was mich irgendwie emotional triggert.

Aus euren Darstellungen u.a. Brexit gehe ich davon aus, dass ihr die Freiheiten der EU schätzt und ich hier nicht erklären muss, warum die EU eine gute Sache ist.

Jedoch werden Menschen mit europäischem Lebensstil überdurchschnittlich, zum Teil unbegründet und aus nationalem Protektionismus, von den Corona Maßnahmen getroffen. Hierbei geht es mir um die unterschiedlichen Grenzschließungen und Einreiseverordnungen.
Ich will nicht sagen, dass Grenzschließungen grundsätzlich ungeeignet sind um die Pandemie einzudämmen. Gerade dann, wenn zwischen zwei Regionen große Inzidenz-Unterschiede im Virus oder in gewissen Varianten gibt, macht es durch aus Sinn Bewegung zwischen diesen Regionen einzuschränken.

Jedoch wird hier leider oft mit zweierlei Maß gemessen, abhängig davon ob diese Regionen zum eigenen Staat gehören oder doch in einem anderen Staat liegen.

Ich befürchte, dass der Schaden durch die nationale Pandemie an der Europäischen Vision mit dem Schaden des Brexits mithalten kann. Vielen Menschen, die im EU Ausland erleben, erfahren, dass sie doch Bürger zweiter Klasse sind.

Einige Beobachtungen:

  • In der öffentlichen Debatte in Deutschland, die auch von euch Reproduziert wird, ist die Argumentation: Urlaub ist Luxus → warum kann man noch einfach nach Spanien fliegen → macht die Grenzen dicht! Dann kann man eben mal nicht die Familie besuchen.
  • Das RKI unterscheiden zwischen inländischen oder ausländischen Risiko gebieten, der Pandemie bzw. dem Virus ist es jedoch egal ob es von Sachsen oder Tirol nach Köln getragen wird. Das schießen der ehemaligen Innerdeutschen Grenze wäre (aus Pandemie Sicht) genauso wirkungsvoll oder begründet, wie das Schließen der Staatsgrenze gen Süden.
  • Die EU Staaten sind sich nicht einig, wer die Signifikat höhere Inzidenz hat, sodass bei Grenzübertritt in beide Richtungen Quarantäne einzuhalten ist.
  • Die Quarantäne kann nicht im Vorfeld erbracht werden, was jedoch oftmals eine große Erleichterung wäre. Z.b.: Großeltern Besuch, wäre es durchaus praktisch sich 2 Wochen zu hause zu Isolieren, dann über die Grenze zu den Großeltern zu fahren und nach 2 Tagen wieder zurück zu fahren. 2 Wochen Homeoffice für den Besuch bei den Großeltern wäre zu verkraften. Die Realität ist jedoch eher 2 Wochen zuhause isolieren, um das Virus nicht zu den Großeltern zu bringen. Dann zwei Wochen bei den Großeltern in Quarantäne, weil Grenzübertritt, und dann zwei Wochen nach der Rückfahrt.
  • Das Mitteln der Inzidenz über ganze Staaten die sehr unterschiedlich groß sind macht die Quarantäne Verordnungen extrem Pauschal. Es gab Zeiten, in denen Deutsche bei der Einreise nach Norwegen nicht in Quarantäne mussten, Österreicher allerdings schon. Die Fallzahlen in Bayern und Österreich waren jedoch vergleichbar. Der deutsche Inzidenzwert wurde jedoch durch die geringe Verbreitung in Norddeutschland gedrückt. Zum Glück haben die Grenzbeamten nach der Nationalität und nicht dem Wohnort gefragt.

Die Grenzschließungen führen dazu, die Schuld für hohe Inzidenzen ins Ausland zu verlagert und Grenzschießlungen zu einer Pauschalmaßnahme zu machen. Jedoch kommen oft nur die ersten Keimzellen aus dem Ausland, die meisten Positiven haben sich jedoch im Inland infiziert. Daher sollten Grenzschließungen aufgehoben werden, wenn sich das Pandemieverhalten im In- und Ausland nicht signifikant unterscheidet und der Fokus auf lokale Hygienemaßnahmen - wie Masken, Kontaktreduktion und der vermeiden von Menschensammlungen etc. - gelegt werden.

Zum Abschluss wünsche mir einfach mehr europäischen zusammen anstelle von pauschalen Schuldzuweisungen.

Arne

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Ich stimme hier 100% zu. Und ich füge an:

Viele Menschen haben eben die Grenzen überwunden, haben Freund, Verwandte oder Partner in einem anderen Land.

Ich war letzten Sonntag nach dem Besuch meiner Kinder im Rückreiseverkehr vom CZ nach Deutschland. Ich stand 4h an der Grenze und wurde „eingelassen“.

Ein Beamter leuchtete mir mit der Taschenlampe ins Gesicht und fragte nach meinen Ausweis und einem Test.
Ich hatte keinen „beglaubigten“ Negativtest, ich hatte ihm selbst vorgenommen.

Er erlaubte mir die Einreise mit den Worten „Sie sind Deutscher“. .

(Quarantäne war natürlich angesagt und zwei Tests die ich ebenfalls selbst bezahle)

Diese Aussage fast es ganz gut zusammen, wie ich mir meine Grenzerfahrungen auch erkläre. Ich muss sagen, dass ich bin jetzt währen Corona immer ohne große Verzögerungen über die Grenze gekommen bin, wenn ich es Versucht habe. Also momentan halt nicht und als letztes Jahr zur ersten welle die Grenzen dicht gemacht wurden, war ich für 2 Monate im Exil, ohne überhaupt zu versuchen zurück zu reisen.

Daher stelle ich mich immer noch bei jedem Grenzüberritt drauf ein eventuell doch für längere Zeit auf der anderen Seite festzusitzen.

Es es ist und bleibt ein Abenteuer, da ich die Gesetzeslage immer als sehr schwammig empfunden habe. Zum Beispiel der Besuch nicht ehelicher Schwiegereltern.
Ich erkläre mir meine unkomplizierten Grenzerfahrungen immer damit das ich einer privilegierten Schicht angehöre (Männlich, Weiß, Heterosexuell und deutsch Pass).
Ich stelle mir trotzdem jedes mal die Frage, ob ich genauso unkompliziert und ohne Quarantäne über die Grenze gekommen, wenn ich eine Aufenthaltserlaubnis in folge eines Positiven Asylverfahrens hätte und meinen Kind besucht hätte, bei dem ich nicht in der Geburtsurkunde stehe?

Ich kann nur hoffen, dass Europa auf die nächste Pandemie eine Europäische Antwort findet. Und Brexit und Corona ausreichend Motivation geschaffen hat um einen nächsten Schritt in Richtung Europäischen Staat zugehen.