Eskalation durch Anschläge auf russische Infrastruktur

Also die wichtigen Teile daraus:

Also das hier schon mehrfach genannte Szenario, dass Putin innenpolitisch unter Druck gerät und den Krieg nicht weiter gegenüber dem Volk und den Eliten rechtfertigen kann („Afghanistan-Szenario“)

Das geht letztlich in die gleiche Richtung: Russland muss die Truppen aus der Ukraine abziehen, weil der innenpolitische Druck so stark wächst, dass man die Truppen im Land braucht, um für Ruhe zu sorgen.

Der Autor geht daher davon aus, dass es nicht zwangsläufig zu einem Regime Change kommen würde, weil Putin es trotz verlorenem Krieg schaffen könnte, seine Position in Moskau zu festigen.

Das ist letztlich der Unterschied zwischen der vor mir dargelegten Position und der Position des Autors dieses sehr ausführlichen Artikels: Die Frage, ob Putin sich im Falle einer Niederlage noch an der Macht halten kann. Und die Frage ist glaube ich selbst für manchen Angehörigen der russischen Eliten schwer zu beantworten, für uns umso mehr. Aber das ist letztlich ja auch nebensächlich.

Im Ergebnis kommt der Autor zum gleichen Ergebnis wie die Mehrheit hier im Forum:
Der Krieg wird - wenn die Ukraine weiter unterstützt wird und Erfolge erzielt - vermutlich enden, weil Putin ihn aus innenpolitischen Gründen beenden muss. Ob Putin da noch als „starker Anführer“ rauskommen und sich an der Macht halten kann, halte ich wie gesagt nach all dem, was Putin in diesen Krieg investiert hat, für schwierig, weil es Putins Stellung als „Alphatier“ einfach völlig untergräbt - und abgesehen davon hat Putin erschreckend wenig zu bieten. Aber vielleicht irre ich mich auch und er kann es tatsächlich schaffen, sich an der Macht zu halten.

Dazu muss man aber auch anmerken, dass es gute Gründe für die russischen Eliten gibt, Putin bei einer Niederlage aus dem Amt zu treiben. Denn viele russische Eliten wollen wieder zurück zu einem halbwegs akzeptablen Verhältnis zum Westen, sie wollen die Sanktionen beendet oder zumindest reduziert sehen. Und dieses Ziel wird ohne Putin deutlich leichter zu erreichen sein. Im Falle eines Abzugs aus der Ukraine müssen sich die russischen Eliten letztlich fragen, ob sie weiter in Isolation russische Großmachtträume verfolgen wollen oder ob sie zurückkehren wollen zu dem Luxus, den sie vor dem ganzen Ukraine-Wahnsinn hatten.

Der Anlass des Kriegsendes wäre daher ein natürlicher Punkt, an dem Diskussionen (auch in der Bevölkerung) über tiefergreifende Reformen der Staatsführung in jedem Fall aufkommen werden. Und ich wage weiterhin zu bezweifeln, dass ein durch einen Rückzug geschwächter Putin diese Diskussionen niederknüppeln lassen kann.

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Ja, das ist natürlich nicht unwahrscheinlich, aber es wäre z.B. auch möglich, dass Putin einen Putsch (oder einen inszenierten „Putsch“) abwehrt, und das dann als Grund nimmt, sich aus der Ukraine zurückzuziehen in Verbindung mit einer Dolchstoßlegende. Hätte General X nicht Russland hinterhältig verraten, hätte man den Krieg am Ende noch gewonnen. Die NATO war soooo kurz davor einzuknicken, wenn im Winter erstmal die Leute alle erfroren wären usw. usf., aber jetzt muss man erstmal den Feind im eigenen Land besiegen…

Und am Ende ist Putin auch nicht mehr der Jüngste, d.h. er könnte dann nach der großen Säuberungsaktion ein Jahr später oder so ganz friedlich einem Nachfolger Platz machen, der den Oligarchen (und der SPD^^) genehm ist.

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Interessant finde ich die Idee, dass die mächtigen Männer unter Putin im Falle, dass es militärisch schlecht läuft, ein strategisches Interesse daran haben, ihre besten Männer nicht in den Krieg zu schicken, sondern zur Wahrung der eigenen Interessen bei sich zu behalten. Sobald einer damit anfängt, zieht der nächste mit, denn der möchte ja, nicht schwächer da stehen, wenn in Moskau ein Machtkampf, ein Aufstand, Putsch oder ähnliches beginnt. Interessant auch - so glaubt zumindest der Autor - dass man Zeichen für diese Eigendynamik bereits erkennen kann.

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Wobei hier differenziert werden muss zwischen
a) Kampfkraft
und
b) Loyalität
wobei beides oft natürlich zusammen auftritt (Eliteeinheiten neigen dazu, besser behandelt zu werden und auch loyaler zu sein).

Daher: Kampfstarke Verbände wird Putin durchaus in die Ukraine schicken - vor allem, wenn deren Loyalität in einem inner-russischen Machtkampf nicht ganz klar wäre.

In diese Logik passt zumindest, was man bei der Teilmobilmachung beobachten kann - dort zeichnet sich ja ab, dass vor allem im ländlichen Bereich (der für die Moskauer und St. Petersburger Eliten eher nicht so bedrohlich ist) mit Nachdruck rekrutiert wird, während in besagten Großstädten quasi nur Freiwillige eingezogen werden. Auch die Rekrutierung von Strafgefangenen und der Einsatz von Wagner-Söldnern passt in diese Logik, da es sich in beiden Fällen um Menschen handelt, die wenig Interesse haben, in einem internen Machtkampf für Putin einzustehen. (daher erwähnt der Autor ja auch sowohl Wagner (die eher dem Oligarchen Prigozhin loyal sind als Putin) und Kadyrows Milizen, deren Loyalität im Zweifel auch nicht bei Putin liegt.

Die Ablehnung von Kadyrow an der Teilmobilmachung teilzunehmen und die scheinbare Tatsache, dass Prigozhin vor allem Strafgefangene in Wagner-Auftrag in der Ukraine verheizt (statt seiner eigenen Leute) kann natürlich als Zeichen für einen bevorstehenden Machtkampf gedeutet werden.

Kadyrow und Prigozhin sind jedenfalls beides Leute, die viel zu verlieren hätten, wenn es in Russland einen Umsturz mit Hinwendung zu Menschenrechten gäbe, denn Kadyrows Art der „Staatsführung“ in Tschetschenien und das, was Wagner scheinbar in aller Welt fabriziert, wären definitiv einige der ersten Dinge, die eine menschenrechtssensiblere Regierung unterbinden würde. Die beiden wären daher in einem inner-russischen Machtkampf wohl eher auf der Seite der Hardliner…

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Soweit ich weiß ist Frau Strack-Zimmermann Vorsitzende des Verteidigungsaussschusses des Bundestags und verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, aber keineswegs „innerhalb der Bundesregierung“.

Zu dem ganzen Thema Krimbrücke kann ich die aktuelle Folge UKW mit Tim Pritlove und Pavel Mayer empfehlen, sind einige (für mich neue) Details zu dem Laster drin und was die langfristigen Folgen sein könnten:

Beim Hören ist mir auch noch ein weiterer Gedanke gekommen:

Vielleicht hat Russland auch deshalb so hart reagiert, weil Putin ja eigentlich „gelernter“ Geheimdienstler ist und der Anschlag auf die Krimbrücke eine erfolgreiche Operation eher im (vermeintlichen) Hinterland war.

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