Egal ob die Anschläge auf Nord Stream und auf die Krim-Brücke tatsächlich von Russlands Feinden verübt wurden oder von Russland fingiert wurden, ich befürchte, dass eine Konsequenz die gleiche sein wird: die russische Führung schwört die russische Bevölkerung darauf ein, dass die NATO nun den Krieg nach Russland und insbesondere dessen kritische Infrastruktur bringen wird. Was schließlich die Mentalität von „militärische Spezialoperation“ direkt hin zum „totalen Krieg“ verschieben könnte, inklusive Generalmobilmachung und aller Mittel, die noch „irgendwie verhältnismäßig“ sind.
Sicherlich nicht verhältnismäßig wären Angriffe auf NATO-Gebiet, da Russland keinen konventionellen oder atomaren Krieg gegen die NATO gewinnen kann. Aber wie sieht das bei einer Reihe von taktischen Atomschlägen auf die westukrainischen Eisenbahnknoten aus? Die Ukraine wäre vom Nachschub abgeschnitten und die Nachkriegsordnung durch einen neuen, atomarverseuchten Eisernen Vorhang zementiert. Ob dieses oder ein ähnliches Szenario inzwischen wahrscheinlich ist, sei dahingestellt. Es wird auf jeden Fall wahrscheinlicher, wenn die ausführenden Atomwaffenoffiziere es in der Mentalität der „totalen Verteidigungsmaßnahme“ akzeptieren.
Warum schreibe ich das Ganze? Bisher war die Eskalationsstufe: Die NATO unterstützt die ukrainischen Streikräfte auf ukrainischem Gebiet, aber Angriffe auf (Kern-)Russland sind inakzeptabel. Ich plädiere dafür, dass wir auf dieser Eskalationsstufe bleiben sollten und das auch so ganz klar Richtung russische Führung kommunizieren sollten. Dementsprechend sollte die NATO die beiden Anschläge als inakzeptable Eskalationsversuche (durch wen auch immer) verurteilen und vertrauensschaffende Maßnahmen anbieten. Beispielsweise Russland anbieten gemeinsam mit den westlichen Anrainern die Nord Stream Pipeline zu untersuchen. Ob Russland mitmachen will, sei dahingestellt. Hauptsache es kommt dort an, dass wir nicht von uns aus die Eskalationsspirale hochdrehen wollen.