Eurofighter Lieferungen nach Saudi-Arabien

Die am Eurofighter beteiligen Nationen sind schon länger in der Frage gespalten, ob eine Lieferung dieser Kampfjets an Saudi-Arabien vertretbar ist. Nach meinem Verständnis steht hier die für den nahen Osten wichtige strategische Partnerschaft mit dem Land den dort verübten Menschenrechtsverletzungen gegenüber. Die Diskussion scheint nun neu aufgeflammt zu sein, da die Flugzeuge wohl auch einen Beitrag zur Sicherheit Israels leisten könnten und die Partnerschaft mit den Saudis in der aktuellen Situation wichtiger denn je erscheint. Besonders die Grünen sind in dieser Frage gespalten [1], [2], [3].
Ich finde das Thema sehr schwierig. Die Vorstellung, dass in Deutschland produzierte Flugzeuge für Menschenrechtsverletzungen im Jemen verantwortlich sein könnten, wenn wir solchen Lieferungen zustimmen, hat mich bisher immer zu einer ablehnenden Haltung gegenüber diesen Lieferungen bewogen. Ich kann aber möglicherweise die Gesamtsituation - insbesondere die politische Dimension - nur bedingt einschätzen.
Ich fände es super wenn dieses Thema es in die Lage schaffen würde. Es scheint nicht so präsent in den Nachrichten, erscheint mir hingegen aber als eine wichtige Weichenstellung.

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Ich finde das Thema auch hochinteressant.

Soweit ich es verstehe, ist es das Ergebnis daraus dass ich mehrere Interessen überschneiden.

  • Airbus ist praktisch der einzige verbleibende Luftfahrtkonzern in Europa, und hat damit ernorme politische und wirtschaftliche Macht
  • die Fertigungslinien sind auf die vier Partnerländer aufgesplittet. Die bestehenden Aufträge sind jetzt aber (fast) komplett abgearbeitet. Man will Jobs erhalten, und auch das know how der Kampfjet - Fertigung erhalten. Wenn die Linie zugemacht wird, gehen nicht nur Fließbandarbeiter verloren, sonder auch Ingenieure mit Nischenwissen gehen halt in die USA, Schweden etc. Man braucht dieses Wissen aber um die nächste Generation an Jets / bewaffneten Drohnen zu entwickeln.
  • Saudi Arabien ist (leider) ein wichtiger Partner für nahezu alle aussenpolitischen Vorhaben im Nahen Osten. Es verhält sich hierbei auch geschickt so, dass Menschenrechtsverstöße gut durch viel Geld und diplomatische Bemühungen „überdeckt“ werden.
  • Houthi Rebellen stören seit Monaten den Frachtverkehr im arabischen Meer / Golf von Aden. Dies hat Auswirkungen auf den Frachtverkehr, die fast das Ausmaß der Störungen durch die Strandung der Evergiven erreichen. Deutschland als Export - und Industrienation kann dadurch verursachte Lieferschwierigkeiten schlecht verkraften. Wenn den Houthis mehr Bomben auf den Kopf fallen als vorher, ist das im deutschen Interesse, da diplomatische Bemühungen fehlgeschlagen sind.
  • Saudi Arabien hat Raketen abgeschossen, die Richtung Israel unterwegs waren. Ich halte das aber für ein vorgeschobenes Argument. Zum einen gibt es zahlreiche andere Methoden, solche Flugkörper abzufangen. Flugabwehr ist eines der Dinge, bei denen Israel im Zweifel keine Hilfe aus dem Ausland braucht. Saudi Arabien hat auch bereits 72 Eurofighter aus früheren Lieferungen. zur Flugabwehr würden die alle mal ausreichen. Zum Anderen wird es Monate dauern, bis die neuen Jets in Saudi Arabien in Dienst gestellt werden. Und wenn man wirklich nur die Flugabwehr von Isarel verbessern will, kann man an Israel direkt verkaufen, oder eben Flugabwehr wie IRIS-T, die keine Bomben in deren Ländern abwerfen kann.
  • selbst als Grünen-Wähler muss ich feststellen, dass die „wertegeleitete Aussenpolitik“ leider nur eine PR Nummer war. Ausser ein paar Fotos in Afrika hat man davon nichts bemerkt, am Schluss gewinnt ja doch wieder die „Realpolitik“. Und selbst der Grünen-Parteitag heisst das letztendlich noch gut
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Immerhin gibt es innerparteiliche Kritik, z.B. von Ricarda Lang:
Mit Blick auf die Menschenrechtssituation, auch auf die innere Verfasstheit Saudi-Arabiens, finde ich eine Lieferung von Eurofightern nach wie vor falsch. Ich fände es richtig, wenn wir bei der Position bleiben, dass keine Eurofighter an Saudi-Arabien geliefert werden.

Es ist dennoch interessant, wie sich die Grünen hier verhalten, inbesondere da man vor und im Wahlkampf eben diese Lieferungen sehr hart kritisiert hat:


(Link zum Tweet)

Vielen Dank für die m.E. sehr gelungene Analyse. Vielleicht eine Anmerkung:

Grundsätzlich ist das richtig und so wird es auch seitens der Luftfahrt-Unternehmen kommuniziert. De facto wären die Eurofighter Aufträge aber nur ein willkommenes Geschäft - keinesfalls jedoch notwendig für den Existenzerhalt der militärischen Entwicklung. Grund dafür ist das FCAS Programm, das mit einer Größenordnung von 100 Mrd (!) € Entwicklungsbudget deren Fortbestand auf Jahrzehnte sicherstellen wird. Meine Einschätzung wäre also in diesem speziellen Fall, dass mindestens Deutschland diese Lieferungen wirtschaftlich nicht nötig hätte.
Selbst wenn dem nicht so wäre stellt sich die Frage, ob diese wirtschaftlichen Zwänge Waffenlieferungen rechtfertigen, mit denen potentiell Menschenrechtsverletzungen begangen werden könnten.

Das führt uns dann zur sehr komplexen Frage, wie sich ein Land bzgl. seiner Rüstungsindustrie aufstellt. Rüstungsindustrie ist extrem teuer. Die eigene Industrie ist überhaupt nur möglich, wenn man die teuren Entwicklungen (siehe z.B. FCAS) über genügend hohe Stückzahlen im Verkauf gegenfinanzieren kann. Dazu reicht der eigene Bedarf meist nicht aus. Das führt zu eben solchen höchst fragwürdigen Export-Überlegungen. Alternativ kauft man seine Waffen selbst ein. Z.B. bei den USA. Mit dem Problem, dass man in der betreffenden Technologie komplett abhängig ist. Sowohl was den Einsatz der Waffen, als auch was deren Verfügbarkeit und Weiterentwicklung angeht. Hört sich erstmal nicht tragisch an, wenn man bedenkt dass Europa selten unabgestimmt mit den USA handelt, aber vor dem Hintergrund eines möglichen Präsidenten Trump kann ich hier auch Bedenken verstehen.
Einen halbwegs akzeptablen Mittelweg sehe ich eigentlich nur in möglichst wirtschaftsstarken aber möglichst Interessen-ähnlichen europäischen Konsortien. Da teilt man sich die Kosten und ist nicht ganz so angewiesen auf externe Aufträge. Man muss sich aber auch in allen Belangen einig sein. In jedem Fall sollten diese Zwiespälte und Entscheidungen politisch gut erklärt werden, wenn große Rüstungsprojekte ins Leben gerufen werden. Das ist m.E. bei FCAS z.B. nicht passiert.

Im vorliegenden Fall bleibt für mich also noch die Frage offen, ob die Stärkung der strategischen Partnerschaft mit den Saudis das Risiko von Menschenrechtsverletzungen mit deutschen Kampfflugzeugen rechtfertigt. Gefühlt nicht.

Die Grünen mussten in der Regierung schon viele Dinge mittragen, die sie zuvor vehement bekämpft haben (Lützerath war wohl das schwerste Paket…). Letztlich verlangen wir das ja auch von der FDP - also dass sie Kompromisse mit den anderen beiden Parteien eingehen muss, auch wenn sie gegen die eigenen Grundüberzeugungen sind… Eine so ungleiche Regierung wie SPD, Grüne und FDP führt eben leider dazu, dass alle Parteien etwas aufgeben müssen, vor allem die beiden Juniorpartner.

Interessant finde ich dabei eigentlich vor allem, dass die SPD verhältnismäßig wenig von ihrem Kern opfern musste. Andererseits ist die SPD ja schon weitestgehend von der Union entkernt worden, es fällt mir eigentlich schwer, überhaupt zu sagen, was für die SPD ein so zentrales Thema ist, dass es mich überraschen würde, wenn sie dagegen Politik machen würde - einzig der Mindestlohn fällt mir dazu ein… aber als Wähler ist man das von der SPD ja auch schon gewohnt („Wer hat uns verraten…“), jetzt sind Grüne und FDP auch mal in der Position, einige ihrer Kerninteressen über Bord werfen zu müssen…

So traurig das auch klingt, aber in Zeiten neuer russischer Großmachtbestrebungen ist die Welt wieder bipolarer denn ja, daher: Man lässt den Saudis und z.B. auch der Türkei sehr viel durchgehen, wenn sie dafür im eigenen Lager stehen und nicht im russischen. Ein Land von westlicher Militärausrüstung abhängig zu machen ist letztlich ein Weg, das Land an sich zu binden.

Gefühlt ist das alles sehr blöd, aber hier gilt letztlich das gleiche wie im Hinblick auf China:
Wenn wir an allen Fronten gleichzeitig maximal kämpfen (also aktuell z.B. massive Kritik an China äußern), riskieren wir, dass sich alle gegen uns (also „den Westen“ bzw. „die NATO“) verbünden. Da kann es - so schwer es auch fallen mag - manchmal sinnvoller sein, ein paar moralische Bedenken aus geopolitischen Erwägungen zu ignorieren.

Auch hier gilt wieder der Klassiker: Das ist ein Dilemma, es gibt keine ideale Lösung. Es ist die Wahl der am wenigsten schlimmen Option. Jegliche Kritik, die nur das - berechtigt - kritikwürdige anspricht, aber keine besseren Alternativen benennt (z.B. weil sie das Dilemma nicht akzeptiert) ist es letztlich nicht wert, überhaupt ernst genommen zu werden…

Hier nur als kleine Ergänzung. Deutschland wird diese Flugzeuge nicht herstellen. Im konkreten Fall geht es um eine Zustimmung zum Export von britischen Eurofightern an Saudi-Arabien. Die Zustimmung wird hier benötig, da Teile des EF in Deutschland hergestellt werden.